Ein offener Brief von Dennis Riehle an Kolumnistin Carin Pawlak
Sehr geehrte Frau Kollegin Pawlak, soeben habe ich mich dazu entschieden, einige Minuten meines kostbaren Lebens dafür aufzubringen, den von Ihnen veröffentlichten Kommentar im „Focus“ zu lesen. Einerseits war es Zeitverschwendung, andererseits wäre Schmerzensgeld angebracht. Ich habe selten eine derart verkorkste Argumentation vorgefunden, wie in diesem Beitrag. Selbstverständlich bleibt es Ihnen unbenommen, eine willfährig triefende Huldigung zu verfassen, wie gern Sie die sogenannten Rundfunkgebühren entrichten. Sie begründen dies damit, dass Sie im öffentlich-rechtlichen Fernsehen Informationen in Erfahrung bringen, die Sie auf anderen, also den privaten Sendern nicht wahrzunehmen vermögen. Gleichzeitig belehren Sie uns in einer langatmigen Ausführung, was wir unter Artikel 5 des Grundgesetzes zu verstehen haben. Demnach sei es Aufgabe der Presse, in freier – aber eben, wie Sie leider verschweigen, nicht willkürlicher – Entscheidung Bericht zu erstatten, damit sich der konsumierende Bürger auf dieser Grundlage eine eigene Meinung bilden kann.
Wenn wir eine Umfrage unter der Bevölkerung durchführen würden, wer mit einer gleichen Euphorie und Freude wie Sie den Pensionären von ARD und ZDF die monatlichen 18,36 Euro in den Rachen wirft, weil diese sich mit ziemlich viel Nichtstun eine wohlig warme Altersversorgung gesichert haben, welche für die Programmgestaltung immer weniger finanziellen Spielraum lässt, dürften wir wohl ein einigermaßen eindeutiges Ergebnis zutage fördern. Gleiches gilt bei der Beurteilung durch den Laien, wie objektiv die beiden großen Medienanstalten und ihre Mitarbeiter samt Chefredakteure und Intendanten wahrgenommen werden. Denn es ist mitnichten so, dass wir sachliche, ergebnisoffene und austarierte Fakten erwarten können. Stattdessen quält man uns über weite Strecken mit einer propagandistisch und demagogisch anmutenden Darbietung einseitiger und tendenziöser Kommentierung, ohne dass diese den Richtlinien der publizistischen Kultur und Mentalität entsprechend sorgfältig als jene gekennzeichnet und vom Rest der Nachrichtenmoderation abgegrenzt wäre.
Auch mir ist es vollkommen egal, ob sich die Locken im Haar von Caren Miosga mit jenen des Louis Klamroth gleichen. Aber es spielt für mich eine wesentliche Rolle, ob die zu Konzernen mutierenden Dienstleistungsbetriebe den verfassungsrechtlichen Geboten gerecht werden, die sie überhaupt erst in die Position und Erlaubnis versetzen, von der Allgemeinheit eine pauschale Abgabe für ihre Leistung einzufordern. Denn es ist mitnichten so, dass die Wertung und Einordnung politischer und gesellschaftlicher Zusammenhänge erst im Kopf und Bewusstsein des Zuschauers stattfindet, wie Sie es fälschlicherweise in Naivität behaupten. Stattdessen sitzen wir vor dem Flimmerkasten, damit man uns das Weltgeschehen vorgekaut anreichen darf. Im schlechtesten Fall nimmt man uns sogar an die Hand, um im betreuten Denken gemeinsam zu jenem Schluss zu gelangen, den der zufällig vorbeikommende Passant in der Fußgängerzone ins Mikrofon trötet – oder als völlig wahllos ins Studiopublikum eingeladener Durchschnittsdeutscher per Buhruf und Applaus gen Kamera richtet.
Sie malen eine heile Welt, die so schön, aber gleichzeitig so realitätsfern ist. Wer mit ein wenig Verstand und einem berufsethischen Pathos den Geist eines authentischen Journalismus lebt, muss angesichts Ihres Euphemismus schon arge Bauchkrämpfe bekommen. Es vergeht kaum eine Minute, in der uns nicht Dunja Hayali, Georg Restle, Jan Böhmermann, Anja Reschke, Mitri Sirin oder Sandra Maischberger beweisen, dass manch eine Direktleitung in das Abgeordnetenbüro von grünen Einflüsterern in ständige Alarmbereitschaft versetzt ist, sollte es irgendeine Marionette wagen, ein unvoreingenommenes Resultat über das Regierungstreiben und Behördenversagen in dieser Republik zum Besten zu geben. Was erkennt man auch ohne geschultes Auge nicht alles an Werkzeugen und Instrumenten, mithilfe derer wir manipuliert, desorientiert und infiltriert werden. Da lügt man uns an, sieht sich an die Regel von Vollständigkeit und Wahrhaftigkeit nicht gebunden. Und all das empfinden Sie als souverän, hehr und anständig? Seien Sie mir nicht böse, aber bitte justieren Sie Ihren Kompass neu!