Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: Ein Programm zum Abschalten?“ (aus: „ZEIT Online“ vom 30.07.2025)
Es wird als Paradebeispiel für die ideologische Tendenziösität des ÖRR in Deutschland in die Annalen eingehen. Das ARD-Sommerinterview von Markus Preiß mit Alice Weidel muss jedem nach Anstand und Rückgrat suchenden Journalisten als Mahnung in Erinnerung bleiben, wie man auch den letzten Rest von Glaubwürdigkeit und Integrität verspielt, ist „Das Erste“ bei einer immer größeren Zahl der Bundesbürger ohnehin unten durch. Dann was sich die Sendeanstalten mittlerweile an augenscheinlichen Verstößen gegen sämtliche publizistischen Grundsätze und den Medienstaatsvertrag leisten, das passt nicht einmal mehr auf die Haut eines Verwaltungsgerichts in Leipzig, welches schon bald in einer Revisionsverhandlung darüber entscheiden wird, ob die Gebührenfinanzierung des immer öfter als Staatsfernsehen empfundenen Rundfunks legitim bleibt.
Ein peinlicher wie schicksalhafter Offenbarungseid für die gesamten Branche…
Mit drakonischen Störgeräuschen hatten „Omas gegen Rechts“ und das „Zentrum für politische Schönheit“ ein unbehelligtes Gespräch zwischen dem Moderator und der AfD-Chefin nahezu verunmöglicht. Doch niemand der Verantwortlichen reagierte darauf. Stattdessen stand sogar der Vorwurf im Raum, man habe das Krakeelen in der Tonregie nach oben reguliert, um die Worte der Co-Sprecherin der Alternative für Deutschland gänzlich in dumpfbackigen Parolen untergehen zu lassen. Für den Betrachter hatte sich das Bild eines stupiden Kindergartens ergeben, schafft es „unsere Demokratie“ nicht einmal über affigen Protest hinaus, sich in irgendeiner Argumentation mit den Blauen inhaltlich und sachlich zu befassen. Stattdessen bleibt man in der spätpubertären Phase des Gegröles stecken, fehlt es an Verstand und Substanz für jeden Meinungsaustausch.
Doch es war vor allem eine Bankrotterklärung meiner beruflichen Zunft, die noch einmal unmissverständlich unterstrichen hat, dass die weltanschaulichen Vorzeichen nicht nur im Berliner Hauptstadtstudio vollends auf links stehen. Wiederholt haben Umfragen unter den Kollegen ergeben, wie sehr man SPD und Grünen zugetan ist, um jeden Anspruch an Objektivität schon allein deshalb preiszugeben, weil man nicht etwa als bloßer Wähler und Mensch keine eigene Präferenz haben dürfte. Sondern man es kaum mehr unterlässt, diese Couleur in Berichterstattung und Kommentierung durchscheinen zu lassen. Stattdessen gilt es in der Branche en vogue, aus manch einer Parteizentrale hörig und gefügig Anweisungen entgegenzunehmen, welche Schlagzeilen in den Vordergrund gerückt werden sollen, um das etablierte System vor Widerrede und Kritik zu schützen.
Ich will als Journalist morgens noch guten Gewissens in den Spiegel schauen können!
Auch meine Erfahrungen aus der Vergangenheit sind ähnlich. Fast jeder Artikel wurde zu meiner aktiven Zeit von der Redaktionsleitung in einem überschaubaren Pressehaus nur dann abgenommen, kamen Regierung und die Mächtigen nicht allzu schlecht darin weg. Wie häufig wurden Sätze moniert, die jenen in die Parade gefahren sind, welche unser Land seit mindestens zwei Dekaden ruinieren. Mit der Freiheit, sich als sogenannte vierte Gewalt vor allem in der Opposition zu den Schaltstellen des Einflusses zu sehen, hatten die Beiträge am Ende wenig zu tun. Stattdessen wurden ganze Passagen relativiert, Zustände in unseren Breiten beschönigt. Und nicht zuletzt war es unter der Hand erstrebenswert, der Exekutive denn der Wahrheit gedient zu haben. Wie belastend war diese Situation des Anpassens, aus der ich mich nur in die Selbstständigkeit retten konnte.
Natürlich unterliegen wir in der Regel freien Arbeitsverhältnissen, stehen monetär in der Pflicht, über manche Gängelung und Zensur hinwegsehen zu müssen, um zum Anfang des Monats wieder Einkommen auf dem Konto zu haben. Doch wie sehr lässt man sich idealistisch verbiegen, wann ist die Grenze des Erträglichen erreicht, darf die Wirklichkeit nicht mehr gespiegelt, sondern muss sie in einen Kontext eingebettet werden, welcher beim Zuschauer den Eindruck hinterlässt, dass von Union bis Genossen eifrige Kümmerer am Werk sind, die das Beste für die Republik geben? Meine Entscheidung stand früh fest: Entweder opfere ich jene Tugenden, die den gesamten Charakter des Jobs ausmachen. Oder ich verzichte auf einen gewissen Wohlstand, kann aber am nächsten Morgen noch in den Spiegel schauen. Dass ich zu Letztgenanntem votierte, bereue ich bis heute nicht.