Kommentar von Dennis Riehle
Der Prozess der Eingliederung von Flüchtlingen ist keine Einbahnstraße – es sei denn, man befindet sich in Deutschland. Denn nicht nur der Umstand, dass immer weniger Ankommende dazu bereit sind, an unserer Gesellschaft und dem Sozialstaat nicht nur teilzuhaben – sondern vor allem auch ihrerseits einer Bringschuld nachzugehen, trägt zu einem schier unmöglichen Versuch bei, mit der Flutung an sogenannten Schutzsuchenden auch nur annähernd eine Gesellschaft zu verwirklichen, die nicht an allen Ecken und Enden überfordert ist. Es gibt mittlerweile zahlreiche Beispiele, um dokumentieren zu können, wie aussichtslos jegliche Bemühung ist, aus der Ideologie des Multikulturalismus eine Ganzheit zu gestalten. Und so erreichte mich in diesen Tagen eine Zuschrift von einer Sprachkursdozentin aus dem Norden Deutschlands, die noch einmal untermauert, welche gravierenden Missstände bei uns herrschen. Sie schrieb unter anderem: „Vor einigen Jahren bat mich die VHS, einen Antrag auf Integrationszulassung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu stellen, der aufgrund fehlender Zusatzqualifikation abgelehnt wurde – obwohl ich als Bildungseinrichtung anerkannt wurde und hiesige Staatsbürger vor juristischen Personen zum Schulabschluss führen darf. Da ich kein abgeschlossenes Deutsch-Studium nachweisen konnte, wollte das BAMF für das Nachholen desgleichen auch keine Kosten übernehmen. Also immatrikulierte ich mich beim Goethe-Institut und bezahlte die Studiengebühr aus eigener Tasche. Dennoch wurde auch der zweite Antrag zurückgewiesen – dieses Mal aufgrund eines fehlenden Bachelorabschlusses. Das heißt, ich dürfte mit dem weltweit gültige Zertifikat in jedem Land unterrichten, nur nicht bei uns. Ein Beschwerdeschreiben an das Bundeskanzleramt brachte auch keinen Erfolg. Und so darf ich Alphabetisierungskurse leiten – und bis Niveau B1 lehren“.
Und wieder einmal macht sich die uns immanente Bürokratie bemerkbar, die nicht erst seit gestern zu einem Bremsklotz für jeglichen Fortschritt geworden ist. Sie verunmöglicht zudem, der immer ungezügelteren Einwanderung aus nicht selten wirtschaftlichen Gründen auch nur im Ansatz Herr werden zu können. Doch nicht nur an dieser Stelle klemmt es, wie mir die Absenderin mitteilt: „Die Wartezeiten, um einen Platz in einem Integrationskurs zu bekommen, belaufen sich schon auf Jahre. Es fehlt dem Bund an qualifizierten Lehrkräften, weil sie nahezu unerreichbare Ansprüche stellt. Und wenn sie diese dann einmal findet, dann sind es meistens schon Rentner, erfüllen jedoch den Lehrerstatus – wenn auch auf einem völlig veralteten Niveau). All die geheuchelten Anstrengungen der Regierung sind reine Utopie. Ich habe glücklicherweise momentan eine sehr liebevolle Gruppe toller und motivierter Kursteilnehmer, aber wie wir anhand des Attentats auf einen meiner Kollegen sehen mussten, kann dieser Job auch lebensgefährlich sein“. Die Zustände, die auch ich aus der Sozialberatung bestätige, kommen letztlich einem Kontrollverlust gleich. Entsprechend formuliert die Informantin: „Die Voraussetzungen, um als Integrationslehrkraft tätig werden zu dürfen, sind enorm hoch. Und so ist es nicht verwunderlich, dass selbst Professoren in dieser Funktion eingesetzt werden. Trotzdem benötigen diese bereits intellektuell auf höchsten Standards gereiften Kollegen oft noch Zusatzzertifikate. Allein bei uns warten zur Zeit über 200 Migranten auf einen Platz in einem Kurs. Es können jedoch immer nur rund 26 Personen an einem solchen teilnehmen (Laufzeit etwas 7 Monate – ohne die Ferien). Wir werden überrannt und können dem Ansturm nicht mehr standhalten. Daher ist eine Einbürgerung innerhalb der von der Regierung veranschlagten Zeit reine Ideologie und in keinster Weise umsetzbar“.
Gleichsam ist aber auch die aufgeheizte Stimmung angesichts dieser für viele zu Frustration, Missgunst und Argwohn führenden Bankrotterklärung des Staates ein Pulverfass, das an manch einer Stelle bereits explodiert ist: „Ich las unter einem Pressebericht im Netzwerk X einige Stellungnahmen, die mich zutiefst entsetzten. So wird tatsächlich angenommen, dass wir als Dozenten ausnahmslos links seien und es in Wedel den Richtigen getroffen hätte. Ein User schrieb sogar, dass besser einen Flüchtlingshelfer dran glauben müsse als einen unbedarfter Bürger“. Dass solche Worte explizit die Falschen anklagen, macht die weltanschauliche Verortung der mit mir in Kontakt stehenden Nutzerin auf Twitter deutlich: „Ich habe selbst eine konsequente politische Haltung. Ich fordere eine Abschiebung von illegal eingewanderten und abgelehnten Asylbewerbern. Desweiteren wünsche ich mir an der Spitze unseres Landes Politiker, die die Anforderungen ihrer Behörden selbst erfüllen müssen! Deutsche scheinen Menschen zweiter Klasse geworden zu sein. Denn diese darf ich vor amtlichen Personen zu einem qualifizierten Ausbildungsabschluss führen, aber für Migranten bin ich zu ‚unterqualifiziert'“. Diese zum Himmel schreiende Irrwitzigkeit der bestehenden Reglementierungen wird im Alltag immer deutlicher: „Aus lerntherapeutischer Sicht und meiner beruflichen Erfahrung sind die Integrationskursteilnehmer oftmals der Vermittlung der deutschen Sprache durch die zur Verfügung stehenden Fachkräfte überhaupt nicht gewachsen. Auch die Lehrwerke lassen zu wünschen übrig. Sie werden systematisch von Seite 1 an durchgearbeitet. In einer Stunde werden die Tempus-Formen durchgenommen, ein anderes Mal die Deklination der Adjektive und dann plötzlich der Kasus. Die wirklichen Zusammenhänge werden nicht professionell vermittelt“, so der nüchterne Befund. Und weiter erklärt die Dozentin: „In meinen Kursen als sogenanntes Starterpaket für Flüchtlinge – welche übrigens nicht im Zuständigkeitsbereich des BAMF liegen, sondern beim jeweiligen Standesverband der Volkshochschulen – darf ich zumindest (bis auf die jeweiligen zwölf vorgegebenen Themengebiete) selbst entscheiden, wie und wann ich etwas behandele. Meine Gruppe lernt in einer strukturiert aufgebauten Methodik, die zu deutlich weniger Unverständnis und Fragen führt als das Vorgehen im Unterrichtsmaterial der Integrationskurse“. Und obwohl die Nachfrage enorm ist, werden weitere Restriktionen gegen die Lehrkräfte verhängt, berichtet die Userin: „Seit diesem Jahr bekommen sehr viele Leiter kein Honorar mehr von der Behörde ausbezahlt. Sie mussten einen Anstellungsvertrag mit den örtlichen Volkshochschulen eingehen. So haben sie befristete Arbeitsverträge und erhalten nun (anstatt der 43,80 Euro Honorar für 45 Minuten) brutto lediglich hochgerechnet 21,00 Euro brutto. Dafür sind sie zwar sozialversichert, aber zahlen trotzdem noch Steuern. Für den stündlichen Nettolohn würde ich nicht tätig werden wollen“. Angesichts dieser Schilderungen verwundert es nicht mehr, warum die Ernüchterung so groß ist: „Ich erlebe jeden Tag das Elend durch dieses Versagen unseres Systems. Wir arbeiten gegen Windmühlen! Natürlich kann ich nachvollziehen, weshalb viele Menschen in Deutschland resignieren und denken, dass das alles ohnehin nichts mehr bringen wird, sich gegen den Staat zu wehren. Aus den vier Säulen der Gewaltenteilung ist eine einzige geworden, die uns totalitär aufzeigen soll, wie unsere Verfassung täglich ein Stück mehr ausgemerzt wird. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass ich mich damit auseinandersetzen müsste, in welches Land ich auswandern könnte!“.