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Das stille Austrocknen des unabhängigen Journalismus: Wie X die algorithmische Benachteiligung freier Medien zu fördern scheint!

Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Interview zum Einfluss von Meta, X und Co.: ‚Digitale Welt besetzt von Monopolisten'“ (aus: „ZDF heute“ vom 20.08.2025)

„Der Vogel ist frei!“ – Mit diesem Credo warb Elon Musk, als er den Kurznachrichtendienst Twitter übernahm. Große Ankündigungen zur Wiederherstellung der Meinungsfreiheit folgten, auf X sollten künftig unterschiedlichste Ansichten ohne Angst vor Rezension veröffentlicht werden können. Doch seit dem 27. Oktober 2022 entwickelt sich die Plattform offensichtlich nicht in jene Richtung, die der Tech-Milliardär versprochen hatte. Immer häufiger treten Vorwürfe zu Tage, sie lasse sich von der Europäischen Union vor den Karren spannen, sei mit Blick auf den sogenannten „Digital Services Act“ gehorsam, welcher erst seit diesem Sommer durch einen Zusatzkodex verschärft wurde, um die „Demonetarisierung“ von Inhalten voranzutreiben, die aus der Feder unabhängiger Medien stammen. Unter dem Vorwand, „Hassrede“ und „Desinformation“ unterbinden und „die Demokratie“ vor „bösen Mächten“ schützen zu wollen, erweist sich ein soziales Portal als Handlanger der mächtigen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, scheint man es insbesondere darauf abgesehen zu haben, alternative Journalisten mit ihrer wichtigen Arbeit zu bevormunden – und sie unter die Fittiche von Zensur, Manipulation und Regulierung zu nehmen.

Hat Elon Musk den alternativen Medien den Kampf angesagt?

Nicht nur ich selbst beobachte seit etwa einem Jahr eine massive Drosselung meiner Reichweite, wurde unter die für die Teilnahme an Ausschüttungen am sogenannten „Gestalterprogramm“ notwendige Marke von fünf Millionen Impressionen pro Quartal gedrückt. Zahlreiche Posts erlangen nur noch einen Bruchteil von Likes und Aufmerksamkeit, trotz 26.000 Followern stagnieren und sinken die Statistikwerte beharrlich weiter. Mit meinen Beobachtungen bin ich dabei nicht alleine. Bereits 2023 meldete der Account von Glenn Greenwald, einem investigativen Kollegen, dass seine Präsenz in der Timeline mit dem Zeitalter des einstigen Trump-Beraters für Entbürokratisierung an der Spitze des Unternehmens drastisch eingebrochen sei. Er sprach von einer „systematischen Unterdrückung“, um sich in dieser Einschätzung in einer Berichterstattung der „New York Times“ aus dem Dezember 2022 und Juni 2024 wiederzufinden. Ein dortiger Artikel war mit „Twitter’s War on Journalism“ überschrieben, kamen diverse Publizisten, unter anderem von „The Guardian“ und BBC, zu Wort. Sie beklagten einen „Rückgang der Reichweite um bis zu 80 Prozent“, monierten die Einstufung ihrer Beiträge und Links unter der plumpem wie desavouierenden Kategorie von „low-engagement“.

Deklarieren die Algorithmen Beiträge auf externen Websites als „Müll“?

In den Raum geworfen wurde auch, dass neu programmierte Algorithmen ziemlich intransparent und nahezu willkürlich Inhalte priorisieren, um anderen „Content“ hintanzustellen. Auf der konkurrierenden Website „Reddit“ machte in diesem Zusammenhang die Frage „Journalists getting shadowbanned?“ die Runde, der dortige Nutzer „journalist123“ kommentierte: „Seit Monaten sinkt meine Reichweite, ich linke zu meinem News-Blog, und X scheint es zu ignorieren – fühlt sich wie Schattenban an“. Diese Worte bekamen zahlreiche Unterstützung, schlossen sich weitere Erfahrungsberichte gleichen Ausmaßes an, in denen Screenshots von entsprechenden Analyse-Tools integriert waren, die einen plötzlichen „Drop“ des Verbreitungsradius verschiedenster Profile anzeigten. Offenbar erkennt die Künstliche Intelligenz im Hintergrund Verweise auf fremde Nachrichtenseiten als minderwertig an, versieht sie mit dem wenig rühmlichen Merkmal der „link spam detection“. So verzeichnete @indieblogger bei einem exemplarischen Thread, wie dieser von 10.000 auf 500 Wahrnehmungen fiel, erfassten die Mechanismen der Sortierung augenscheinlich zeitverzögert, dass es sich um einen Artikel auf einer externen, also den Fokus weglenkenden Webadresse handelte.

Droht der Plattform ein Exodus unabhängiger Publizisten und Medienvertreter?

Auch auf Mastodon und Bluesky finden sich Meldungen desselben Duktus. Ein deutscher Korrespondent formulierte: „Meine Artikel-Links zu meinem Blog werden kaum gesehen, seit X den Algo geändert hat – Reichweite halbiert in 3 Monaten“. Gleichzeitig kommt eine Studie der „University of Washington“ aus dem Mai 2024 zu dem Resultat, dass bei 1.000 untersuchten Accounts in 15 Prozent der Fälle eine „unsichtbare Deamplifikation“ stattfand. Diese Schmälerung der Wiedergabe von politischen Texten in den Timelines der weltweit etwa 368 Millionen User bringen die Experten mit einer „algorithmischen Voreingenommenheit gegenüber unabhängigen Medien“ in Verbindung. Auf „gutefrage.net“ ist derweil die Diskussion entbrannt, andernorts lesen sich Einlassungen wie „Als Freelance-Journalist poste ich seit 4 Monaten weniger Views, trotz gleicher Follower-Zahl – wahrscheinlich wegen der Links“. Zusammenfassend scheint ein Selbstexperiment der Redaktion von „DerStandard“ repräsentativ, das ergab, „dass manche Accounts in den Top-20-Postings zum gleichen Thema teilweise zweimal mit unterschiedlichen Postings auftauchen, was suggeriert, dass der Empfehlungsalgorithmus ihre Inhalte aus bestimmten Gründen präferiert“.