Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Polarisierung der Politik: Es gibt kein Zurück mehr“ (aus: „ZEIT Online“ vom 27.04.2025)
Es wird beschimpft, gepöbelt und beleidigt, was das Zeug hält. Nicht nur Bürger mit einem dünnen Nervenkostüm sind in unserer Gesellschaft – und explizit in den sozialen Medien – zunehmend der Ansicht, dass der Umgang vieler Menschen in den vergangenen Jahren nicht nur verroht, sondern jegliche Debattenkultur und der Respekt vor der Meinung des Anderen verloren gegangen ist. Nun kann man versuchen, diese Spaltung und Zuspitzung, welche sich keinesfalls nur im linken Lager findet, ausschließlich mit der momentanen politischen Situation zu erklären, die uns allen eine Menge abverlangt. Schließlich sind wir in unserer repräsentativen Demokratie durchaus gefangen im willkürlichen und dreisten Handeln von Protagonisten, welchen alle vier Jahre ein Freifahrtschein erteilt wird, um sodann machen zu können, was man im Wahlkampf ausdrücklich nicht versprochen hat. Doch wohin soll diese Atmosphäre führen, in der wir uns wechselseitig polarisieren und zum stellvertretenden Prellbock für jene erklären, die sich im Berliner Elfenbeinturm vor der Wirklichkeit verstecken – und Koalitionsverträge schmieden, mit denen wir noch einmal mehr wie eine Zitrone ausgepresst werden? Was taugt das ständige Sticheln im eigenen Dunstkreis, was soll es bewirken?
Kanalisieren und adressieren wir unsere Wut, Empörung und den Verdruss doch dort, wo er hingehört. Protestieren wir und begehren wir auf für konsequente Remigration, für innere Sicherheit, für wirtschaftliche Vernunft, für biologische Eindeutigkeit, für unmissverständlichen Frieden, für die abendländische Kultur, für pragmatischen Umweltschutz. Gehen wir im Zweifel für ein schamloses Bekenntnis zur AfD, aber lassen auch an dieser Partei notwendige Kritik und Optimierung zu. Dividieren wir uns nicht aufgrund von Feinheiten oder Antipathien auseinander, sondern suchen wir nach dem Gemeinsamen und Verbindenden, das im Widerspruch gegen die bald herrschenden Autokraten vom Konrad-Adenauer-Haus bis in die SPD-Zentrale als Argument und Pranger trägt. Brandmauern, Grenzen und Keile sind Instrumente auf Kindergartenniveau. Sie mögen nicht auch noch Einzug halten innerhalb des deutschen Pragmatismus. Denn Krisen können nur durchstanden werden, wenn der Zusammenhalt manche Befindlichkeit überdauert, wenn kollektives Bewusstsein individuelle Feindseligkeit überwiegt. Dagegen dominiert im Augenblick die Wahrnehmung von Zerstrittenheit allerorten, weil sich viele Egozentriker nicht im Griff haben.
Es gäbe in diesen Tagen so viele Baustellen, an denen man sich mit einem Unterbau an Konzepten, Problemlösungen und Antworten auf die drängenden Fragen der Zeit profilieren und auf sich aufmerksam machen könnte. Zu viel Energie wird aber dafür verschwendet, innerhalb eines Spektrums Rivalitäten auszutragen und ganze Generationenkonflikte bis auf den Höhepunkt zu treiben. Dabei muss doch das große Ganze im Zentrum jegliches Bemühens stehen, nämlich die Zukunft einer souveränen, integren und unversehrten Nation, welche sich nicht länger auf der Nase herumtanzen lässt von einst Merkel, später Scholz und bald Merz. Wo Energie zur Synergie gebündelt wird, kann Überzeugungskraft erwachsen. Bieten wir denen die Stirn, die Schwarz-Rot-Gold verleumden, um gegenüber dem Regenbogen und dem Globalismus einen Hofknicks zu machen. Lassen wir uns nicht länger eine Verdrängung der europäischen Völker als eine Bereicherung für unsere Renten verkaufen. Nehmen wir den Klimawandel als das hin, was er ist. Nämlich eine seit Anbeginn dieser Welt in regelmäßigen Epochen stattfindende Schwankung des perspektivischen Wetters, an das man sich anpasst, statt es irritieren zu wollen. Aber stoppen wir die Erosion in unserer Mitte. Sie ist Gift für eine gewollte Umkehr.