Kommentar von Dennis Riehle
Nein, weder Alice Weidel noch Björn Höcke werden der Messias sein, welcher von heute auf morgen den Karren aus dem Dreck zieht, in den das Establishment die Republik in unterschiedlichsten Konstellationen aus CDU, SPD, Grünen und FDP über mittlerweile rund zwei Dekaden hineinmanövriert hat. Denn Wunder kann auch die Alternative für Deutschland nicht vollbringen. Und doch liegen die Chancen bedeutend höher, dieses Nation in eine bessere Zukunft zu führen, wenn man einigermaßen unbelastet Verantwortung übernimmt. Schließlich dürften diejenigen nicht mehr aus dem Quark kommen, die ihn höchstpersönlich angerührt haben. Wer die Demokratie ernstnimmt, der achtet nicht nur den Wähler und seinen Meinungsausdruck. Sondern er gibt jenen die Möglichkeit, sich zu bewähren, die mittlerweile nicht nur durch eine sinnfreie Kontaktscham von jeglicher Beteiligung ausgeschlossen werden. Sondern sich vor allem im ÖRR eine perfide Parallelziehung mit den dunkelsten Kapiteln unserer Geschichte gefallen lassen müssen. Es waren also nicht nur die Einlassungen von Bettina Schausten, die den Erfolg der Partei bei den Abstimmungen im Osten kurzerhand mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges auf eine Stufe stellte. Stattdessen wird eine Stimmung geschaffen, die Anhänger, Sympathisanten und Wähler der Blauen desavouiert, degradiert und degeneriert.
Solange wir es nicht einmal vermögen, eine gesellschaftliche Atmosphäre sicherzustellen, in der jedem Einzelnen allein deshalb Respekt vor seinem Votum auf dem Stimmzettel zuteilwird, weil es nun einmal das ureigenste Charaktermerkmal der Volksherrschaft ist, alle paar Jahre sein Kreuz unbehelligt setzen zu können, müssen wir uns auch nicht um das meteorologische Klima kümmern. Denn dieses Land wird nicht etwa wegen Sintfluten, Monsterstürmen und Feuersbrünsten untergehen. Sondern allenfalls durch eine Polarisierung und Spaltung, die Einigkeit und Recht und Freiheit bedrohen. Wenn sich Harald Schmidt dazu äußert, dass der Wille des Souveräns offenbar in einer neuen Form der Großen Koalition zwischen Union und AfD seinen Ausdruck findet, dann spricht er eine Gegebenheit aus, die dem gesunden Menschenverstand entspringt. Unsere Staatsform war schon immer eine Zumutung, weil in ihr das Prinzip der Mehrheit gilt. Und wo der Anspruch der Überzahl umgesetzt wird, da bleibt die Minderheit mit ihren Wünschen hintangestellt. Daher wäre es nicht nur allzu gerecht, wenn nun endlich auch einmal diejenigen das Büßerhemd anziehen müssten, die ihre politischen Gegner über Jahre hinweg mit Schmutz beworfen und zu Freiwild erklärt haben.
Viel eher würde auch eine müßige Debatte zu einem Ende finden, in der man lange genug darüber diskutiert hat, ob und wie es diejenigen besser machen, mit deren Programmatik und Inhalten sich weder die breitflächigen Medien noch das alteingesessene Kartell auseinandergesetzt haben. Das Ringen um die tragfähigsten Lösungen und Antworten auf die Probleme und Herausforderungen dieser Zeit wurde stets mit wortgewaltigen Kraftausdrücken vom Nazi bis zum Faschisten im Keim erstickt. Die eingeebneten und blökende Schafe gaben sich mit Etikettierungen durch den Verfassungsschutz zufrieden. Und von einem Wettbewerb war auch deshalb nicht mehr die Rede, weil zum zweiten Mal in der Geschichte eine Mauer durch unsere Breiten geht – an der sich letztlich aber nur diejenigen verbrannt haben, denen ihr Scheitern und Versagen mittlerweile täglich messerscharf vor Augen geführt wird. Ich habe mich als Journalist stets dazu verpflichtet gefühlt, besonders der kritischen Opposition Raum zur Artikulation bereitzustellen, weil es für mich das Ureigenste in unserer Grundordnung ist, allen Konkurrenten die Möglichkeit zu geben, sich mit ihren Konzepten zu beweisen. Und weil die Ampel bereits genügend Hofberichterstatter hat, will ich gerade den Parteien rechts der Christdemokraten eine Stimme geben. Ich bin weit davon entfernt, irgendeinen Akteur zu heroisieren. Und ich bedaure die zweifelsohne nachvollziehbare und begründete Voreingenommenheit gegenüber allen Presseschaffenden auch aus eigener schmerzvoller Erfahrung mit manch einem Vertreter der AfD.
Aber ich käme nicht auf den utopischen Gedanken, ihr die Heilung derjenigen Wunden in Rekordzeit abzuverlangen, welche unserem Volk durch verschiedene Phasen des Despotismus spätestens seit 2015 zugefügt wurden. Solange wir sie in einer postpubertären Mentalität wie einen Aussätzigen behandeln, werden ihre Zustimmungswerte vollkommen zu recht weiter ansteigen. Immerhin ist die Epoche des ausschließlichen Protests gegenüber der herrschenden Klasse vorbei. Mittlerweile votiert man aus Überzeugung, da eine radikale Trendumkehr in Sachen Migration, Transformation und Indoktrination nur dann gelingen kann, wenn die Unterstützung auf einem dauerhaften und tragfähigen Fundament basiert. Deshalb ist es überaus begrüßenswert, dass sich Pragmatismus und Vernunft zumindest in der Peripherie sukzessive bahn brechen. Dort, wo die Auswirkungen der großen Krisen auf den Einzelnen heruntergebrochen werden, kann man nicht länger dabei zusehen, wie ganze Bevölkerungsteile mit ihrer legitimen Forderung nach einem Wandel separiert sind. Die in Art. 3 GG formulierte Gleichberechtigung beinhaltet eben auch, ein anderes Verständnis von Veränderung artikulieren und autorisieren zu dürfen, als jenes von Katrin Göring-Eckardt. Und so macht es durchaus Hoffnung, dass die gutmenschlichen Schreihälse zumindest in einigen Bundesländern in der Bedeutungslosigkeit verschwunden sind. Denn nur so öffnet sich ein Weg, der Erwartung eines Gros der Menschen authentisch zu entsprechen.