Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Programm und Benimmregeln: AfD-Fraktion trifft sich zu Klausur“ (aus: „Deutschlandfunk“ vom 05.07.2025)
Wie gemütlich kann es sein, als Nutznießer von der Unzulänglichkeit von Dritten zu profitieren, um die Lorbeeren dafür einzusammeln, dass Andere an ihren Fehlern scheitern. Was klassischerweise als Selbstläufer bekannt ist, erweist sich in der Praxis allerdings oft als ein Rohrkrepierer, der vermeidbar gewesen wäre. Denn Kontinuität und Verlass bieten das Versagen und Stolpern eines Gegners wahrlich nicht. Und dessen sollte sich auch die AfD in diesen Tagen bewusst werden. Blickt man auf ihre Präsenz in den sozialen Medien, so scheint es einigermaßen still geworden um eine Partei, die allzu sehr darauf setzt, als Trittbrettfahrer der schlechten Stimmung in unserer Bevölkerung lediglich darauf zu warten, dass ihr die Umfragen weitere Prozente bescheren, ohne dafür einen nennenswerten Beitrag geleistet zu haben. Denn im Augenblick sind es nicht etwa Presse und der öffentlich-rechtliche Rundfunk, welche über die Alternative für Deutschland Skandale und Affären erfinden. Stattdessen zieht man das Rampenlicht mit einem Ausschlussverfahren gegen den beliebten Abgeordneten Matthias Helferich auf sich, lässt Mandatar Maximilian Krah mit seinem eklatanten Schwenk von einem Unterstützer des Vorfelds hin zum Kritiker der legitimen Remigration freien Lauf und findet sich in einem Kommunikationsdebakel wieder, wurde ein Papier der Bundestagsfraktion öffentlich, das auf die Vokabel der „Leitkultur“ explizit verzichtete.
Einwanderung ist die Mutter vieler Probleme, doch Remigration reicht als Forderung nicht aus!
Gleichzeitig sucht auch der wohlgesinnte Beobachter erfolglos nach inhaltlichen Akzenten, begegnet man auf Plattformen wie X vor allem recht unprofessionell wirkenden Memes, die darüber hinaus wenig Substanz und Inhalt liefern, gäbe es doch so viele Themen abseits der illegalen Einwanderung, zu denen man Lösungskonzepte und Ideen liefern könnte. Doch selbst in der Anhängerschaft ist das Unwissen groß, erkundigt man sich beispielsweise nach Antworten auf die soziale Frage, auf die Bildungsmisere, auf den Wirtschaftsabschwung, auf die marode Infrastruktur, auf die gescheiterte Transformation oder auf das strauchelnde Gesundheitssystem. Und auch mit Blick auf außenpolitische Belange könnten die Widersprüche kaum größer sein, finden sich in den eigenen Reihen eklatante Befürworter der Ukraine einerseits, eine naive Gefolgschaft Putins andererseits. Über Israel und die Palästinenser gehen die Meinungen ebenso diametral auseinander wie hinsichtlich der USA und Trump oder der Notwendigkeit eines Krieges gegen den Iran. Zwar hatten Alice Weidel und Tino Chrupalla versucht, zurück auf die Wurzeln zu lenken, indem man sich wieder für Diplomatie, Frieden und Neutralität ausspricht. Doch gewirkt hat diese Mahnung offenbar nicht, wollen sich Streithähne zwingend auf irgendeine Seite schlagen, anstatt sich darauf zu besinnen, dass der Fokus alleine Schwarz-Rot-Gold und seinen Bürgern dienen sollte.
Auch nach mehr als zehn Jahren mangelt es der AfD an Professionalität und Routiniertheit!
Interne Querelen und unnötige Personalien überdecken jeglichen Versuch, sich programmatisch festzulegen und die historische Chance zu nutzen, auch substanziell als eine Option dazustehen, die mehr ist als bloßer Protest und Opposition allein um des Prinzips willen. Man wird nicht deshalb zum Dauerbrenner, reitet man auf der Welle des Unvermögens eines Kanzlers und seines Kabinetts, denen man nur selten direkte Paroli bietet, wie es sich Beatrix von Storch im Parlament bei der Debatte um Verfassungsrichterkandidatin Brosius-Gersdorf getraut hatte. Im Neusprech würde man sagen, es mangelt an der PR-Tauglichkeit, „Vril“ und einer „Corporate Identity“, die möglichst alle Altersschichten anspricht, um daneben von Professionalität, Tiefe und Konsistenz getragen zu werden. Da gönnen sich die beiden Vorsitzenden zwar eine deutliche Gehaltssteigerung, für sinnvolle Ausgaben in eine routinierte Öffentlichkeitsarbeit scheint das Budget hingegen nicht zu reichen. Häufig wirkt man wie ein Orchester, das einen fähigen Dirigenten entbehren muss. Und bisweilen verhaftet der schnöde Eindruck, manche Charaktere könnten in Arroganz und Überheblichkeit der Karriere frönen, statt mit Sachlichkeit und Fachkompetenz zu wuchern. Nach weit über zehn Jahren seit Gründung sollte man aus den Kinderschuhen entschwunden sein. Doch wohin der Weg ohne naives Vertrauen in die absolute Mehrheit führen soll, bleibt weiterhin ungewiss.