Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „‚Viele sind genervt‘ – Chef der Jungen Union kritisiert Merkels Wortmeldungen“ (aus: WELT vom 08.11.2025)
Wenn du eine Geschichte vortragen möchtest, dann ärgerst du dich über ständige Zwischenrufe. Da ist insbesondere der Nachwuchs der Union damit beschäftigt, nach 2015 eine neue Erzählung über die deutsche Leitkultur, die hiesige Staatsräson und den patriotischen Konservativismus zu schreiben – und wird fortlaufend von Angela Merkel unterbrochen, die sich mitteilen muss. Beharrlich bekennt sie sich zu ihrem Tabubruch der offenen Grenzen, fährt Friedrich Merz in die Parade. Sie gibt ungefragte Ratschläge, erweist sich nicht selten als Besserwisserin. Offenbar konnte sie sich nie richtig aus ihrem Amt verabschieden, besitzt trotz Eingeständnis des Ruhestands die Obsession, ihren Senf dazugeben zu müssen. Sie vermag die Tagespolitik nicht zu lassen, vertraut als „Mutti“ noch immer auf des Menschen Gehör. Doch der Überdruss scheint zu wachsen, von den Senioren aus den eigenen Reihen belehrt zu werden. Immerhin kann die CDU nur dann überleben, gesteht sie sich den gravierenden Fehler der Gesetzlosigkeit von vor zehn Jahren ein.
Wenn die CDU das Joch der Grenzöffnung ablegen will, muss sie Merkel ignorieren…
Wir befinden uns zwar in schnelllebigen Zeiten – und das kollektive Gedächtnis funktioniert nur noch partiell. Doch manche Untat gerät nie in Vergessenheit. Wie einige Teile der SPD Schröder noch immer die Agenda 2010 nachtragen, wird dessen Nachfolgerin das Joch nicht loswerden, unsere Kultur und Identität, die Sicherheit und Ordnung dieses Landes in eine fundamentale Krise gestürzt zu haben. Wer im Augenblick in den Versuch grätscht, sich von dieser Ära zu trennen, kann mit der Christdemokratie nur Schlechtes im Sinn haben. Denn ohne klare Kante und eindeutige Linie wird sie die AfD nicht stellen können. Das Hochhalten der Brandmauer, das Anschmiegen an die „Guten“ sind weitere Sargnägel für eine geschichtsträchtige Partei, die ihren Kompass auch dadurch verloren hat, dass sie die Verschiebung der Mitte zuließ. Die Deutungshoheit über den politischen Rahmen an Grüne und Linke herzuschenken, war mit der Preisgabe von sämtlichem Profil verbunden. Von der Bürgerlichkeit ist man weit entfernt, vom Prinzip der Rechtsstaatlichkeit ebenso.
Das Aufmerksamkeitsdefizit der Ex-Regierungschefin verhindert Merz‘ Befreiungsschlag…
Eigentlich wollte sie in ihrer Kartoffelsuppe rühren und Apfelkuchen backen, doch die ehemalige Regierungschefin kommt auch mit 71 Jahren nicht zur Ruhe. Sie sieht ihren angerichteten Schaden kaum ein, übernimmt Schuld lediglich platonisch. Sie würde heute alles wieder so machen, die Scheunentore abseits von tatsächlichen Flüchtlingen auch für jene weiten, die mit unserem Sozialsystem wenig Hehres im Sinn haben. Der Sündenfall ist eingetreten, das Kind in den Brunnen gefallen. Doch auch die Arbeiter, welche die Scherben zusammenkehren wollen, werden behelligt. Der erhobene Zeigefinger erweist sich seit jeher als Ausdruck von Anmaßung, man sollte sich eingestehen können, wann der Drops gelutscht ist. Zwanghaft in den Mittelpunkt zu drängen, weil Frau sich nach dem Rampenlicht sehnt, erschwert die Konsolidierung. Und so kann man gut nachvollziehen, wie authentisch der Mahnruf ist, sie gehe mittlerweile vielen auf die Nerven. Nur das Ignorieren kann helfen, denn ohne Resonanzraum wird die Motivation zum Einwand rasch schwinden.







