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Im Krieg gibt es keine Wahrheiten: Wie der Tod von Gaza-Reporter Anas al-Sharif das Dilemma um Unabhängigkeit zu Krisenzeiten offenbart!

Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Reporter für Al Jazeera: Israel tötet palästinensischen Journalisten“ (aus: DER SPIEGEL vom 11.08.2025)

Nicht nur in Deutschland ist die Diskussion über den Gaza-Krieg aktuell in vollem Gange, wünscht die Emotionalität außenstehende Beobachter wie Politiker gleichermaßen auf. Die Welt empört sich jüngst über einen Angriff der israelischen Armee auf mehrere Medienvertreter in einem Pressezelt vor dem Al-Shifa-Krankenhaus der Hauptstadt am 10. August 2025. Hierbei hatte Jerusalem unter anderem den bekannten Reporter Anas Al-Sharif getötet, dem sie schon seit längerem vorwarf, Anführer einer radikalen Zelle der Hamas gewesen zu sein. Er wurde mit insgesamt vier Kollegen und zwei weiteren Personen beim Bombenangriff gezielt ins Visier genommen. Kurz darauf rechtfertigten die Verteidigungstruppen ihr Vorgehen mit Screenshots, auf denen vermeintliche Listen über getarnte Mitarbeiter des militärischen Arms der Terrororganisation zu sehen sind, die sich in ihrer Echtheit allerdings nicht verifizieren lassen, fehlt es an unabhängigen Quellen abseits der IDF, die die Authentizität bestätigen und ihre Ursprünglichkeit ohne Übersetzungen sowie frei von möglichen nachträglichen Veränderungen belegen könnten. Wie in nahezu jedem Konflikt dieser Art lassen sich also auch diese Informationen kaum auf ihre Konsistenz, Glaubwürdigkeit und Tragkraft überprüfen.

Die ursprüngliche Gesinnung des vermeintlichen Journalisten war eindeutig und widerwärtig!

Insofern bleibt der erhobene Anwurf gegen den durch viele TV-Einsätze berühmt gewordenen Netzwerker zunächst unklar, wenngleich es Indizien dafür gibt, dass die Regierung um Netanjahu ihre Beschuldigungen nicht gänzlich aus der Luft gegriffen hat. Schließlich war der 28-Jährige unter anderem mit einem abscheulichen Post auf Telegram in Erscheinungen getreten, den er kurz nach dem Überfall vom 23. Oktober 2023 hinsichtlich der grausamen Verbrechen der Dschihadisten auf den jüdischen Feind veröffentlicht hatte: „Neun Stunden später ziehen die Helden immer noch durch das Land, töten und nehmen Gefangene“. Eine derartige Sympathie für seine Glaubensbrüder muss hadern lassen, ob er nicht doch ernstlich bejahend gegenüber Gewalt und Mord eingestellt war, passen seine Worte zum prinzipiellen Tenor zahlreicher weiterer Beiträge des mit dem Pulitzer-Preis für Eilmeldungsfotografie ausgezeichneten Flüchtlingskindes aus Jabalia. Zwar berichtet die BBC darüber, dass der von den Vereinten Nationen und Nichtregierungsorganisationen regelmäßig in Schutz genommene und studierte Kommunikationswissenschaftler in Videos kurz vor seinem Tod mehrfach die „Hamas kritisiert“ habe. Von einem Bruch mit den eigenen Leuten kann jedoch augenscheinlich nicht die Rede sein.

Hatte sich der „Medienberater“ tatsächlich von der Hamas distanziert?

So stößt man nur auf äußerst vage Aussagen in seinen publizierten Filmsequenzen, bei denen es sich im Wissen darum, in den Fokus der Kontrahenten geraten zu sein, um eine ledigliche Schutzbehauptung gehandelt haben könnte, die ihn möglicherweise vor einer sogenannten „Liquidation“ retten sollten. Auffallend bleibt darüber hinaus auch sein posthum sehr rasch inszenierter Abschiedsbrief, der als „Testament“ verstanden werden soll, gibt er sich darin als „Stimme, die zum Schweigen gebracht“ worden ist. Verfolgt man Beiträge auf der Plattform X aus dem Juli diesen Jahres, so strotzen diese weitgehend vor klassischer Propaganda. Zwar mag der Familienvater mit dem Festhalten von Not und Leid im besetzten Küstenstreifen einen erheblichen Anteil daran haben, dass die globale Öffentlichkeit ihr Augenmerk ans östliche Mittelmeer richtet. Doch auch in seinem Bildmaterial finden sich zahlreiche Aufnahmen von abgemagerten Kindern, deren Zustand nicht zwingend auf eine Hungersnot zurückzuführen sein muss. Immerhin gibt es einen hinreichenden Verdacht, dass für manipulative Zwecke Säuglinge mit einer Muskelerkrankung instrumentalisiert wurden, um den Anschein zu erwecken, es grassiere ein durch die Verhinderung von humanitären Hilfslieferungen verursachter Genozid.

Die Parteinahme der Berufsverbände war rasch, voreilig und tendenziös!

In einer Schlacht um die Wahrheit wird man nie zu einem eindeutigen Ergebnis oder einer unabhängigen Bewertung kommen können. Dass sich der Radio- und Fernsehkorrespondent allerdings mit Vehemenz für das Narrativ eingesetzt hat, es finde eine gewollte, beabsichtigte und erzwungene Vernichtung des palästinensischen Volkes statt, um gleichzeitig keinen Hehl daraus zu machen, dass er den Geist und die Gesinnung von fanatischen Gotteskriegern teilt, die den Zionismus auslöschen wollen, muss Skepsis und Zweifel hervorrufen. Zwar sieht das internationale Recht die „Eliminierung“ ausschließlich aktiver Kollaborateure als legitimes Ziel in einem Krieg vor. Doch es bleibt ungewiss, ob Al-Sharif ein solcher nicht bis zum Schluss geblieben ist. Seine vermeintliche Umkehr kann sich als Finte herausstellen. Denn das Zeugnis seines Arbeitgebers Al Jazeera Arabic, welcher stets bestritt, dass es eine Zusammenarbeit mit den extremistischen Muslimbrüdern gibt, wiegt unter der Gemengelage nicht besonders schwer. Da helfen auch die Entrüstung und Skandalisierung von „Reporter ohne Grenzen“ und anderer Berufsverbände kaum weiter, die bis heute keine differenzierte Sicht auf einen „Medienberater“ zulassen, dessen ideologische Biografie Bände spricht.