Kommentar von Dennis Riehle
Was machen Grüne in ihrer Freizeit? In diesen Tagen könnte man auf die Idee kommen, dass sie ein neues Hobby gefunden haben. Denn mit welcher Schlagzahl die selbsternannten Rächer der Demokratie mittlerweile unsere Strafverfolgungsbehörden in Anspruch nehmen, um auch offensichtlich unbegründete Vorwürfe gegen alles und jeden zu überprüfen, ist nicht nur beeindruckend. Stattdessen kommt es einer großen Beliebigkeit und eigentlich einem zu ahndenden Missbrauch der Exekutive nahe, in einem ausgeprägten Denunziantentum Sachverhalte zur Anzeige zu bringen, die bei einer näheren und nüchternen Betrachtung von Anbeginn auf tönernen Füßen stehen. So geschehen nun auch bei der AfD-Wahlparty in Brandenburg. Während im Saal der zweite Platz beim Urnengang gefeiert wurde, stimmten junge Menschen vor der Tür in die Melodie eines bekannten Liedes ein, um sie mit dem neuen Text zu versehen: „Hey, was geht ab, wir schieben sie alle ab“. Flankiert wurde dieser eher als Gegröle wahrzunehmende Sprechgesang von einem Plakat, auf dem die Forderung zu lesen war: „Millionenfach abschieben“. Umgehend fühlte sich auf der Internetplattform X ein ehemaliger, der ökologischen Partei aber bis heute offenkundig anhängender Abgeordneter genötigt, den Vorgang bei den Behörden zur Kenntnis zu bringen.
Denn er wollte in diesem Szenario eine Volksverhetzung erkannt haben, weil einer unbestimmten Zahl von Personen aus unserer Bevölkerung willkürlich eine Rückführung in die Heimatländer angedroht wurde. Dies entspreche einem Aufruf zu Hass und Gewalt, so argumentierte der offenbar wieder einmal nach Rampenlicht suchende Politiker, der nicht zum ersten Mal bei Staatsanwaltschaften und Polizei vorstellig scheint (2016 gegen „Pegida“, 2020 gegen „Unbekannt“ wegen Nötigung und gegen Attila Hildmann, 2022 gegen Schwesigs Klimastiftung, 2023 gegen das „Russische Haus“ in Berlin und gegen „israelfeindliche Plakate“, 2024 wegen „antisemitischem Torjubel“). Nachdem der heutzutage inflationär gebrauchte Anwurf aus dem ziemlich verwässerten und in der Definition immer weiter gefassten § 130 StGB eigentlich auf jede Form von politischem Protest oder Gegenrede angewendet werden kann, kommt das aktuelle Gebaren einer Manier der Gängelung von Meinungsfreiheit und unbehelligter Rede in den Verhältnissen aus früheren Totalitarismen doch ziemlich nahe. Denn wenn man eine nüchterne Betrachtung vornimmt, so ist das Konzept der Remigration nicht etwa eine Erfindung der Alternative für Deutschland. Der Terminus wird mittlerweile seit mehreren Jahrzehnten in unseren Verwaltungen ganz selbstverständlich gebraucht.
Er umschreibt das, was auch in § 58 AufenthG festgeschrieben ist. Demnach gehört es zur Rechtsstaatlichkeit, jene Personen aus der Bundesrepublik auszuweisen, die keine Berechtigung zur Anwesenheit mehr besitzen. Und hierbei geht es vor allem um sogenannte Schutzsuchende, die die Bedingungen und Voraussetzungen aus Art. 16a GG beziehungsweise den internationalen Konventionen nicht erfüllen, wonach eine konkrete und individuelle Verfolgung in den Herkunftsgefilden nachgewiesen werden muss, um hierzulande in den Genuss von Obdach und Versorgung zu kommen. Und dass es sich bei der angegriffenen Dimension nicht etwa um eine fiktive Erfindung der nachkommenden Generation handelt, die sich zunehmend gegen eine ungezügelte und häufig illegale Einwanderung stemmt, das machen die Zahlen mit Stand vom 31.12.2023 sichtbar. So waren insgesamt rund fünf Millionen Ausländer bei uns erfasst, die lediglich eine temporäre Aufenthaltsberechtigung besitzen, ausschließlich geduldet oder gestattet sind oder gar keinen entsprechenden Titel vorweisen können. Insofern ist das aufgestellte Postulat nicht übertrieben, sondern entspricht der Wahrheit – womit sich schon eine wesentliche Voraussetzung für eine rechtswidrige Äußerung in Luft aufgelöst hat.
Steigt man noch etwas tiefer in die Materie ein, so erinnere ich mich gut an ein Gespräch mit einem Integrationsbeauftragten aus der Peripherie, als ich vor vielen Monaten im Rahmen einer Recherche erkunden wollte, wie es denn nun um die Bleibeperspektive der Flüchtlinge bei uns bestellt ist. Und da sind es vor allem Gemeinden, in deren Aufnahmestellen oder späteren dezentralen Unterbringung die Überzahl der ankommenden Personen aus der gleichen Ursprungsregion entstammen, die schlichtweg unter der Belastung ächzen. So kann die Quote derjenigen, die keine Aussicht auf einen dauerhaften Verbleib haben oder bei einer näheren Überprüfung der zuständigen Ämter höchstwahrscheinlich abgelehnt würden, beispielsweise dort durchaus zwei Drittel betragen, wo es sich nahezu vollständig um türkische Staatsangehörige handelt. Denn in etwa 66 Prozent der Fälle erfahren sie einen negativen Bescheid (vgl. hierzu: „Erdogan nimmt Türken nicht zurück“, BILD-Zeitung vom 05.05.2024). Noch dramatischer sieht es in Kommunen und Regionen aus, die ausschließlich Migranten aus sicheren Herkunftsländern im Maghreb oder auf dem Balkan beherbergen. Hier sind es teilweise 99 Prozent, die ungerechtfertigt bei uns leben.
Das hatte selbst die SPD-Fraktion schon im Jahre 2015 unter der Überschrift „Länder und Kommunen bekommen umfassende Hilfe vom Bund“ in einer Pressemitteilung vom 24. Oktober festgestellt. Blickt man darüber hinaus auf die Ortschaften landauf und landab, die ohne Ausnahme allein ukrainische Geflohene aufgenommen haben, so ist auch deren Schutzstatus weiterhin temporär begrenzt. Und sollte es sich bei der Formulierung „alle“, die die krakeelenden Anhänger der Blauen am zurückliegenden Wahlsonntag auf ihr Transparent geschrieben haben, um genau diesen Kreis von auf lange Sicht nicht bei uns verbleiben könnenden und dürfenden Gästen handeln, dann findet sich auch hieran nichts Verwerfliches. Denn es entspricht den Urteilen der obersten Gerichte, dass man gerade bei ehrverletzenden und diskriminierenden Delikten stets von der positivsten Deutung ausgehen muss, die eine nicht klar zu umreißende oder schwammige Aussage über eine Teilgesamtheit enthält. Unserer Jugend geht also nicht um die mittlerweile ohnehin als Falschbehauptung deklarierte Auffassung, irgendjemand wolle auch hiesige Bundesbürger millionenfach „deportieren“. Sondern sie verfolgen ausschließlich die Wiedereinhaltung von bestehenden Paragrafen und Gesetzen. Und das ist nicht anrüchig, sondern kurzerhand verfassungstreu.