Die Gefahr der Hybris-Falle: Solange sich Spitzenleute der AfD charakterlich nicht im Griff haben, bleibt das „Alternative“ Makulatur!

Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „AfD-Abgeordneter schwärmt von Weltkrieg-Schlacht – wer Kritik äußert, ist ein ‚Rotzlöffel'“ (aus: „Der Westen“ vom 21.05.2025)

Denn auch wenn sie sich in manch einem Post bürgernah, aufgeschlossen und zugewandt geben, sehen sie gleichzeitig von einer weitergehenden Kommunikation mit Pöbel und Untertanen ab. Und so erhält der externe Beobachter einen Eindruck über die vermeintliche Alternative, deren Charaktere allerdings wenig Bemühen zeigen, sich von manch einer Arroganz der Mächtigen zu unterscheiden. Hohe Umfragewerte und die Lächerlichkeit eines demagogischen Verfassungsschutzes sind wahrlich kein Freifahrtschein für eine Partei, die sich allzu schnell in einer Siegerrolle fühlt, obwohl sie doch immer wieder ankündigt und unterstreicht, hinsichtlich des Umgangs mit dem Souverän dezidiert umsichtiger handeln zu wollen als das Establishment. Demut und Dankbarkeit für die große Unterstützung in der Wählerschaft sehen wahrlich anders aus. Stattdessen findet mittlerweile deshalb eine Entfremdung vom eigenen Dunstkreis statt, weil das Virus von Karriere, Einfluss und Geltungsbedürfnis auch vor jenen nicht Halt macht, die dem Reiz des Schnupperns an der Berliner Regierungsluft kaum widerstehen können. Abstand und Distanz zum Volk sind allerdings für jeden Akteur pures Gift, dessen Alleinstellungsmerkmale ausdrücklich der Wunsch nach Weiterentwicklung der repräsentativen Demokratie in Richtung eines plebiszitären Systems umfasst.

Da ist es der Bundestagsabgeordnete Rüdiger Lucassen, der einem jungen Journalistenkollegen auf der Plattform X das Schimpfwort „Rotzlöffel“ entgegenschleudert, weil dieser sich erdreistet hat, ein anderes Geschichtsverständnis über die Rolle der Wehrmacht einzunehmen als der Oberst a.D., anlässlich der Invasion auf Kreta 1941. Es ist der frühere Spitzenkandidat Maximilian Krah, der in den sozialen Medien mit Hochmut prahlt, degradiert der doch jede Meinung von Nutzern mit weniger als rund 80.000 Followern, weil sie ihm wohl – aus seiner Sicht – nicht das intellektuelle Wasser reichen können. Daneben ist es der Co-Vorsitzende der Fraktion „Europa der souveränen Nationen“ im EU-Parlament, René Aust, der ebenfalls in einer gewissen Hybris davon absieht, sich mit fair und niederschwellig agierenden Pressevertretern abzugeben, hegt er möglicherweise einen generellen Argwohn gegenüber der unzweifelhaft nicht immer anständigen und objektiven Medienlandschaft. Blickt man dann noch auf die von einer großen Fangemeinde umringten Ulrich Siegmund, Thorsten Weiß oder Sebastian Münzenmaier, bei denen mittlerweile kaum noch jemand weiß, ob sie nun Politiker der AfD oder doch Stars am Himmel mit Applaus und Rosen beworfener Influencer sind, müssten die Alarmglocken bei jedem Berater schrillen, der in Sachen PR zur Seite steht.

Manieren und Niveau sollten auch im Umfeld von Alice Weidel und Tino Chrupalla mehr als nur eine Handcreme sein, will man nicht auf dem Fundament von rund 25 % Zustimmung stagnieren – oder im Zweifel in der Gunst gar wieder abrutschen, haben sich Führungsfiguren nicht im Griff, denen Anmaßung und Selbstverliebtheit wichtiger erscheinen als der programmatische Einsatz für Remigration, Identität und eine lebenswerte Zukunft unter Schwarz-Rot-Gold. Es gibt auch bei der Opposition keine automatische Immunität vor Blasiertheit und Süffisanz. Stattdessen gehört es zu einem beständigen Ringen, sich in einer verantwortlichen Position bei manch einer dominanten Formulierung zusammenzureißen, nicht in die Falle der rhetorischen Fehltritte zu tappen, Aussagen vor Veröffentlichung auf die Notwendigkeit von Polemik oder Provokation zu überprüfen und von der Geringschätzung eines Gegenübers auch dann abzusehen, wenn man sich im Geiste des mittlerweile grassierenden Dunning-Kruger-Effekts in seinen Kompetenzen und Fertigkeiten um Längen überschätzt. Denn solange die Blauen ohnehin von allen Seiten unter feindlichem Dauerbeschuss stehen, kommen weder eine Opferstilisierung noch das besserwissende Wichtigtuertum bei der nicht geringen Zahl zweifelnde, skeptischer und vor allem aus Protest handelnder Urnengänger allzu gut an.