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Nur noch ein Schatten seiner selbst: Wie Kulturstaatsminister Weimer vom ideologischen Provokateur zum linientreuen Mitläufer wurde!

Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Wolfram Weimer nennt AfD und Linke ’schlecht für Deutschland‘: Was für ein Bedrohungs-Eintopf“ (aus: „Berliner Zeitung“ vom 13.08.2025)

Manch ein gutgläubiger Beobachter hatte ihn als ein echtes Gegenstück zu Claudia Roth gesehen. Doch der noch recht neu im Amt befindliche Kulturstaatsminister Wolfram Weimer entpuppt sich immer mehr als eine Speerspitze der „Unsere Demokratie“-Bewegung, erweist sich gleichzeitig als ebenso großer Umfaller wie Friedrich Merz und nahezu das gesamte Kabinett, lässt er sich von einer aufgescheuchten Öffentlichkeit in seinen Plänen für eine Abschaffung des Genderns allzu schnell irritieren. Darüber hinaus hat er nunmehr märtyrerhaft ausgeholt gegen die AfD, sieht sie als die gleiche Bedrohung wie „Die Linke“ an. In jüngsten Äußerungen bezeichnet er die Alternative für Deutschland als „entsetzlichen und fratzenhaften Autoritarismus“, sieht Parallelen zu einer NS-Ideologie, weil sich der Landesverband in Sachsen-Anhalt gegen den Bauhaus-Stil gerichtet hat. Er will sie aus allen Machtzentren fernhalten, fordert damit – wenn auch nicht ausdrücklich formuliert – ein Erstarken der Brandmauer. Was ist von jenem Charakter übriggeblieben, der Kritik kann von US-Präsident Trump „Selbstmitleid“ attestierte und sich im Ukraine-Krieg vehement für einen Verhandlungsweg einsetzte?

Subtiles Einstimmen in den Gesang der geschichtsvergessenen Parallelenzieher…

Dass er jene auf die gleiche Stufe mit der SED-Nachfolgepartei stellt, die nur deshalb von ständiger Ausgrenzung und Diffamierung betroffen sind, weil es gerade der etablierte Klüngel ist, der sich angesichts dramatischer Umfragewerte für Repression gegen die Blauen stark macht, kommt nicht überraschend. Der Journalist von „Welt“, „Berliner Morgenpost“ und „Focus“ war zuletzt bei dem von ihm gegründeten Magazin „Cicero“ beschäftigt, wird gemeinhin als neokonservativ eingestuft. Immerhin forderte er eine „drastische Reduzierung der Staatsquote“ und eine umfassende „Deregulierung“, kritisierte das Bürgergeld als „Migrantengeld“ und lehnte den „Armutsbericht für Deutschland“ als irreführend ab. Seine enge freundschaftliche Verbundenheit zum derzeitigen Kanzler hat ihm wiederholt Vorwürfe der politischen Abhängigkeit eingebracht. Zwar mag er gemeinhin mit Standpunkten gegen den menschgemachten Klimawandel und die Bedrohung durch den Dschihadismus aufgefallen sein. Authentisch gegen Lobbytum wird er sich dagegen nicht aussprechen können, ist er doch selbst viel zu verbandelt. Er streckt seine Fühler vor allem in Richtung der Christdemokratie aus, gehört ihr aber bis heute nicht an.

Die Nähe zur CDU hat den einst geschätzten Kollegen in seinen Kanten abgeschliffen…

Weil er ebenso wie der CDU-Politiker ein Häuschen in der bayerischen Provinz besitzt und dort auch den Verlagssitz seiner Publikationen ansiedelte, wird nicht selten von der sogenannten „Tegernsee-Connection“ gesprochen, befindet sich der 1964 in Gelnhausen geborene Germanist im ideologischen Kontinuum zu Ludwig Erhard, ist mittlerweile aber scharf abgebogen in die Sackgasse einer vermeintlich ideologischen Überlegenheit der Gutmenschen in unserem Land, die nunmehr auch die Forderungen des Politologen zu diktieren scheinen. Die anfänglichen Sorgen, er könne sich als Gegenwind für „avancierte und emanzipative Ansätze“ genauso engagieren wie für eine geschichtsrevisionistische Aufarbeitung des Kolonialismus, dürften verflogen sein. Immerhin wirkt er eingeebnet und auf Linie der Nachgiebigkeit gegenüber einem NGO-Aktivismus gebracht, spürt man doch kaum noch etwas von seinen früheren Spitzen, also er die UNESCO als „korrupt wie die FIFA und ideologisch in der Hand von Despoten, Islamisten und Linksökologen“ anprangerte oder die „Masseninvasion von illegaler Zuwanderung“ im Zuge von Angela Merkels „radikaler Grenzöffnung“ im Jahr 2015 als „historischen Rechtsbruch“ einordnete.

Weimer vollzieht derzeit zumindest eine 170-Grad-Wende…

Dass sich im Leben von Pressevertretern Einschnitte und Brüche ergeben, ist menschlich und nachvollziehbar. Doch der seit vielen Jahren zur Normalität gehörende Wechsel aus der Medienlandschaft in das legislative und exekutive System, wie es auch jüngst wieder bei der „Tagesthemen“-Moderatorin Aline Abboud zu beobachten war, als sie kurzerhand einen Job im Bundesentwicklungsministerium annahm, schleift Haltung und Rückgrat allzu schnell ab. Der parteilose Volkswirtschaftler sieht in Alice Weidel und Tino Chrupalla das Bestreben „einer anderen Republik“, forderte er doch selbst eine „Chance für die kulturelle Renaissance des Abendlandes“. Offenbar kanalisiert durch die Mentalität des Zeitgeistes, rückt der einstige Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung streng von seiner Linie ab, das „Konventionelle“ sei „die neue Avantgarde“. Er will die kritische Opposition zwar nicht verbieten, sondern sie durch „überzeugende Sachpolitik“ bekämpfen. Seine historisch hinkenden Vergleiche sind trotzdem eines Mannes unwürdig, der noch vor nicht allzu langer Zeit für die Familie als „Vaterland des Herzens“ plädierte, den ÖRR-Rundfunkbeitrag als „Zwangsgebühren“ bezeichnete und das Coming-out homosexueller Personen als „Trend zur Enttabuisierung“ ansah.