Kommentar von Dennis Riehle
Dass sich die Mehrheitsverhältnisse in mehreren ostdeutschen Regionen schon bald ändern dürften, darüber herrscht in den meisten Umfragen unmissverständliche Übereinkunft. Zwar gibt es in den einzelnen Erhebungen Unterschiede, vor allem mit Blick auf die Bedeutung des BSW – welches sich zweifelsohne als ein veritabler, aber letztlich auch trügerischer Anbieter auf dem Markt der verschiedenen politischen Konkurrenten etabliert. Allerdings entlarvt sich das Bündnis um Sahra Wagenknecht aber nicht nur als eine One-Woman-Show, in der die einstige Linken-Ikone wesentliche Beschlüsse an sich reißt – und durch diese egozentrische Haltung bereits ein offensichtliches Manko in ihrem Gemeinschaftsverständnis zutage führt. Denn als Nach-Nachfolger der SED und im Kontinuum an die Idealismen der DDR, bleibt in der Programmatik trotz Beteuerungen aus der Führungsriege der Anspruch an plangesellschaftliche Verhältnisse und eine zentralwirtschaftlich funktionierende Unternehmerschaft immanent. Ohnehin sind es die zahlreichen Widersprüche in den Inhalten, welche ein gewisses Misstrauen und Argwohn aufkommen lassen sollten. Einerseits setzt man sich mit größtmöglicher Vehemenz für die Wiederherstellung einer uneingeschränkten Meinungsfreiheit und die problemlose Ausübung aller Grundrechte ein. Auf der anderen Seite verfolgt man zumindest in ökonomischer Hinsicht ein Konzept, welches realsozialistischen Tugenden sehr nahe kommt. Denn hinter dem schönklingenden Begriff der „Demokratisierung“ von Betrieben steckt gerade bei einer Hinzuziehung von Veröffentlichungen und Standpunkten der Genossin aus der jüngeren und längeren Vergangenheit der unverhohlene Anspruch, insbesondere bei der Produktauswahl, den Herstellungsprozessen und den Fertigungsmengen von staatlicher Seite mitsprechen zu wollen. Es würde in diesem Kontinuum also zu Verhältnissen kommen, von denen man doch dachte, sie seien bei den Menschen mit Erfahrungen der Diktatur nicht mehr unbedingt en vogue. Und so überrascht die Fürsprache zu den Konzepten und Vorschlägen dieser frisch auf den Markt gekommenen Kraft in den sogenannten neuen Bundesländern auch deshalb, weil es in den letzten Wochen zu Vorkommnissen gekommen war, welche zumindest Fragen aufwerfen.
Da nahm die Gruppe im Bundestag an wichtigen Entscheidungen gar nicht teil. Und als es um einen Antrag zur Bekämpfung des politischen Islam ging, entpuppte man sich kurzerhand doch noch als ein Teil des Kartells, das nicht zu einem radikalen Perspektivenwechsel bereit ist. Stattdessen lehnte man trotz eines eigentlich abgeschlossenen Dissoziationsprozesses von der toleranztrunkenen und moralinsauren Befürwortung der grenzenlosen Massenmigration einen entsprechenden Vorstoß nicht zuletzt wegen Personen ab, die sich in der medialen Öffentlichkeit bisweilen anders äußern als offenbar intern. So ist beispielsweise die vermeintliche Läuterung der Co-Vorsitzenden Amira Mohamed Ali eine vermeintliche Täuschung des vor allem dezidiert antipluralistischen Wählers. Sie hatte sich in der Gründungsphase zunächst kritisch gegeben, weil sie noch vor einigen Jahren gegen sämtliche Abschiebungen von ausreisepflichtigen Asylbewerbern votiert hatte. Von diesem Standpunkt sei sie mittlerweile weggekommen, verlautbarte aus ihrem Munde. Und da es bei mir persönlich zu einem ähnlichen Kurswechsel gekommen war, schien es anfangs für mich vollkommen selbstverständlich, auch ihr diese Einsicht zuzugestehen – und als durchaus glaubwürdig abzunehmen. Doch die Ankunft in der Realität scheint nicht allzu lange gehalten zu haben. Mittlerweile ist man wieder voll auf Kuschelkurs mit sämtlichen Schutzsuchenden – insbesondere auch mit fanatisierten Vertretern einer Religion, die die ziemlich platte Naivität unter deutschen Wokisten mit Genuss ausnutzen. Insbesondere unter den Eindrücken aus Mannheim, Frankfurt oder Gera entpuppt sich der Zusammenschluss von äußerst divergierenden Persönlichkeiten als eine Luftnummer, welche sich eben nicht von den Alteingesessenen abhebt. Viel eher ist man in den wesentlichen gesellschaftlichen und identitätspolitischen Themen genauso gutgläubig unterwegs wie das restliche bunte Konsortium an Vaterlandsverrätern. Bringt man diese Erkenntnis zusammen mit den Meldungen über Querelen in den verschiedenen Landesverbänden, unter denen besonders der Rücktritt des Vorsitzenden im Saarland markant heraussticht, muss man dem BSW attestieren, dass es voll auf der eingegebenen und kanalisierten Linie ist – und sich von der Homogenität ausdrücklich nicht unterscheidet, deren Bekämpfung doch eigentlich das oberste Ziel war.
Im vorgenannten Fall hatte Randolf Jobst seinen Posten hingeschmissen, weil seine Amtskollegin an der Spitze es den einzelnen Untergliederungen vor Ort überlassen wollte, im Zweifel auch lose Kooperationen mit der AfD einzugehen – und bei inhaltlichen Überschneidungen gemeinsam abzustimmen. Hiermit konnte sich der dem progressiven Flügel zugehörige Bäckermeister aus Merzig wohl nicht abfinden – und wartete vergeblich auf Unterstützung für seine Haltung aus dem fernen Berlin. Mit diesem öffentlichkeitswirksamen Entschluss verfiel man in den Mechanismus der Brandmauer zur Alternative für Deutschland – und bewies die schon lange zu beobachtende Vermutung, wonach die fundamental gegensätzlichen Überzeugungen innerhalb eines zusammengewürfelten Konstrukts an bisweilen narzisstisch wirkenden Charakteren durchaus das Potenzial besitzen, perspektivisch zu einer neuen Polarisierung und Spaltung eines in der Stoßrichtung völlig unklaren Wettbewerbers zu führen. Denn was sich anfangs als wohlklingend lagerübergreifendes Miteinander verstand, bröselt bereits nach wenigen Monaten auseinander – und findet sich in einer Kontaktscham wieder, welche es vor allem in Erfurt, Dresden oder Magdeburg schwer haben wird. Denn man scheint in diesem Teil der Republik mittlerweile doch um Längen klüger als im Westen, weil man angesichts der Herausforderungen und Probleme des Hier und Jetzt allzu gerne auf infantile Abgrenzungen verzichten kann. Es hätte die Chance gegeben, zwei Partner möglicherweise anzunähern, die sich vor allem in einer für viele Sachsen, Thüringer oder Brandenburger überaus wichtigen Frage letztlich doch einig sind: Das Bündnis und die Blauen setzen auf eine diplomatische Initiative im Ukraine-Krieg – und auf Verhandlungen statt immer neuer Waffen. Dass der kleinste gemeinsame Nenner aber dann nicht hinreichend sein dürfte, wenn sich in Wagenknechts Gefolgschaft die Distanzeritis breitmacht, muss vor allem jenen bewusst sein, die mit einem Kreuz bei Höcke vor allem deshalb hadern, weil sie nicht als „Rechte“ abgestempelt werden möchten. Wir leben in einer Gegenwart, in der ein mutiges Bekenntnis notwendig ist und auf Befindlichkeiten verzichtet werden sollte. Es geht nun nicht mehr darum, den eigenen Ruf und Leumund in den Vordergrund zu stellen, sondern um eine richtungsweisende Zukunftsentscheidung, bei der die Rücksichtnahme auf gesellschaftliche Konformität hintangestellt gehört. Wer in Sachen illegaler Zuwanderung, Pazifismus und Vernunft das Original möchte, sollte sich nicht von einem Trojanischen Pferd blenden lassen.