Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Umfrage: AfD bleibt vor Union – Linke überholt Grüne erstmals seit acht Jahren“ (aus: WELT vom 02.09.2025)
Kaum ist die politische Sommerpause zu Ende, flammt die Diskussion erneut darüber auf, welche weiteren Schritte die „Unsere Demokratie“-Bewegung unternehmen möchte, um die AfD nicht nur in den Hintergrund zu drängen, sondern am besten von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Aus den Augen, aus dem Sinn, so dürfte auch weiterhin das Credo lauten. Deshalb steht noch immer die Forderung nach einem Verbotsverfahren im Raum, obwohl mittlerweile die Mehrheit der Deutschen eindeutig dagegen scheint, die Partei durch Karlsruhe als verfassungswidrig einstufen zu lassen. Dass anderslautende Meinungen gerade aus Richtung jener Kräfte kommen, die in den aktuellen Umfragen weiterhin auf Tiefstwerten verharren, ist nicht wirklich überraschend. Schließlich wächst das Potenzial der Alternative für Deutschland weiter an, können sich theoretisch weit über 30 Prozent in der Gesellschaft vorstellen, bei der nächsten Wahl ihr Kreuz auf dem Stimmzettel bei Alice Weidel und Tino Chrupalla zu setzen. Beständig bleibt daneben auch der Anteil von etwa einem Viertel, der sich bezüglich dieser Entscheidung schon jetzt sicher ist.
Das Ende der Brandmauer kommt näher, wird ein CDU-Linke-Bündnis zur größeren Gefahr!
Damit konkurriert man ebenbürtig auf Augenhöhe mit der Union, um ihr im Zweifel das Leben schwer zu machen. Denn CDU und CSU könnten Opfer ihrer Brandmauermentalität werden, geht es in diesem Herbst um folgenreiche Entscheidungen mit enormer Tragweite im Parlament, bei denen man entweder auf „Die Linke“ oder den blauen Feind angewiesen ist. Gerade mit Blick auf die noch ausstehende Bestimmung von höchstinstanzlichen Richtern kommt man nicht ohne die Opposition aus. Insofern muss mindestens einer der bestehenden Unvereinbarkeitsbeschlüsse weichen, um sodann die Debatte unter Konservativen zu eröffnen, welches tatsächlich das kleinere Übel darstellt. Macht man sich mit der SED-Nachfolge gemein, um sich Heidi Reichinnek in die Arme und an den Hals zu werfen? Oder kehrt man zur Vernunft zurück, ideologisch und weltanschaulich schon allein aufgrund der eigenen Programmatik sehr viel mehr inhaltliche Schnittstellen mit einem geschundenen Widersacher zu erkennen, der nur deshalb als verpönt und anrüchig gilt, verlässt man sich auf zweifelhafte und unseriöse Gutachten des weisungsgebundenen Inlandsgeheimdienstes?
Aber nicht nur auf Bundesebene zeichnen sich spannende Wochen ab. Die anstehenden Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt im kommenden Jahr werfen ebenfalls ihre Schatten voraus. AfD-Spitzenkandidat Ulrich Siegmund tourt durch die Regionen, um sich an der Basis einer fulminanten Unterstützung sicher sein zu können. Auch außerhalb seiner Heimat begeistert er, machte Hamburg zu einem seiner Zwischenstopps. Gleichermaßen sind die Ambitionen keinesfalls illusorisch, der erste Ministerpräsident seiner Partei zu werden. Blickt man auf die jüngsten Erhebungen, so scheinen die erwartbaren Zuwächse derart gravierend, dass eine Mandatsmehrheit im Plenum nicht ausgeschlossen ist. Es könnten bereits gute 40 Prozent genügen, um eine Alleinregierung stellen zu können. Insbesondere die Mobilisierung dürfte den Gegnern Kopfzerbrechen bereiten, ist der 34-Jährige doch regelmäßig in der Lage, ganze Hallen und Plätze zu füllen. Mit einer routinierten Rhetorik und einem ausgeprägten Charisma trifft er die wunden Punkte dieser Republik, wenn er überzeugend für Remigration und Identität einsteht, sich aber vor allem auf Bürgernähe konzentriert.
Siegmunds Plus: Er spielt nicht die Karte der Opferrolle, sondern setzt auf Außenwirkung!
Einst als Vorsitzender des Sozialausschusses durch ein Kartell der Gegner abberufen, profitieren sein Team und der geborene Havelberger selbst von einem hilflosen Gebaren des aktuellen Amtsinhabers Reiner Haseloff, der mit Auswanderung droht, übernimmt der Herausforderer die Macht. Der bereits für die Nachfolge des Christdemokraten ins Rennen geschickte Sven Schulze bleibt gegenüber dem alternativen Wettbewerber einigermaßen farblos, fehlt es ihm an jeglicher Jugendlichkeit, Dynamik und Spirit. Und auch die Argumente sind relativ fadenscheinig wie profan, mühen sich die Regierenden an der Teilnahme Siegmunds beim sogenannten Geheimtreffen vermeintlicher Rechtsextremisten von Potsdam ab, die dem gelernten Groß- und Außenhandelskaufmann auch abseits der eigenen Anhängerschaft kaum noch jemand krumm nimmt, weil sogar gerichtlich bestätigt ist, dass es bei der Zusammenkunft nicht etwa um die „Deportation von Millionen Staatsbürgern“ ging, sondern allein über die strikte Rückführung von illegalen, kriminellen und nicht zum dauerhaften Aufenthalt befugten Flüchtlingen gesprochen wurde.
Und genau dieser Forderung schließen sich viele Menschen, nicht nur im Osten, heutzutage ohne Scham und ungeniert an, bleibt doch die massenhafte Zuwanderung eine Mutter vieler Herausforderungen und Probleme der Gegenwart. So sind es Aktionen wie jene in Köln, wo sich ein gutherziges Bündnis im Vorfeld der kommunalen Urnengänge darauf verständigt hat, das Thema Migration ausschließlich in einem positiven Kontext zu thematisieren, die als Rohrkrepierer taugen. Es ist das bewusste Tabuisieren von Missständen und Schieflagen, welches für wachsende Frustration sorgt, lassen sich die Kollateralschäden des Tabubruchs der Angela Merkel weder hinsichtlich des fulminanten Einsickerns sogenannter Schutzsuchender in unsere Sicherungssysteme noch der ansteigenden Kriminalität und Gewaltbereitschaft in Straßen oder Fußgängerzonen länger leugnen. Wer um das Toleranz-Paradoxon von Popper einen großen Bogen macht, darf sich nicht wundern, wenn ein Nutznießer und Trittbrettfahrer davon galoppiert, der selbst nicht viel Substanz liefern muss, um die Lorbeeren der Fehler von Anderen ernten zu können.