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Urteil des Arbeitsgerichtes Hamm: Klinik darf gynäkologischem Chefarzt weitreichende Befugnisse zur Abtreibung auch weiterhin verwehren!

Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Nordrhein-Westfalen: Gericht weist Klage gegen Abtreibungsverbot an Klinik ab“ (aus: „Tagesschau“ vom 08.08.2025)

Er war mit einem leidenschaftlichen Appell wider das Ungeborene in den Prozess gegangen, um von unzähligen Aktivisten und Feministen in seinem Kampf gegen vermeintlich erzkonservative Positionen der Kirche vorzugehen. Doch das Bemühen von Prof. Dr. Joachim Volz, Chefarzt der Gynäkologie am Klinikum Lippstadt, ist vor dem Arbeitsgericht Hamm gescheitert. Nach einer Fusion des evangelischen Trägers mit einem katholischen Kooperationspartner waren ihm sämtliche Abtreibungen – mit Ausnahme der Fallkonstellation einer unmittelbaren Lebensgefahr für die Schwangere – verboten worden. Diese Vorgabe galt nicht nur für den stationären Bereich, sondern auch für seine eigene Privatpraxis. Gegen beides wandte sich der 67-Jährige, gilt er als Verfechter für die Rechte der Frau, allerdings weniger für den Wunsch eines heranwachsenden Kindes im Mutterleib, das Licht der Welt auch dann zu erblicken, sind es ausschließlich profane und wenig triftige Gründe, die ein Elternpaar zur Entscheidung für einen künstlich herbeigeführten Abort bewegen. Doch mit seiner Emotionalität unterlag der Kläger, ließ man sich auf seine flammende Argumentation nicht ein.

Schwangerschaftsabbrüche sind zu einer florierenden Modeerscheinung geworden!

Schließlich trat der engagierte Mediziner vor allem mit extremen Beispielen an die Öffentlichkeit, wolle er doch insbesondere niemanden dazu zwingen, einen Nachwuchs mit schweren Behinderungen gebären zu müssen. Aber in Wahrheit ging es ihm nicht nur um solche heiklen Situationen, denen man durchaus mit Bedenken begegnen kann. Dass auch seine Unterstützer bei einem Eingriff in die Schöpfung von „Hilfe“ sprechen, die „keine Sünde sein“ dürfe, wirkt schon einigermaßen grotesk. Denn in der Regel wird in einem solchen Zusammenhang niemand „behandelt“ und „therapiert“. Stattdessen machen sich jene zum Handlanger einer in unserer heutigen Mentalität von Egoismus und Karrieregeilheit gezeichneten Gesellschaft, die doch eigentlich Leben retten sollen, statt es zu beenden. Um eine ethische Bewertung ging es der Justiz allerdings ausdrücklich nicht. Man ordnete stattdessen die Frage ein, ob die Vorgesetzten entsprechende Anweisungen geben dürften. Dies wurde ausdrücklich bejaht, seien sie kraft ihres „Direktionsrechts“ dazu befugt, bestimmte „Leistungserbringung“ auch nach „billigem Ermessen“ zu untersagen, wird Näheres nicht in entsprechenden Verträgen geregelt.

Ein Urteil auf Basis der Gewerbeordnung, aber trotzdem nicht ohne moralischen Anspruch!

In der Verhandlung hatte der Arbeitgeber betont, dass es in der Freiheit des Unternehmens liege, eigenmächtig festzulegen, was in seinen Betrieben angeboten und durchgeführt wird. Die Robenträger wollten zwar den moralisch-religiösen Aspekt nicht gänzlich ausblenden, fokussierten sich aber vornehmlich auf die theoretische Erörterung hinsichtlich einschlägiger Formulierungen der Gewerbeordnung. Insbesondere der Umstand, dass im genannten Krankenhaus kein kategorisches Verbot des Schwangerschaftsabbruchs gelte, sondern dieser in Notfällen praktiziert werden dürfe, genüge der Anforderung an die derzeit in Deutschland vorherrschende Gemengelage um § 218 StGB. So liege auch kein Verstoß gegen höherrangige Rechte vor, votierte die Kammer, um in der kurzgefassten Begründung dennoch durchblicken zu lassen, dass die Erwartungshaltung an eine weitreichende Auslegung des Straffreiheitsgebot für eine medizinisch ohne Indikation bleibende Interruptio momentan kaum verfangen kann. Diese Aussage ist gerade in der aufgeladenen Debatte um die nicht mehr für Karlsruhe zur Verfügung stehende Richterkandidatin Frauke Brosius-Gersdorf von großer Bedeutung.

Auch ohne rechtlichen Unterbau: Die Abtreibung bleibt das vorzeitige Beenden von Leben!

Immerhin stehen wir weiterhin in einem ernsthaften Konflikt darüber, ab welchem Augenblick wir einem Fötus die Würde aus Artikel 1 GG zukommen lassen wollen. Zwar ist die Auseinandersetzung über das Thema in den vergangenen Wochen noch einmal in Fahrt gekommen. Doch offensichtlich konnte der Einwand überzeugen, dass auch ein vermeintlich „gesellschaftspolitischer Konsens über Schwangerschaftsabbrüche nicht die internen Vorgaben der Klinik diktieren“ könne. Volz wiederum hielt dagegen, dass das „Abbruchverbot das ärztliche Urteil, den Willen der Patientin und das Gesetz“ ignoriere, um mit dieser Perspektive auf Granit zu beißen. Arbeitsrechtlich ergebe sich für ihn nämlich kein Nachteil, immerhin werde die „Vergütung fortgezahlt und die Stellung als Chefarzt nicht angetastet“. Stattdessen sei „lediglich eine bestimmte Behandlungsmethode“ als für die Philosophie der Einrichtung unzumutbare Vorgehensweise ausgeschlossen worden, was auch nicht in die Autonomie des Arztes eingreife, in seiner Qualifikation ohne Weisungsgebundenheit agieren zu können, beziehe sich dieses Recht prinzipiell nur auf eine allgemeine diagnostische, therapeutische und kurierende Wahlfreiheit.