Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „AfD und Journalismus: Wie umgehen mit der Gefahr von rechts?“ (aus: DER SPIEGEL vom 17.07.2025)
Um den Journalismus in Deutschland ist es schlecht bestellt. Zwar fällt mir diese Aussage über meine eigene Branche nicht leicht, aber man kann zu keinem anderen Ergebnis kommen, führt man sich vor Augen, wie sehr er mittlerweile für politische Zwecke, für ideologische Indoktrination und für weltanschauliche Demagogie missbraucht wird. Trotzdem wäre es falsch, den Befund bei einem Pauschalurteil zu belassen. Schließlich stellt dieses einen unfairen wie gängelnden Schlag ins Gesicht aller Kollegen dar, die noch immer mit größtmöglicher Tugendhaftigkeit und einem immanenten Berufsethos ihren Job vollbringen, bleibt es bei Generalisierung ihres Tuns. Objektivität und Unabhängigkeit sind ein wesentliches Credo. Neutralität wird man kaum liefern können, gehören Kommentierung und Einordnung zwingend zu unseren Aufgaben, die an ausgewiesenen Stellen subjektive Nuancen zulassen, verfällt man nicht gänzlich der Einseitigkeit.
Doch in einer aufgeladenen Stimmung gilt Differenziertheit nicht einmal mehr als ein Ideal. Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich als Privatmensch der AfD zugewandt bin. Trotzdem erdreistete ich mich regelmäßig, über sie auch kritisch und reflektierend zu berichten, bin ich dabei nach meinem Verständnis jedoch fortwährend konstruktiv und wohlwollend geblieben, um meine Sichtweise als Anregung zu verstehen, manch eingefahrene Muster zu hinterfragen und verkrusteten Strukturen neuen Schwung zu verleihen. Denn sie ruht sich nach meinem Dafürhalten zu sehr auf dem Verschulden der Anderen aus, um inhaltlich einigermaßen blass zu bleiben, gehen die Forderungen nur selten über jene der Remigration hinaus. Dass ich mit diesem Vorwurf der monothematischen Fixierung bei manch einem Funktionär auf wenig Gegenliebe stoße, erfahre ich beispielsweise auf X immer wieder. Und offenbar sind meine Eindrücke nicht gänzlich aus der Luft geholt.
Die Arroganz der AfD gegenüber den Medien ist berechtigt, aber zu pauschal gehalten!
Immerhin tummeln sich genügend Vertreter der Alternative für Deutschland auf Elons Musks Spielwiese, um vornehmlich im eigenen Dunstkreis zu kommunizieren, aber nicht selten auch gegen Vertreter der Presse im Allgemeinen zu agitieren. Knapp einhundert Artikel habe ich bisher einzelnen Charakteren der Opposition gewidmet, um gerade einmal in einer Handvoll der Fälle irgendeine Antwort oder Rückmeldung zu erhalten. Obwohl ich deren Accounts beständig markiere, erweist man sich nicht nur als ignorant und undankbar, sondern in einer gewissen Hybris, die mit Bürgernähe und Bodenständigkeit keine Gemeinsamkeit hat. Man repostet oder zitiert Beiträge nur dann, entstammen sie dem individuellen Fanclub oder einem streng definierten Umfeld von Abgeordnetenkollegen. Wenn es um Medien geht, dann gibt es – nicht nur von den Co-Sprechern auf Bundesebene – warme Worte höchstens für den „Deutschland Kurier“ als einem entscheidenden Sprachrohr der Partei.
Daneben gilt die Presse offensichtlich als ein rotes Tuch, ohne Unterscheidung und flächendeckend. „Journalisten den Geldhahn zudrehen“, formulierte entsprechend grundsätzlich die AfD in Mecklenburg-Vorpommern in einer Veröffentlichung am 30. Oktober 2024 auf Facebook. Laut einer Studie des Instituts für Journalistik in Kooperation mit den Demoskopen von „Forsa“ halten ohnehin 93 Prozent an Sympathisanten der Blauen publizistische Arbeit für unglaubwürdig, wiederum ohne Abstufung und ausnahmslos. Der heutige Frontmann Tino Chrupalla hat zu Zeiten als Görlitzer Mandatar gleichsam uneingeschränkt 2019 artikuliert, dass „die Medien eine Spaltungs- und Zersetzungsstrategie“ fahren würden, die er damals mit einer schwarzen Liste jener Schreiberlinge goutieren wollte, die man ausgrenzen müsse – und mit denen man keine Interviews führen dürfe. Ein Schwarz-Weiß-Denken vom Allerfeinsten, wie es unpassender kaum sein kann.
Die AfD tut sich keinen Gefallen, geht sie im Generellen auf Distanz zur vierten Gewalt!
Für Aufsehen sorgte 2018 auch das sogenannte Kyffhäusertreffen, bei dem vermeintliche Muckraker als „Bazille“ und „dreckige Fotze“ beschimpft worden sein sollen. Ein weiterer Teilnehmer rief angeblich „Ihr Drecksschweine, wir kriegen euch“. Diese aggressive Atmosphäre gegenüber jenen unter uns, die sich zweifelsohne undemokratisch und gegen jegliche Prinzipien der vierten Gewalt richtend verhalten, bleibt natürlich nachvollziehbar, blickt man allein auf das ARD-Sommerinterview, bei dem der Sender keinerlei Anstalten machte, massive Störgeräusche von „Omas gegen rechts“ auszublenden, sondern sie im Zweifel durch die Tonregie sogar noch verstärkte. Es erscheint unbestritten, dass der Umgang einer Mehrheit meiner Zunft mit dem bis heute aus guten Gründen nicht verbotenen Wettbewerber auf dem politischen Tableau völlig inakzeptabel ist, weil es keine Argumente dafür gibt, ihn in einer freien Ordnung zu schikanieren und zu selektieren.
Trotzdem würde ich mir wünschen, dass wir auch in diesem Bereich zu etwas mehr Abstufung und Schattierung kommen, kann die universelle Delegitimierung von informativen Bezugsquellen auch nicht im Sinne der AfD selbst sein, würde sie damit sogar jenen Akteuren in die Parade fahren, die sich heutzutage unter dem Stichwort der „alternativen Medien“ zusammenfinden. Denn sie darf wahrlich einen gewissen Schub in ihrer öffentlichen Präsenz beanspruchen, erweist man sich in Professionalität und Routine auf Plattformen wie dem einstigen Twitter als einigermaßen unerfahren. Ohne fachkundige Multiplikatoren wird es nicht gelingen, ihre weiterhin zu kurz kommenden Inhalte zu transportieren, um gleichzeitig auch in Verbindung mit den Wählern zu bleiben, unter denen insbesondere die jüngere Generation schon längst keine „Tagesschau“ mehr konsumiert, sondern sich darauf verlässt, in der Virtualität mit Programmatik und Substanz versorgt zu werden.