Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Josef Schuster: Zentralrat der Juden kritisiert AfD-Politiker für NS-Relativierung“ (aus: ZEIT Online vom 21.11.2025)
Wenn man sich einmal die Menschheitsgeschichte vor Augen führt, dann reicht diese ungefähr 300.000 Jahre zurück. Über weite Strecken dieses Zeitraums wissen wir nicht, was sich die Zivilisation untereinander angetan hat. Im 13. Jahrhundert gab es mongolische Eroberungen mit 30 bis 60 Millionen Betroffenen, darunter mindestens eine Million an Toten allein in Bagdad. Während Kolonialismus und Sklavenhandel starben etwa 90 Prozent der indigenen Bevölkerung Amerikas. Anschließend Vertreibungen in Großbritannien, später dann Holodomor in der Ukraine, Völkermord an Armeniern, Assyrern und Griechen. Maoismus und Stalinismus rotteten 80 beziehungsweise 15 Millionen aus. Und natürlich ist der Holocaust in Sachen Brutalität ein singuläres Ereignis, das seinesgleichen sucht. Die Maschinerie des Vernichtens wird niemand in Zweifel ziehen, der sich mit Zeitzeugen unterhalten hat. In der jüngeren Geschichte und in all den Epochen, die uns zugänglich sind, stellt die Schoa einen bestialischen und sich hoffentlich nie wiederholenden Akt der Inhumanität, Grausamkeit und Perversion jeglicher Ethik dar.
Ulrich Siegmund hat nicht relativiert, sondern sich geweigert, Menschenleben abzustufen…
Und daran rüttelt auch nicht, dass man sich – wie Ulrich Siegmund – der Anmaßung verweigert, irgendeine Rangfolge aufstellen zu wollen, was das Schlimmste war, wovon uns die ellenlange Historie unserer Spezies berichtet. Denn genau dann, wenn wir beginnen, Leidtragende in ein Verhältnis zu stellen, schmälern wir die Würde des Menschen. Und ab diesem Moment beginnt das Relativieren. Denn stufen wir nach Form und Umstand ab, wie getötet wurde, gibt es plötzlich Opfer erster und zweiter Klasse. Deshalb ist die nun entflammte Empörung einigermaßen müßig, der sachsen-anhaltinische Spitzenkandidat erlebt vielleicht gerade seinen Krah-Moment. Als letztgenannter im Wahlkampf zur Abstimmung über das Europäische Parlament in die Schlagzeilen geriet, weil er sich gegen eine prinzipielle Schuld jedes einzelnen SS-Angehörigen aussprach, wurde ein ebenso großer Skandal in den etablierten Medien inszeniert, wie es nunmehr beim AfD-Politiker aus dem Magdeburger Parlament der Fall ist. Im Podcast des Magazins „Politico“ hatte man ihn offenbar ganz bewusst mit Suggestivfragen aufs Glatteis führen wollen.
Suggestivfragen und das Heraufbeschwören von Skandalen gehören nicht zum Journalismus…
Moderator Gordon Repinski rühmte sich damit, zu einem Spaziergang eingeladen zu haben. In den sozialen Medien präsentiert er demonstrativ die entscheidenden Sequenzen, ohne dabei einzugestehen, dass Sinn und Zweck möglicherweise auch ein Vorführen des 35-jährigen Co-Fraktionschefs gewesen sein könnten. Denn der Genuss des Journalistenkollegen, mit seinem zeitgleich erschienenen Artikel auf WELT eine Affäre zu Tage befördert zu haben, lässt sich kaum übersehen. Seine Karriere begann bei „taz“, was auf seine durchaus linke Gesinnung hindeutet, auch wenn er streng bemüht ist, die politische Haltung stets zu verbergen. Er betont Unabhängigkeit, ist allerdings bei „Axel Springer“ fest verankert. Als einstiger Entwicklungshelfer sollte man ihn keinesfalls als Quereinsteiger betrachten, sondern er bringt reichlich Erfahrung und Preise mit. Gleichzeitig ist seine Stoßrichtung kaum übersehbar. Er lobt Kaja Kallas als „europäische Anführerin“, „unerbittlich gegenüber Russland“. Sein Diskreditieren der Kollegen von NiUS mit deren „Frühstücksfernsehen“ spricht Bände über das Selbstbild.
Der „Politico“-Reporter mit eindeutigem Hang gegen „AfD“ und politisch „Braune“…
Sein prinzipieller Argwohn gegenüber rechts ist deutlich: „Wie die AfD ein Netzwerk in die Trump-Regierung spinnt, um mit seiner Hilfe die eigenen politischen Ziele in Deutschland durchzusetzen“, schrieb er beispielsweise in einem Post auf X am 5. November 2025, die er an anderer Stelle als „radikalere Partei“ denn die FPÖ in Österreich bezeichnet. „Die AfD ist eine Gefahr für unsere Demokratie, die Grünen sind es nicht. Die Union ist es nicht. Die SPD ist es nicht. Die FDP ist es nicht. Das ist ganz leicht zu verstehen und es muss jetzt unseren politischen Diskurs der Mitte leiten“ war seine Ansicht im September 2024. Im selben Zeitraum entstand der Post: „17 Prozent wählen eine Partei, deren Frontmänner im Namen des Patriotismus an China und Russland vertickt haben und mit denen selbst die eigene Parteispitze sich nicht mehr blicken lassen wollte. Das ist heftig“. Und nicht zuletzt mit Blick auf Italien: „Diplomatie schön und gut, aber zum Kanzler sein gehört auch, braunes als braun zu bezeichnen“. „Correctiv“ könnte sich keinen besseren Mitarbeiter wünschen, obwohl er dorthin nur lose Kontakte hegt.







