Kommentar von Dennis Riehle
Als ehemalige Linken-Ikone wird Sahra Wagenknecht noch immer ein großes Charisma zugeschrieben, mit dem sie in der Öffentlichkeit auftritt – und nicht nur Menschen von sich und ihren Positionen überzeugen kann, sondern in einer Epoche von allzu viel Stotterei in der Politik eine eloquente Rhetorik mitbringt, die bei allen inhaltlichen Divergenzen durchaus Respekt abverlangt. Dass sich die Vorsitzende ihrer eigenen Partei allerdings immer öfter als diejenige offenbart, welche ihr BSW offenbar aus der vorwiegenden Motivation heraus gegründet hat, die AfD in den Umfragen zu schmälern, lässt programmatisch nicht allzu viel Gutes erhoffen. Es ist überaus lobenswert, dass sie sich auch gegen die Grünen mit Vehemenz abgrenzt – weil sie zu der nüchternen Erkenntnis gelangt, dass diese als größter ideologischer Gegner aufzufassen sind. Abseits davon fehlt es an einer sachlichen Schnittmenge mit den Ökologisten, über die man eine Zusammenarbeit oder Kooperation begründen könnte. Gleichsam ist der Ekelfaktor gegenüber der Alternative für Deutschland wiederum ein Zeichen, dass sich auch dieser frische Wettbewerber auf dem Tableau als ein Teil des Establishments versteht. Denn das Aufrechterhalten einer Brandmauer allein aus weltanschaulichen Prinzipien ohne weitere plausible Erklärung und thematische Auseinandersetzung mit den Forderungen und Überzeugungen dieser tatsächlich kritischen Opposition stellt sich als ein typisches Manöver einer in autokratische und totalitäre Tendenzen abdriftenden Republik dar. Würde sich das Bündnis mit den Standpunkten der Blauen befassen, könnte man im Zweifel gemeinsame Interessen und Ansinnen ausmachen, die die wertkonservative Außendarstellung dieses ins Leben gerufenen Widersachers auch bis in die Tiefe der Seele untermauern würde. Doch man hat sich wiederum zur Distanzeritis entschieden, weil man keinesfalls in eine Atmosphäre der Anrüchigkeit und Verwerflichkeit gestellt werden möchte – falls sich bei Bedarf auch ein Gemeinmachen mit jenen anbieten würde, die Patriotismus nicht nur als eine Teilzeitdisziplin begreifen.
Hier scheint der Hase im Pfeffer zu liegen: Geht es dem BSW darum, für die Bürger und ihre Repräsentanten eine radikale Trendwende herbeiführen zu wollen? Hat man tatsächlich ein Bedürfnis nach Bewahrung der kulturellen Identität? Oder ist man im Kern doch noch dunkelrot – und dem Kommunismus weitaus näher als jeglichem Bekenntnis zu Schwarz-Rot-Gold? Dass sich Kontaktscham und Berührungsängste bei einer an sich stets souverän, mündig und vernünftig auftretenden Persönlichkeit wie Wagenknecht noch immer aus Generalität heraus manifestieren können, lässt ihre immanente Verwurzelung in den Reihen der Alteingesessenen erahnen. Insbesondere ihre jüngsten Äußerungen in einem Interview mit der Zeitung „der Freitag“, an dem auch die Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt beteiligt war – welche sich zuletzt mit einer eindeutig germanophoben Ausrichtung über eine „weiße“ Nationalmannschaft lustig gemacht und ihre Verachtung, Hohn und Spott mit Blick auf das hiesige Volk zum Ausdruck gebracht hat -, lassen ein entlarvendes und demaskierendes Licht auf einen Charakter werfen, der sich bisweilen nicht selten als eine One-Woman-Show präsentiert – und interne Entscheidungen an sich reißt, ohne allzu viel Diskussion mit der Basis zuzulassen. Wer seinen Auftrag vor allem darin sieht, einen vom Konsortium diffamierten, denunzierten und ausgegrenzten Konkurrenten in Einebnung und mit möglichst lauter Propaganda von der Erreichung absoluter Mehrheitsverhältnisse abzuhalten, dem geht es in Wahrheit nicht um die Umsetzung von eigenen Konzepten oder Entwürfen für die Zukunft. Stattdessen kommt man als Trojanisches Pferd daher, welches Brücken in sämtliche Richtungen schlägt – und damit zu einem ebenbürtigen Mitglied unter den Sesselklebern wird, die einzig und allein nach Macht streben.
Ob es am Ende zu einer Verbrüderung mit der CDU, der SPD oder den Linken kommt: Ein weiterer Kandidat in der Allianz der Kontinuität hat uns wahrlich noch gefehlt. Von den Anhängern des „Weiter so“ gibt es Unmengen an entsprechenden Vertretern, die ihr Profil bereits bis zur Unkenntlichkeit verwässert haben – um sich im Applaus der progressiven und vielfältigen Szene zu sonnen. Es ist darüber hinaus einigermaßen bezeichnend und ernüchternd, dass gerade auch im Osten viele Menschen noch immer auf das BSW hereinfallen, das bei einer distanzierten Betrachtung noch immer nicht von realsozialistischen Ideen losgelassen hat. So kommt es plangesellschaftlicher Zuständen wie in der DDR gleich, wenn man mit den wohlklingenden Worten der „Demokratisierung von Betrieben“ nichts Anderes in sich hegt als die Steuerung der Produktion von Industriezweigen, deren Wertschöpfung und Vermögen in der logischen Folge der Allgemeinheit zukommen sollen. Damit entfernt man sich von sämtlichen Merkmalen der Marktwirtschaft – und bejubelt Enteignung und Verstaatlichung. Die Verblendung der Untertanen durch ein vehementes Einstehen für Pazifismus, Demilitarisierung und Gesprächsbereitschaft – insbesondere zwischen der Ukraine und Russland – sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Funktionsträger des Bündnisses noch immer mit einer stringenten und konsequenten Migrationspolitik hadern. So ist es beispielsweise die Co-Vize Amira Mohamed Ali, welche noch vor ein paar Jahren jede Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern in Frage stellte. Heute gibt sie sich zwar geläutert – aber ein tatsächliches Votieren für die Rückkehr in Regelhaftigkeit und Ordnung sucht man dort vergebens. Und auch die fragwürdige Tatsache, dass die Gruppe des BSW im Bundestag wiederkehrend wichtige Abstimmungen schwänzt und beim Antrag auf eine stärkere Bekämpfung des politischen Islam kurzerhand einknickt, ist kein tragfähiges Fundament. Es fehlt an einer einheitlichen Linie, an der man die Verantwortlichen messen könnte. Ihr Potenzial als Umfaller haben die im System noch nach Orientierung Ausschau haltenden Getreuen um Wagenknecht bereits unter Beweis gestellt. Ein zusammengewürfeltes Sammelsurium aus Enttäuschten, die sich im Minimalkonsens treffen, die Ampel ablösen zu wollen, scheint eine dürftige Option in Zeiten, die unmissverständliche Antworten benötigen.