Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Kulturstaatsminister in Erklärungsnot: Weimers Zukunft und Weidels Gnade“ (aus: „Cicero“ vom 19.10.2025)
Es gibt in der heutigen Landschaft des Journalismus nur noch wenige Kollegen, denen man Leidenschaft und Handwerk bei ihrer Arbeit attestieren kann. Immerhin entwickelt sich unsere Branche zunehmend zu einem Propagandainstrument für die Mächtigen. Denn nicht nur der öffentlich-rechtliche Rundfunk lässt sich ideologisch instrumentalisieren. Wie gut und wichtig ist es angesichts dieser Vereinnahmung, unabhängige Publizisten zu kennen, die frei sind von jeder Voreingenommenheit, aber stets darauf bedacht, dem beruflichen Ethos der vierten Gewalt als kritischer Betrachter des Zeitgeschehens authentisch Ausdruck zu verleihen. Zu selbigen gehört nicht zuletzt Alexander Wallasch, der es mit einer allzu erfahrenen und gekonnten Spürnase versteht, sowohl investigativ wie berichtend und kommentierend Nachrichten und Schlagzeilen zu entdecken, sie mit spitzer Feder einzuordnen und sie als Resultat einer rhetorisch geschliffenen wie argumentativ untermauerten Glaubwürdigkeit, Auseinandersetzung und Erörterung ans Tageslicht zu bringen. Als entsprechend originär wie belastbar erweisen sich seine Nachforschungen.
Der Journalismus hat seine Aufgabe erfüllt: Den Mächtigen auf die Finger klopfen…
Dies muss man auch im aktuellen Fall attestieren. Der Recherche und Aufdeckung ist es zu verdanken, dass sich Kulturstaatsminister Wolfram Weimar derzeit in einer äußerst prekären Lage wiederfindet. Wallasch hatte nach intensivem Engagement einen Skandal offengelegt, der normalerweise dafür taugen sollte, den parteilosen Politiker zum Rücktritt zu bewegen. Der frühere Chefredakteur von „Welt, „Berliner Morgenpost“ und „Focus“ sowie des eigens gegründeten Magazins „Cicero“, der die Seiten wechselte, um der Regierung unter Friedrich Merz anzugehören, hatte mit seiner Frau die „Weimar Media Group „gegründet, welche unter anderem „The European“ verlegt. Dort wurden über einen langen Zeitraum hinweg Beiträge von bekannten Persönlichkeiten wie Alice Weidel, Papst Franziskus, Emanuel Macron oder Brad Pitt wiedergegeben, um das Medium mit Prominenz zu schmücken. Zwar wurden die Autoren entsprechend benannt und aufgelistet, aber wohl nie um ihre Zustimmung gebeten. Stattdessen scheinen manche Texte ergänzt und umgewandelt, aber ohne Legitimierung und Freigabe repliziert worden zu sein.
Insbesondere unter der Tatsache, dass der nunmehr auf dem Berliner Parkett agierende Germanist und Historiker noch auf der Frankfurter Buchmesse am 15. Oktober 2025 KI-Unternehmen als „geistige Vampire“ kritisiert hatte, um damit das Urheberrecht stärken zu wollen, klingen seine Einlassungen im Angesicht seiner jetzt unzählig in Erscheinung getretenen Duplikate wie Hohn und Sport gegenüber jenen, die ausgerechnet vom 60-Jährigen um ihr schriftstellerisches Eigentum gebracht wurden. Gemäß § 12 Abs. 1 UrhG besitzt der Werkerschaffer nämlich das ausschließliche Recht, seine Produkte zu verwerten. Selbst bei einem Abdruck unter Erwähnung des intellektuellen Ursprungs stellt das Kopieren ohne ausdrückliches Einverständnis einen Verstoß gegen das Veröffentlichungsrecht dar, denn die Nutzung auf der eigenen Webseite erfordert nach § 31 UrhG das ausdrückliche Zugestehen einer Lizenz in Form einer Überlassung. Entsprechend deutlich äußerte sich auch der sogenannte „Plagiatsjäger“ Stefan Weber: „Gegen Wolfram Weimers Urheberrechtshölle muss die Strafverfolgungsbehörde ermitteln“.
Während Wallasch ein Meisterstück gelang, betrieb Weimer Misswirtschaft…
Alexander Wallasch hat einen Sumpf an betrügerischer Absicht trockengelegt, der auf kurz oder lang zu einem Amtsverzicht des Beschuldigten führen muss. Denn auch die Rechtfertigung aus dem Hause Weimer ist völlig wertlos. Schließlich scheint der Versuch von Bagatellisierung, wonach man in vielen Fällen lediglich eine Pressemitteilung zu Artikeln umgewandelt habe, die nach § 51 UrhG der Zitierfreiheit unterliege und keine Quellenangabe erfordere, wie eine juristisch unhaltbare Ausrede. Sie greift in dieser Konstellation nicht. Schließlich gilt die genannte Ausnahme nur dann, werden einzelne Passagen in eine gänzlich neue Dichtung mit eigener Schöpfungsleistung übertragen. Dies war augenscheinlich nicht gegeben, weshalb die Empörung hohe Wellen schlägt. Die selbst Betroffene AfD-Chefin behielt sich rechtliche Schritte vor, sprach von einem „sehr unredlichen Vorgehen“, verwies auf den Slogan des Ehepaares, wonach man „Heimat für Qualitätsjournalismus“ bieten wolle. Hieran lasse sich offenbar zweifeln. Außenstehende Beobachter forderten Konsequenzen, bislang blieben sie allerdings aus.
Zahlreiche Redaktionen griffen das Thema auf, ohne jedoch selbst zu artikulieren, dass das Zustandekommen des Affronts dem Meisterstück Wallaschs zu verdanken ist, der mit großer Akribie den weiteren Verlauf der Geschehnisse auf seinem eigenen Internetportal dokumentiert. Gäbe es diese Vertreter unserer Zunft nicht, welche zu Detektiven werden, um Missstände zu enttarnen, könnten viele Politiker seelenruhig ihre Masche ungehindert fortführen, die sie der Doppelmoral überführt. Insofern gilt Respekt und Anerkennung für diese Motivation, nicht allein um des Heraufbeschwörens einer Affäre willen nach den Untiefen einer ach so heilen Welt im hauptstädtischen Kanzlerviertel zu graben. Sondern in der Gewissheit, mangelnde Ehrlichkeit in einem System zu demaskieren, weil vielerorten im Kabinett längst nichts mehr ist, wie es scheint. Entsprechend dürfte es überaus schwierig werden, einen Charakter gerade in jenem Ressort zu halten, welches den Wert menschlicher Kognition gegenüber aufkeimender Intelligenz der Algorithmen verteidigen sollte, der durch seine Lapidarität massiv an Anstand einbüßt.