Kommentar von Dennis Riehle
„Edel sei der Mensch, hilfreich und gut“, so heißt es in der Hymne „Das Göttliche“ von Goethe aus 1783. Doch einer der bedeutendsten Deutschen hat mit seinem Werk sicherlich nicht das gemeint, was sich die selbsternannten Wachsamen und Korrekten in diesen Tagen unter Weltoffenheit vorstellen. Kaum eine andere Nation auf diesem Planeten ist derart solidarisch mit Menschen in Not wie die Bundesrepublik. Ja, es ist vollkommen richtig, dass wir uns für diejenigen offenherzig zeigen, die aus Gründen der Verfolgung bei uns um Schutz bitten. Edel und hilfreich sind wir, wenn wir nach den Grundsätzen der Fairness und Gerechtigkeit handeln. Das bedeutet eben auch, dass wir ein Vorrangigkeitsgebot leben und praktizieren sollen, welches jene zunächst in den Fokus nimmt, die in unserem nächsten Umfeld in Bedrängnis geraten, die ausgegrenzt oder an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Seit dem von Merkel propagierten Tabubruch des „Wir schaffen das!“ haben wir uns allerdings zu dem attraktivsten Zufluchtsort für alle Menschen in sozialen und wirtschaftlichen Nöten auf diesem Globus entwickelt, der in seiner völligen Selbstaufgabe nicht mehr nur kaum in der Lage scheint, die geltende Verfassung und existenten Gesetze einzuhalten. Sondern der es bewusst in Kauf nimmt, eine Spaltung, Desorientierung und Entfremdung unseres Zusammenhalts zu riskieren.
Wir haben uns auch mit Blick auf unsere Kultur, unsere Werte und Traditionen auf einen Weg der Erpressbarkeit gemacht. Denn es sind nicht zuletzt die Medien und eine hypersensible Bevölkerungskohorte, welche sich wiederkehrend des Totschlagarguments der Diskriminierung bedienen, wenn das Bemühen zu scheitern droht, die Toleranz ad absurdum zu führen. Und nicht nur mit Blick auf die Migration hat sich der Wokismus zu einem Leitbild entwickelt. Wiederkehrend lassen wir auch moralische und ethische Dammbrüche zu – nicht selten unter dem Verweis auf das Recht auf Eigenbestimmung. Doch wohin soll eine Sozietät am Ende driften, wenn wir sämtliche Konventionen und Regeln aufgeben – um einer endlosen Sinnsuche einer Minderheit gerecht zu werden, die sich nicht mehr im System der Binarität verortet, sondern ihre Geschlecht schneller wechselt als die Jogginghose? Identität, Bekenntnis und Verwurzelung sind nicht nur mit Blick auf die örtliche und regionale Heimat ein wichtiger Faktor für Kongruenz und Seelenfrieden. Sie ist auch ungemein heilsam und beruhigend, endlich in einem Hafen angekommen zu sein, in dem man mit sich im Reinen ist.
Das ständige Ablegen vom bisherigen Genus und Sexus ist nicht nur ein Vergehen gegen die Natürlichkeit und Schöpfung. Sondern sie ist auch ein völlig untypisches menschliches Verhalten. Denn im Gegensatz zu einem Chamäleon sind wir bereits evolutionär auf Bewährtheit, Gewohnheit und Kontinuität ausgerichtet. Und das auch aus einem guten Grund. Denn ein Miteinander kann nur dann funktionieren, wenn man sich auf einen Ordnungsrahmen einigt, der Verlässlichkeit für jeden bietet. Sich ständig wie ein Aal aus der Verantwortung entreißen zu wollen und sich vor einer Annäherung einer individuellen Deckungsgleichheit zwischen Objektivität und Subjektivität zu drücken, hat nicht nur etwas mit Unstetigkeit zu tun, sondern kann als Rastlosigkeit und Flatterhaftigkeit den Kitt der Gesamtheit in verantwortungsloser, egoistischer und devianter Weise aufs Spiel setzen. Derartige Eskapaden sind einer zivilisierten und sittlichen Gemeinschaft unzumutbar, weshalb sie sich nicht auf die Nötigung des Anarchismus einlassen sollte, ihre bourgeoise Erwartungshaltung der launischen Konsternation zu opfern.