Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Brandenburger Regierungskoalition: SPD und BSW auf der Suche nach dem richtigen Applaus“ (aus: RBB24 vom 17.12.2025)
Politische Korrektheit ist heutzutage so wichtig, glaubt man „unserer Demokratie“. Wer sich weigert, dem Zeitgeist zu frönen, linker Empörungswut den Beitritt zu versagen, ist mindestens rechtsextrem, wenn nicht gar Nazi oder Faschist. Und da wird auch kein Halt gemacht vor Politikern, die anderen Parteien angehören denn der AfD. Jüngst erst hatte es den Brandenburger Abgeordneten des BSW, Christian Dorst, getroffen. Weil er sich auf X nicht anmaßte, nach Äußerungen des Magdeburger Spitzenkandidaten der Alternative für Deutschland, Ulrich Siegmund, von einer Relativierung des Holocausts zu sprechen, vermochte dieser in einem Interview keine Rangfolge der schlimmsten Menschheitsverbrechen aufzustellen, hagelte es Kritik von Kommentatoren, Beobachtern und der eigenen Basis. Dabei hatte der 1970 in Berlin geborene Bauunternehmer vielen Menschen aus der Seele gesprochen, weil er sich gerade nicht zu dieser Reflexartigkeit hinreißen ließ, die mittlerweile so selbstverständlich erwartet wird. Wer all die grausamen Massenmorde der Vergangenheit nur deshalb nicht in Bezug setzen möchte, weil damit auch eine Abstufung der Würde der Betroffenen verbunden wäre, stellt nicht etwa die Singularität einzelner Ereignisse in Frage, sondern unterstreicht die Verwerflichkeit jeder Bestialität, von der es leider genug gibt. Hier ging es weder um ein Mäßigen von Schuld, noch um ein Ausklammern von Verantwortung.
Die Reflexhaftigkeit der politisch Korrekten, sich für gleiche Würde rechtfertigen zu müssen…
Dass sich Dorst trotzdem vom Posten des stellvertretenden Landtagsfraktionschefs zurückzog, war dann wohl doch dem offenbar massiv gestiegenen Druck von außen geschuldet. Selbst Sahra Wagenknecht distanzierte sich, hatte offenbar nicht verstanden, um welche Botschaft es dem Königs-Wusterhausener geht. Er sprang Siegmund nicht deshalb bei, weil er eine Liebesheirat anbahnen wollte. Sondern weil er Vernunft und Pragmatismus lebt, schmälert er die Maschinerie der Tötung von Juden und Minderheiten durch die Betonung, dass alle Arten von Völkervernichtung gleichermaßen zu brandmarken sind, in keinem Fall. Es gibt nicht Opfer erster und zweiter Klasse, allein die Art des Genozids lässt sich nach subjektiver Empfindung in eine Reihung bringen. Hier ist der Mob wieder einmal auf jemanden losgegangen, der nichts verharmlost oder umgedeutet hat. Viel eher bewies der Listenplatz Zwölfte Weitsicht, als er in Reflektiertheit Jahrmillionen Erdengeschichte zu betrachten versuchte. Das Bündnis, künftig unter dem Namen der sozialen Gerechtigkeit und wirtschaftlichen Vernunft fungierend, übte sich in einer routinierten Illoyalität, wie man sie nun einmal aus dem etablierten System kennt. Man ist nicht viel besser im sich Abwenden, lässt Mitstreiter wie eine heiße Kartoffel fallen, trommelt die aufgeregte Meute nur laut genug. Ein Glanzstück von Zusammenhalt war es ausdrücklich nicht, was die ohnehin zerstrittene Bewegung bot.
Das BSW war eigentlich auf gutem Weg, sich nicht vom Zeitgeist unterwerfen zu lassen…
Sie muss noch viel lernen, hat ihr Kollege doch eindrücklich untermauert, dass er sich insbesondere gegen den medialen Hype wenden wollte. Sein Eingeständnis, dass die Formulierung missglückt gewesen sei, die er in seiner Veröffentlichung angewendet hatte, zeugt von Größe, wäre aber nicht zwingend notwendig gewesen. Denn nur derjenige, dem Böswilligkeit vor Augen schwebt, konnte wahrhaftig davon ausgehen, hier rede jemand die Schoa klein. Was wird man aus diesem Vorkommnis lernen müssen? Lassen wir uns nicht so schnell von der geifernden Menge in ein Vorurteil treiben, sondern geben wir der Differenziertheit mehr Raum, hören einander zuerst zu, ehe wir uns eine Meinung bilden. Die sogenannte Boykottkultur, welche den Anspruch hegt, auf die vermeintlich „richtige Seite“ der Gegenwart zu springen, fragmentiert unsere Gesellschaft, in der echte Dialoge durch eine performative Disziplinierung ersetzt werden, soziale Isolation sprießt und gedeiht, Polarisierung um sich greift. Der Konformitätsdruck bedroht Abweichung von jeglicher Gruppendynamik mit der öffentlichen Stigmatisierung, schüchtert den Andersdenkenden ein, provoziert Defensivität. Diese emotionale Reaktanz ist einerseits evolutionär tief verwurzelt, weil die Angst vor Ausgrenzung am Ende in eine Spirale der Schweigsamkeit führt. Andererseits wird das Bekenntnis zu ideologischer Aalglattheit das Profil jedes Miteinanders nehmen, um es autoritär zu färben.







