Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Umfragen – 2026 sind fünf Landtagswahlen. Überall könnte die Regierung verlieren“ (aus: „ZEIT Online“ vom 16.10.2025)
Ein kurzes Rätsel zu Beginn: Von wem stammt die Aussage „Es kann ja nicht sein, dass jeder Weihnachtsmarkt besser bewacht ist als unsere Grenzen“? Vielleicht würde man zunächst an einen Politiker der AfD denken, hört man diesen provokativen wie wahren Befund mit Blick auf das hiesige Stadtbild im Jahr 2025. Doch nein, es war nicht Alice Weidel oder Tino Chrupalla, sondern Thomas Kemmerich, der mit einem Satz die Gefühlslage vieler Bürger in Worte fasste, wenn sie nicht begreifen können, was geblieben ist von unserem Ursprung, von unserem Brauchtum und von unserer Identität, müssen wir in der Adventszeit auf Glühwein und Plätzchen in trauter Runde verzichten, weil die Poller zu teuer sind – und die Bewachung zu aufwendig wäre. Ist das „Team Freiheit“ entgegen seiner Zielsetzung, sich weniger polemisch zu geben, also doch dem Populismus verfallen? Wäre solch ein Spruch nur am Stammtisch zulässig? Oder stellt er nicht einfach die schlichte Wirklichkeit dar? Manch ein Wähler mag sich fragen, wo genau der Unterschied zwischen Alternative für Deutschland und der initiativen Neugründung Frauke Petrys liegt, wenn doch der Tenor und Duktus beider Parteien irgendwie sehr ähnlich scheint.
Die Trennlinien liegen zwischen liberal und national, zwischen Individualität und Kollektivität!
Während sich die einen wahrscheinlich als libertär-marktwirtschaftlich bezeichnen, würden die anderen wohl eher eine patriotisch-konservative Ausrichtung als ihren Markenkern verkaufen. Doch wie sieht es im Detail aus, wenn man die beiden Programme nebeneinanderstellt? Woran kann man sich halten, wenn beispielsweise bei den kommenden Wahlen die Entscheidung über das Kreuz an der richtigen Stelle ansteht? Das „Team Freiheit“ bekennt sich im Wesentlichen zu einem Anti-Etatismus und stellt vor allem die Senkung der Staatsquote von 50 auf 25 Prozent in fünf Jahren in Aussicht, will Sozialleistungen bündeln, abbauen und effizienter gestalten, Bürokratie reduzieren, Deregulierung fördern und Eigenverantwortung unter einem minimalen Staat stärken. Bei der AfD rückt der Mittelstand in den Fokus, soll er durch Subventionen und Protektionismus an Rückhalt gewinnen. Die CO2-Abgabe werde gestrichen, der Haushalt konsolidiert, durch eine breitere Einbeziehung aller Gesellschaftsteile das Rentenniveau erhöht. Eine Umverteilung von unten nach oben müsse beendet und die hiesige Ökonomie bevorzugt werden. Javier Milei und Ludwig von Mises sind Vorbild hier, Ernst Jünger und Oswald Spengler wohl eher dort.
Völlig andere Wurzeln: Rein ideologisch trennen AfD und „Team Freiheit“ Welten…
Der kollektive Gedanke überwiegt bei Höcke oder Siegmund, der Individualismus bei Zickler oder Tatarczyk, um weitere Vertreter beider Seiten zu erwähnen. Auch hinsichtlich der Migration lassen sich Nuancen erkennen. Die AfD will das „Asylparadies schließen“, Straftäter und Integrationsunwillige konsequent rückführen. Die Unterstützung für Ausländer solle auf ein Jahr begrenzt und der Schwerpunkt auf kulturelle Eingliederung in die deutsche Leitkultur gelegt werden. Beim „Team Freiheit“ will man zwar die aktuelle Praxis der nahezu offenen Grenzen abschaffen, gleichzeitig aber qualifizierte Einwanderung ermöglichen. Kontrollen an den Außenlinien sollten beibehalten bleiben, ohne allerdings Panik zu verbreiten. Während erstgenannte also vor allem das Joch für Prägung und Tradierung in den Raum stellen, ist es bei zweiterwähnten die Belastung für das Budget. Der Sicherheitsfokus steht dem Pragmatismus gegenüber. Bezieht man auch das Thema EU ein, so könnte für die Alternative für Deutschland ein „Dexit“ nach einem Volksentscheid denkbar sein. Unterdessen will man bei den Anhängern des erstmals in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz antretenden Bündnisses eine Reform Brüssels.
Auch bei den Themen EU, Familie und Islam gehen die Vorstellungen auseinander…
Die AfD hält am traditionellen Familienbild aus Vater, Mutter und Kind als Keimzelle des Miteinanders fest, wendet sich entschieden gegen die Gender-Ideologie und will die Geburtenrate durch finanzielle Anreize erhöhen. Die Werteerhaltung der biologischen Geschlechterbinarität als Tatsache sei zwingend erforderlich, der allein auf Gefühlen und der Selbstbestimmung beruhende „Trans-Hype“ könne nicht akzeptiert werden. Das „Team Freiheit“ unterstreicht hingegen die persönliche Entwicklung, mahnt aber konsequenten Widerspruch zur Wokeness an. Man möchte weg von „Cancel“ Culture und einer ideologischen Bevormundung. Eingriffe in die Lebensführung sollten ausbleiben, Gleichberechtigung als demokratisches Merkmal geschützt sein. Hinsichtlich einer zu beobachtenden Islamisierung, lehnt die Alternative für Deutschland jeden Anspruch auf Macht und Einfluss radikaler Strömungen ab. Kalifatsforderungen werden konsequent zurückgewiesen, Minaretten steht man äußerst kritisch gegenüber. Der Konkurrent will ebenfalls keine Sonderrechte zulassen, aber den Religionen bei ihrer Entfaltung prinzipiell nicht im Wege stehen. Und so lassen sich Differenzen auftun, die an der Urne Orientierung bieten.







