Kommentar von Dennis Riehle
Wie gerecht ist ein Rechtsstaat, in dem man nicht das Recht erhält, Richtersprüche durch die oberste Rechtsprechung abschließend beurteilen zu lassen? Dass das Oberverwaltungsgericht in Münster nach seiner Entscheidung über die Angemessenheit, die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall einstufen zu dürfen, keine Revision gewährt, ist ein weiterer Schlag ins Gesicht des Gerechtigkeitsempfindens der mehrheitlichen Bevölkerung, die in Wahrnehmung der aktuell immer offenkundiger als absolutistisch anmutenden Zustände den wachsenden Eindruck erhält, einer Gesinnungsjustiz näher zu sein als der blinden Justitia. Denn diese sollte eben auch dann ohne Ansehen der Partei und Person nach möglichst objektiven Gesichtspunkten zu ihrem Votum gelangen, wenn möglicherweise ein ihren Auffassungen ideologisch diametral entgegenstehender Widersacher als Kläger auftritt. Dass der Behörde Haldenwangs in diesem Land mittlerweile weitgehend freie Hand gelassen wird, das musste ich selbst am eigenen Leib erfahren. Der bayerische Ableger hatte mich mit meinem bescheidenen Blog in eine Liste von Medien aufgenommen, die aus Sicht der Münchner Spionageabwehr Texte und Artikel verbreiten, die dem russischen Narrativ entsprechen könnten.
Wenngleich man mich und die Kollegen rehabilitieren musste, weil es keine konkreten Anschuldigungen gegen uns gab, sondern man lediglich zu der Feststellung gelangte, dass der Unbekannte des Moskauer Dunstkreises Beiträge und Wortfetzen aus unserer Feder nutzt, um sie in seinem Kontext und Sinne zu streuen, bekam ich kurzerhand zu spüren, wie zügellos Horch und Guck in unseren Breiten mittlerweile diffamieren und denunzieren darf. Und so sind auch die Brandmarkungen hinsichtlich der Alternative für Deutschland zumindest nicht derart stichhaltig genug, um den stringenten und konsistenten Beweis zu erbringen, dass der politische Wettbewerber wenigstens durch eine zur Verallgemeinerung taugliche Überzahl an Mitgliedern, Sympathisanten und Funktionären und Mandatsträgern programmatische Standpunkte und inhaltliche Forderungen in die Welt setzt, die mit unserer Grundordnung nicht in Einklang zu bringen sind. Weder das Ansinnen nach Rückführung von hunderttausenden Asylbewerbern, die allein im Geiste eines besseren Lebens und damit ohne Bleibeperspektive oder anerkannte Fluchtursache auf unser Territorium vorgestoßen sind, noch das Bestreben einer Weiterentwicklung des repräsentativen Systems zu plebiszitären Verhältnissen, in denen der Souverän mehr Mitsprache erhält als aktuell alle vier Jahre an der Stimmurne, sind für die Unterstellung einer Verfassungsfeindlichkeit tauglich. Ganz im Gegenteil.
Der Terminus der Remigration ist seit den 1980er-Jahren in unseren Behörden eine gängige Bezeichnung für die legitime, notwendige und gar verpflichtende Abschiebung von Personen, die nach Art. 16a GG in ihren Heimatregionen keiner Verfolgung ausgesetzt sind – und damit auch gemäß des Aufenthaltsgesetzes ausreisepflichtig wären. Es fehlt bislang an jeglichem Beleg für eine strukturelle Xenophobie unter den Anhängern und Amtsinhabern in der einzig verbliebenen kritischen Opposition, welcher erforderlich wäre, um einen Verstoß gegen liberale Prinzipien und Werte attestieren zu können. Mittlerweile kenne ich viele Unterstützer der Blauen, von denen aber kein einziger eine Aversion gegen das Fremde allein aus Gründen der Wurzeln und Ursprünge hegt. Dass man sich angesichts der Flut an immer neuen illegalen Einwanderern mittlerweile nachvollziehbar um die Sicherheit sorgt, weil nun einmal die Kriminalitätsrate gerade innerhalb einer ziemlich unmissverständlich umgrenzbaren Gruppe an Personen aus einer bestimmten Herkunftsregion exorbitant ansteigt, hat nichts mit einer pauschalen Antipathie gegenüber fernen Ethnien zu tun. Und auch gehört es zur unbehelligten und unanrüchigen Meinungsäußerung, sich klar zum Ausspruch zu bekennen: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“.
Wir finden in unserem Grundgesetz keinen Auftrag zur Verwirklichung des Multikulturalismus. Stattdessen wird gleich an sieben Stellen vom Volk gesprochen, dessen Einheit und Zugehörigkeit wir wahren sollen. Sind also nicht diejenigen die tatsächlich Radikalen und Extremen, die aus der Tugend der Würde und Gleichheit des Menschen eine ad absurdum geführte Nächstenliebe ableiten, die in ihrer Uferlosigkeit Identität, Struktur und Zusammenhalt einer ganzen Nation in Frage stellt? Nach dem Motto: „Hilfe, wir stigmatisieren die Falschen!“ werden Ansichten als verwerflich bewertet, die auf dem Boden von Art. 5 GG stehen. Dass es auch in der AfD den ein oder anderen Vertreter gibt, der mit seinen Zitaten und Einlassungen über den Rand des Erträglichen hinaus abrutscht, ist kein hinreichender Verdachtsmoment, um zu einer generalisierten Abstempelung von Millionen Wählern übergehen zu können. Wer es ehrlich und anständig mit seinem Postulat nach Verteidigung von Demokratie und Ordnung meint, der sollte gerade jenem die Chance auf abschließende Klärung der Zulässigkeit eines geheimdienstlichen Etiketts einräumen, dem der politische Totalitarismus des 21. Jahrhunderts ohnehin schon sämtliche Knüppel zwischen die Beine wirft.