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Der russische Überfall ist nicht zu rechtfertigen, aber die Rachsucht Selenskyjs ebenso wenig!

Kommentar von Dennis Riehle

Es steht für mich ohne Zweifel fest: Der Angriff von Russland auf die Ukraine war ein imperialistischer Überfall, der nicht zu rechtfertigen ist. Denn wenngleich ich die Kausalitäten der Entwicklung dieses Konfliktes durchaus erkenne – und aus der Sicht von Moskau den dortigen Eindruck nachvollziehen kann, wonach es nach den Maidan-Aufständen zu einer konsequenten Missachtung von Interessen gerade der Bürger im Donbass durch die nachfolgenden Präsidenten und Regierungen in Kiew gekommen war, ist der Versuch zur gewaltsamen Verschiebung von Grenzen im 21. Jahrhundert nicht mehr zu tolerieren. Gleichzeitig bin ich angesichts des schon bald wieder bevorstehenden Jahrestages dieses Krieges auch der Überzeugung, dass die nachlassende Zustimmung für Selenskyj in der Bevölkerung ein Ausdruck von Unzufriedenheit mit seinem rachsüchtigen Vorhaben zum militärischen Sieg auf dem Schlachtfeld ist.

Schließlich ist mittlerweile auch außenstehenden Experten, die sich über Monate hinweg im Erfolg der Gegenoffensive einig waren, einigermaßen bewusst und klar geworden, dass diese Auseinandersetzung nicht mehr zugunsten der Ukraine entschieden wird. Viel eher mehren sich die Anzeichen einer russischen Übermacht täglich neu. Und man fragt sich bei aller Verbitterung über den Umstand, dass Brutalität heutzutage doch noch gewinnen kann, wie lange insbesondere der Westen diesen eigentlich bereits zur Entscheidung gebrachten Abnutzungskonflikt unter der Hinnahme von Tod und Verwundung von Menschen prolongieren möchte – ohne irgendwann die ethische Sinnfrage stellen zu müssen.

Die Fehler liegen auf beiden Seiten gleichermaßen. Dass man von Seiten der Herrschenden eine zunehmende Spaltung des ukrainischen Volkes hingenommen hat, indem man sich einseitig der Europäischen Union und der NATO zuwendete, ohne dabei aber die Zweifel und Skepsis derjenigen wahrzunehmen, die jetzt an der Front unter den Kämpfen leiden und ihren Kopf hinhalten müssen, war ein unverantwortliches und egoistisches Gebaren von Narzissten wie dem aktuellen Regenten in Kiew, der sich nun auf Teufel komm raus mit dem Despoten im Kreml messen will. Unsere endlose Solidarisierung ist mit Blick auf die Opfer des Krieges notwendig und geboten gleichermaßen. Allerdings ist die Sackgasse, in die sich auch Washington, Berlin oder London durch ihre finanzielle und materielle Direktleitung in die Ukraine begeben haben, an Engstirnigkeit und Naivität kaum noch zu überbieten.

Denn es fehlt den Verbündeten nicht nur an einem Plan B für den Fall, dass Moskau alle Register zieht. Sondern insbesondere auch an jeglichem Versuch, auf eine diplomatische Lösung hinzuarbeiten. Wiederkehrend wurde darüber berichtet, dass es offene Zeitfenster gab, in denen man durch die Einbeziehung von neutralen Vermittlern eine Verständigung hätte erreichen können. Dass sich in diesen Tagen immer wieder Politiker der westlichen Hemisphäre mit der Behauptung gebärden, Putin wolle keinen Frieden, ist auch deshalb einigermaßen grotesk, weil offenbar seit Monaten niemand mehr mit dem russischen Präsidenten telefoniert hat. Selenskyj hat die Abstimmungen für die Ukraine bis auf Weiteres abgesagt. Und auch wenn selbst in Deutschland für den Fall eines Krieges eine Bundestagswahl verfassungsrechtlich legitim hinausgezögert werden könnte, bedeutet dies nicht unbedingt, dass man sich als Machthaber im Falle einer militärischen Konfrontation und Eskalation dauerhaft dem Votum des Souveräns entziehen kann.

Die Umfragewerte für den Präsidenten sinken immer weiter, denn nicht nur im Osten des Landes steigt die Sehnsucht nach einer Beendigung der Kampfhandlungen – im Zweifel sogar unter der Hinnahme möglicher Gebietsverluste. Und auch wenn ich mit Frau Wagenknecht nicht vielen Dingen übereinstimme, so befürworte ich den von mir seit langem als eine bedenkenswerte Möglichkeit aufgebrachten Vorschlag, den auch sie nun äußerte: Wie wäre es, in den besetzten Gebieten unter internationaler Aufsicht und ohne Intervention von außen das Volk darüber entscheiden zu lassen, welchen Status es dauerhaft einnehmen möchte?

Eine demilitarisierte, autonome und neutrale Pufferzone wäre dabei ein eventuelles Modell für die Zukunft. Doch über all das wird in der breiten Öffentlichkeit hierzulande auch deshalb nicht diskutiert, weil man durchaus den Eindruck haben könnte, dass der Ampel-Regierung die derzeitige Ablenkung der Aufmerksamkeit auf diesen Konflikt eine Auseinandersetzung mit ihrem eigenen Versagen erspart. Und auch der Umstand, dass die Bundeswehr durch die immer neuen Zusagen an Waffenlieferungen mittlerweile nahezu blank dasteht, könnte gerade Pistorius in seiner Kriegstüchtigkeit in die Hände spielen. Denn er hat damit eine Rechtfertigungsgrundlage vorzuweisen, um immer neue Sondervermögen und Schattenhaushalte für die Aufrüstung zu fordern. Damit ist der positive Kollateralschaden dieses unsäglichen Martyriums für manchen deutschen Minister wohl größer als dessen Gewissen, sich endlich engagiert für den Dialog zu engagieren.

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