Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Korruptionsvorwürfe: AfD in Sachsen-Anhalt will Jan Wenzel Schmidt ausschließen“ (aus: DIE ZEIT vom 21.12.2025)
Wenn ein Wahlkampf in die heiße Phase gerät, wird er häufig schmutzig. Oftmals verlagert sich die Auseinandersetzung der politischen Konkurrenten dann auf eine emotionale, charakterliche Ebene. Doch in Sachsen-Anhalt erweist es sich vor der Abstimmung im kommenden Jahr gänzlich anders. Da braucht es offenbar nicht einmal den Herausforderer, um die AfD in die Schlagzeilen zu bringen. Es reichen Ankündigungen des Bundestagsabgeordneten Jan Wenzel Schmidt, der selbst im Verdacht steht, in seinem Büro manch dubiose Unternehmertätigkeit unter den Teppich gekehrt zu haben. Nachdem man ihn mit dem Parteiausschluss drohte, kündigte er wiederum selbst an, im Januar 2026 Belege und Nachweise dafür vorlegen zu wollen, dass Teile des Landesvorstands Privatfahrten auf öffentliche Kosten abgerechnet, Vetternwirtschaft betrieben und Steuergelder für unberechtigte Zwecke missbraucht haben. Allerdings sind die Andeutungen bisher vage, weshalb man die Unschuldsvermutung gar nicht oft genug unterstreichen kann. Inwieweit sie gänzlich aus der Luft gegriffen sind, sollte allerdings ebenfalls in Frage gestellt werden. Wer sich mit derart weitreichenden Beschuldigungen nach außen wagt, dürfte tatsächlich etwas in den Händen halten.
Natürlich lässt sich eine Revanche vermuten, doch die Opferrolle wäre der falsche Ratgeber…
Auch mir wurden über viele Monate hinweg Interna aus der Alternative für Deutschland anonym zugesandt, die prinzipiell den Verdacht stützen, dass an wichtigen Schaltstellen nicht alles Gold ist, was glänzt. Da kam es augenscheinlich zu Ungereimtheiten. Ob sie das Ausmaß von Straftaten erreichen, kann man zu diesem Augenblick kaum sagen. Handelt es sich also um die Revanche eines 34-Jährigen? Oder welcher Wahrheitsgehalt verbirgt sich hinter den Mutmaßungen, hier könnte im großen Stil Fehlverhalten vorliegen? Dass der Spitzenkandidat Ulrich Siegmund explizit von den Vorwürfen ausgenommen ist, ihm ausschließlich angelastet wird, seine Kollegen gedeckt zu haben, spricht für den Eindruck, dass er seinem prinzipiellen Kurs eigener Integrität und Zuverlässigkeit gefolgt scheint. Die völlig falsche Reaktion wäre nun, mit dem Finger auf jenen zu zeigen, der vielleicht tatsächlich Rache üben will. Stattdessen stünde es gut zu Gesicht, eine Normalität einzugestehen. Denn überall dort, wo es um Einfluss geht, da läuft nicht alles glatt. Die AfD ist kein Ort der Heiligen, auch wenn sie einige Anhänger so darstellen wollen. Je länger sie auf dem etablierten Parkett unterwegs ist, umso anfälliger wird sie dafür, scheinheiliger Versuchung der Macht zu verfallen.
Nimmt die AfD die Vorwürfe ernst, könnte sie sogar gestärkt aus der Affäre hervorgehen…
Jetzt wäre der Augenblick, in die Offensive zu gehen, bevor sich ein Scherbenhaufen offenbart, den man nur noch nachträglich zusammenkehren kann. Dass etwas in der Luft liegt, pfeifen die Spatzen in Magdeburg von den Dächern. Katastrophal erweist sich der Rückzug in die Opferrolle, sämtliche Kritik als eine Verschwörung zu brandmarken. Keine Partei verfügt über eine weiße Weste, von diesem Ideal sollte sich jeder verabschieden, der um das Wettrennen an den Futtertrögen weiß. Man könnte einen wesentlichen Unterschied machen, sich tatsächlich als Alternative präsentieren, ginge man proaktiv mit dem um, was möglicherweise schief lief. Zwar soll man nicht zugeben, was nicht gewesen ist. Doch so zu tun, als zeige sich in dem Whistleblower ein Spion des Verfassungsschutzes, das wirkt eher schizophren statt souverän. Schmidt mag seine persönlichen Gründe, seine zweifelhafte Motivation haben. Das unmittelbare Abtun als Verräter und Nestbeschmutzer wird sich auch in den Umfragen niederschlagen, hinkt man im Zweifel der Aufklärung hinterher, statt sich ihr initiativ zu stellen. Siegmund ist erfahren genug, um eine lauernde Gefahr in Profit ummünzen zu können. Dafür muss er nun aus der Deckung kommen, möglichst noch vor Jahresschluss.







