Kommentar von Dennis Riehle
Es ist noch nicht allzu lange hier, da schien Deutschland auf einem guten Weg, die Aufarbeitung seiner dunklen Vergangenheit insoweit vorangetrieben zu haben, als dass die Kollektivschuld bei denjenigen nicht mehr zur Charakterlichkeit gehörte, die weit nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurden – und aus der Historie vornehmlich die Mahnung zur Verantwortung für ein „Nie Wieder“ der grausamen Dehumanisierung von Holocaust und Nationalsozialismus mitnahmen. Natürlich hat die Leugnung der grausamen Dehumanisierung in Holocaust und Nationalsozialismus keinen Platz in unserer Gesellschaft. Gleichzeitig braucht es aber auch keine geißelnde Haftung für das, was manche unserer Vorfahren angerichtet haben. Und in dieser Mentalität galt noch im vergangenen Jahrzehnt das Bekenntnis zu Konservativismus, Bürgerlichkeit und Patriotismus als Tugend des Bewahrens von Identität, Heimat und Prinzipien.
Und es war auch nicht verwerflich, sich als rechts zu bezeichnen. Doch nur Augenblicke später wandelte sich die Definition dessen, was mit Blick auf die persönliche Herkunft als ansehnlich, respektiert und wertgeschätzt galt. Mittlerweile ist man aus Sicht der politischen Korrektheit sogar innerhalb der CDU ein Extremist, wenn man sich für eine stringente Regulierung der illegalen Einwanderung ausspricht – oder im Bundestag die Nationalflagge hochhält. In einem kaum vergleichbaren Tempo hat sich die Segregation, Brandmarkung und Denunzierung einer ganzen Bevölkerungsklientel dynamisiert, nachdem das Linke in diesem Land – von SPD über Grüne bis Sozialisten – die Kompassnadel an sich riss und den Wertemaßstab hinsichtlich des Guten und Bösen kurzerhand umdeutete. Plötzlich fand sich derjenige, der die Christdemokraten wählt, kurzerhand in einem Sammelbecken von ehrenwerten Persönlichkeiten unterschiedlicher Couleur wieder, denen der Stempel von Rassismus und Demokratiefeindlichkeit aufgedrückt wurde.
So galten Positionen und Auffassungen als anrüchig, verwerflich und unmoralisch, die man einst als Ausdruck der Mitte verstand. Samt Etikettierung wurden jene für vogelfrei erklärt, die die monokausale Ursache des Klimawandels in Frage stellten, die von der Ampel angestoßene Energiewende als widersinnig betrachteten, Geschlechtervielfalt und Non-Binarität in den Bereich des Unnatürlichen verorteten, Gasheizungen in ihre Keller einbauten, SUV mit Verbrenner-Motor fuhren, Fleisch aßen, für die Ukraine Frieden forderten oder sich erdreisten, von ihrem Grundrecht auf gleiche, faire und unabhängige Wahl Gebrauch machten – indem sie eine politische Kraft wie die AfD favorisierten, welche eine staatliche Behörde als verfassungsfeindlich betrachtet.
Allein vom Hörensagen liefen diejenigen als blökende Schafe in der Menge mit, die sich an diesem Schauspiel der Vorführung ihrer Freunde, Nachbarn und Kollegen beteiligten – und ihnen bisweilen sogar die Menschlichkeit absprachen, indem man sie wortspielerisch zu Ratten erklärte oder zum Keulen preisgab. Mithilfe einer der durch die Regierung inszenierten Medienkampagne wurde suggeriert, der seit Jahrzehnten in deutschen Behörden gängige Begriff der Remigration sei mit Deportation – und damit dem Ansinnen des Verbringens von Millionen Bundesbürgern in die Wüste – verbunden. Dank Verzerrung, Übertreibung, Manipulation und Lüge konnte in den Köpfen einer naiven Gesellschaftskohorte das Bild des Dämons aufrechterhalten werden, der am Ende nichts Anderes einforderte, als die Rückkehr zu Vernunft, Pragmatismus und Rechtsstaatlichkeit – und sich dabei gegen Verbote, Kasteiung, Gängelung, Bevormundung und Freiheitsentzug aussprach.
Ein gesundes Bewusstsein für die eigenen Wurzeln und die damit verbundenen Abstammungsmerkmale der ethnischen, historischen, sprachlichen, sozialen und anthropogenen Gemeinschaft ist nicht nur Ausdruck von Stolz auf all das, was die Republik besonders nach 1945 an Aufarbeitung, Wiederaufbau und Neuorientierung geleistet hat. Sondern es beflügelt auch den Zusammenhalt in Zeiten einer wachsenden Entfremdung und Polarisierung, setzt Eckpfeiler des Miteinanders und gibt Sinn und Halt auch für diejenigen, die als Gast in unser Land kommen. Daher ist eine völkische Ideologie nicht anstößig, sondern die Voraussetzung für das Gelingen einer behutsamen Öffnung gegenüber dem Anderen, welcher im Zweifel auch darauf angewiesen ist, ein Rahmengerüst vorzufinden, von dem er sich leiten lassen kann. Ein Land mit Selbsthass und Eigenverachtung ist nicht attraktiv für jene, die mit der Absicht zu uns kommen, ein Teil des Ganzen zu werden.
Wenn Kritik am Konzept des Multikulturalismus fremdenfeindlich sein soll, dann sind nahezu alle Völker auf diesem Globus despektierliche Desavouierende – weil sie die Überzeugung leitet, dass eine sich in gesundem Maße für das Inkludieren des Unbekannten aussprechende Einheit nur dann erfolgreich sein wird, wenn eine die Richtung vorgebende Mehrheit als Leuchtturm bereitsteht, um sich auf ihn verlassen zu können. Pluralistische Traumvorstellungen und Utopien von einem Sammelbecken unterschiedlichster Konformitäten, denen es an einer sie verschweißenden Philosophie über das Assoziierende fehlt, sind die Abrissbirne für eine Spezies. Das Kumulieren von evolutionär nicht umsonst zunächst separierten Stämmen, Gruppierungen und Verbänden zu einer zwanghaft verordneten Entität mag den Neosozialisten in diesen Tagen ein Ziel sein. Widerspruch hiergegen ist weder rechtsextrem noch xenophob, sondern überall sonst auf dem Globus ein Zeichen von Selbstbewusstsein, Festigkeit und Würde. Wer solch eine Definition ablehnt, hat von diesen Eigenschaften wohl selbst nichts verinnerlicht.
[…] Die Aufarbeitung der deutschen Geschichte hängt im Kollektivschuld-Narrativ fest! […]