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Bühne frei für’s BSW – Weiter so, Olé Olé!

Kommentar von Dennis Riehle

Es gibt bestimmte Zeiten in der Geschichte, da bietet es sich durchaus an, als Trojanisches Pferd auf einer Welle zu reiten, die man selbst nur bedingt ausgelöst hat – und sie stattdessen als ein Trittbrettfahrer nutzt, der ein Stück weit von der Gemengelage profitiert. Ähnlich stellt es sich im Augenblick mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht dar, welches gerade im Osten in zahlreichen Umfragen erhebliche Zustimmung erfährt – obwohl man sich erst im Anfangsstadium eines Parteiaufbaus befindet, allerdings recht früh mit großspurigen Versprechungen und Geschenken Vertrauen zur Bevölkerung schaffen wollte. Mittlerweile etabliert sich die One-Woman-Show als eine Option gerade auch für jene, die ein buntes Sammelsurium an verschiedenen Positionen und Haltungen mitbringen. Denn das BSW selbst ist eine zusammengewürfelte Mischung aus unterschiedlichen Persönlichkeiten mit höchst eigenwilligen Lebensläufen, welche bereits bei der Gründung teils diametrale Auffassungen vertraten – und recht bald Skepsis darüber aufkommen ließen, inwieweit sich ein solches Miteinander dauerhaft als tragfähig erweisen soll. Der einzige Kitt scheint die Unzufriedenheit mit der aktuellen gesellschaftlichen Situation zu sein. Dass die Fürsprache trotz solch eines Minimums an Gemeinsamkeiten enorm ist – und auch weiterhin ansteigt, hängt nicht zuletzt mit einem positiven Leumund dieser neuen Kraft zusammen, welche sich im üblichen Spektrum von links bis rechts kaum verordnen lässt. Stattdessen strebte man selbst ein lagerübergreifendes Gefüge an, das in jeder einzelnen Anschauung Standpunkte für ein Leitbild nach dem Patchwork-Prinzip abgreift – ehe man am Ende mit einer Programmatik aufwarten kann, die nicht Fisch und nicht Fleisch ist. So begann das Gezänk untereinander vor allem mit Blick auf die Migrationsfrage und den Umgang mit den völlig entglittenen Flüchtlingsströmen. Da war es beispielsweise die jetzige Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali, die sich in der Vergangenheit mit Konsequenz gegen jede Abschiebung wandte – von dieser Eindeutigkeit nun allerdings zurückwich. Inwieweit solch eine Umorientierung glaubwürdig und konsistent ist, lässt sich auch deshalb schlecht abschätzen, weil sie bisher noch nicht in ihrer neuen Rolle gefordert war, in Verantwortung zu klaren und unmissverständlichen Konzepten stehen zu müssen.

Während sich die Gründerin und Initiatorin hinsichtlich der ungezügelten Flüchtlingsströme deutlich strenger und weitreichender gibt als ihr Pendant, bleiben auch mit Blick auf die Wirtschaft viele Ungereimtheiten. Immer wieder wird die Forderung postuliert, unsere Ökonomie durch eine „Demokratisierung von Betrieben“ gerechter zu gestalten. Was sich auf den ersten Blick wie eine vernünftige Überzeugung anhört, muss im Zweifel im Kontext der generellen Gesinnung beleuchtet werden. Zahlreiche Anhänger kommen aus dem sozialistischen Umfeld. Und deshalb verbergen sich hinter ihren wohlklingenden Worten knallharte Anstrengungen zur Etablierung einer zentral gelenkten Produktivität. Selbige dürfte insbesondere den Menschen bekannt vorkommen, die in der DDR aufgewachsen sind. Eine mögliche Regulierung der Industrie mitsamt der Menge und Auswahl der hergestellten Waren und Güter durch den Staat ist schon einmal gescheitert. Deshalb ist es einigermaßen verwunderlich, dass die Erfahrungen der Diktatur offenbar nicht davor zurückschrecken lassen, sich ähnliche Umstände wieder herbeizuwünschen. In vielen ihrer Schriften, aber auch in Interviews, lässt Wagenknecht durchaus plangesellschaftliche Ziele durchscheinen. Diese wiederum lassen sich kaum mit dem ebenfalls artikulierten Ansinnen nach einer Rückkehr zu größtmöglicher Meinungsfreiheit und Erhaltung der Grundrechte vereinbaren – die man wohl auch deshalb niederschrieb, weil in einer Dekade von totalitären Tendenzen eine Breitseite gegen die Philosophie der Regierung beim Souverän als eine populäre Kampfansage verfangen könnte. Ein Belastbarkeit dieser Mentalität, welche auf die Rückbesinnung zu Rechtsstaatlichkeit und Freiheit abhebt, kann man der Partei auch deshalb nur schwer abnehmen, weil sich ihre Gruppe im Bundestag zunehmend als unzuverlässig und wankelmütig gibt.

Regelmäßig schwänzen ihre Abgeordneten die Plenarsitzungen – und nehmen damit auch an wichtigen Entscheidungen des Parlaments nicht teil. Sofern dies aber doch einmal geschieht, verfällt man augenscheinlich in den linken Globalismus und Pluralismus, aus welchen viele der Mitglieder entstammen. So war es einigermaßen eindrücklich, dass man einem Antrag zur härteren Gangart gegenüber dem politischen Islam kein „Ja“ gab – und sich bei heiklen Konstellationen im Zweifel enthielt. Noch immer fehlt es an einer plausiblen Stoßrichtung des BSW und seiner Funktionäre. So herrscht beispielsweise auch bei einer anderen Abwägung größtmögliche Uneinigkeit in den eigenen Reihen. Da trat der Landesvorsitzende im Saarland deshalb zurück, weil seine Kollegin an der Spitze den Untergliederungen vor Ort freie Hand lassen wollte, im Einzelfall auch über ein gemeinsames Votieren mit dem „Bösen“ nachzudenken. Diese von Kontaktscham getragene Denkweise konnte sich nicht durchsetzen, weil von der Bundesebene aus Berlin keine Vorgaben darüber existierten, wie sich der Umgang mit der Alternative für Deutschland nun tatsächlich gestalten soll. So gibt es mehr oder weniger Prominente des Bündnisses, die sich der monothematischen Fixation verschrieben haben, nicht etwa unser Land zu verändern und Missstände zu beheben. Sondern sich vornehmlich am Bau der Brandmauer gegenüber den „Extremisten“ zu beteiligen. Unverhohlen gesteht man ein, dass man sich nicht zuletzt auch deshalb zusammengeschlossen habe, um die Präsenz der als Feinde angesehenen Blauen in den Erhebungen möglichst zu halbieren. Mit dieser Gangart schmiegt man sich vollends an das Establishment an und bestätigt die Verwurzelung innerhalb der Alteingesessenen. Wagenknecht vertraut wie die Ampel darauf, sich inhaltlich nicht einengen zu müssen und im Ungefähren bleiben zu können – solange man die öffentliche Debatte allein mit dem Diffamieren der tatsächlich kritischen Opposition bestimmt.

Zwar wollte die einstige Linken-Ikone ein punktuelles Kooperieren nicht gänzlich ausschließen – doch wie eine große Liebe hörte es sich nicht an. Und so verwundert auch nicht, dass diese Verlautbarung schon wieder relativiert wurde. Pünktlich vor den nächsten Urnengängen zeigt das BSW sein wahres Gesicht vor allem in der Peripherie. Da hat man im Wahlkampf die AfD in Thüringen nicht nur zum Hauptgegner erklärt, sondern die eigene politische Legitimation an das Verdrängen der Widersacher geknüpft. Mit diesem Credo kann man sich auch weiterhin um Sachdiskussionen drücken – und verkommt zu einem Abklatsch des manifestierten Kartells. Die ideologischen Schnittmengen zwischen den beiden Parteien ergeben sich vor allem in einem geradlinigen Engagement für ein Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine und dem Forcieren einer diplomatischen Herangehensweise in diesem Krieg. So scheint es lediglich der Pazifismus, der die beiden Kontrahenten näherbringen könnte – aber sicherlich nicht das Zünglein an der Waage sein dürfte, wenn sich der Bürger in der Totalität der aktuellen Herausforderungen zwischen den Wettbewerbern festlegen muss. Schlussendlich sollte man sich darüber bewusst sein, dass eine radikale Trendumkehr in allen Problembereichen der Gegenwart nur mit der Alternative für Deutschland als Original des authentischen Gegenpols zum hauptstädtischen Elfenbeinturm und seiner Homogenität gelingen kann. Wer sich hingegen für einen „Kommunismus light“ erwärmen möchte – welcher sich lediglich einen patriotischen Anstrich gibt -, der dürfte tatsächlich bei denjenigen richtig sein, die sich in ihrem Team sukzessive ausdifferenzieren. Dieses bisweilen wie ein Mix aus frustrierten, desillusionierten und gelangweilten Abtrünnigen – die mit ihren Ursprüngen nicht mehr viel anfangen können, aber gleichzeitig auch kaum dazu bereit scheinen, einen neuen Anker zu setzen – hat nicht das Potenzial zur Begeisterung. Denn Vitalität, Enthusiasmus und Entschlossenheit fehlen diesem Durcheinander an Protestlern augenscheinlich. Und so könnten jene enttäuscht werden, die dem Bündnis allzu viel Rückenwind geben – aber aus der Wunschträumerei über einen tatsächlichen Kontrast spätestens bei seiner Beteiligung an einer künftigen Regierung unsanft geweckt werden könnten. Denn die Anbiederung und das Ausschauhalten nach etwaigen Koalitionspartnern wie der CDU macht jede Solidität von Wagenknecht und ihren Unterstützern zunichte.