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Die Machtspiele in der AfD treten nach außen: Wie die verschiedenen Lager darum bemüht sind, die Berichterstatter der Presse für sich zu gewinnen!

Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Fall Esser: AfD-Spitze mischt sich in Streit im Landesverband NRW ein“ (aus: FAZ vom 06.11.2025)

Seit Monaten bereits erhalte ich viele Zuschriften aus der AfD, die mit Interna und Erfahrungsberichten gespickt sind, was vermeintlich in der Partei schiefläuft. Oftmals mit Klarnamen versehen, also bei näherer Recherche durchaus in ihrer Echtheit verifizierbar, erweisen sich die Absender vor allem in dem augenscheinlichen Ziel, nicht nur Missstände öffentlich zu machen, sondern auch die tiefe Lagerspaltung weiter anzutreiben. Da wird von den Machtkämpfen zwischen Vincentz und Helferich in Nordrhein-Westfalen gesprochen, aber auch von Unregelmäßigkeiten im niedersächsischen Landesverband. Begibt man sich auf die Suche nach authentischen Quellen, so wird man durchaus fündig. Denn die Redseligkeit von ehemaligen und aktuellen Mitgliedern ist teils erstaunlich. Doch die Frage bleibt: Wie geht man als Journalist mit derartigen Hinweisen um, selbst wenn man sie als integer einstuft?

Dass die Atmosphäre in Parteien harsch und kantig ist, stellt keine Ausnahme dar…

Man muss sich zunächst darüber im Klaren sein, dass es keine politische Kraft gibt, in der nicht Narzissmus und Selbstprofilierung dominieren. Wo es um Macht und Einfluss geht, kommen harte Bandagen zum Tragen. Da wird auch mit unlauteren Mitteln gespielt, das Zweckentfremden von Befugnissen dürfte dort an der Tagesordnung sein, wo sich Grüppchen bilden. Sie ringen um die Oberhand und Deutungshoheit, wollen auf ihre Seite ziehen. Es ist nicht meine Aufgabe, bestimmte Personen an den Pranger zu stellen. Und ich bin auch nicht befugt, mich von außen in Prozesse einzumischen. Wenn mir berichtet wird, dass Abgeordnete ihre schützende Hand über unfaire Abläufe halten oder Mitarbeiter beschäftigen, die sich möglicherweise strafrechtlich relevant verhalten haben, dann werde ich meine Rolle der vierten Gewalt nicht verlassen, um darüber zu urteilen. Es menschelt überall, das ist keine Neuigkeit.

Gleichermaßen sollte man sich von der Utopie befreien, die Alternative für Deutschland sei nur deshalb anders als das Establishment, weil sie es sich in den Namen schreibt. Dass sie für direktdemokratische Elemente in der Bundesrepublik einsteht, diese aber nicht einmal in ihren eigenen Reihen umzusetzen vermag, weil an manchen Stellen Wahlen durch Ernennung ersetzt und Günstlinge nahezu automatisch in Positionen gehoben werden, dürfte vielleicht ernüchtern. Doch man kann nur so tief fallen, wie man Zustände idealisiert hat. Es läuft bei den „Blauen“ nicht deshalb vorbildlicher, weil man sich vehement vom Kartell abgrenzt. Stattdessen wird das Ringen um Geltung und Autorität dort zum Regelfall, wo mit jeder Umfrage die Aussicht auf Sieg und Gewinn steigt. Jeder will etwas vom Kuchen des Erfolgs abhaben, da wird nahezu philanthropisch manch charakterliche Eignung geflissentlich über Bord geworfen.

Das Ziel des Durchstechens nach außen scheint klar: Journalisten auf eine Seite ziehen!

Rivalitäten und das Ausstechen von ideologischen Gegnern mögen für diejenigen fremd sein, die das raue Klima der Politik bislang nicht an ihrem Leib spüren mussten. Man kommt auf dem Boden der Tatsachen, in der Realität natürlicher Abgründe an, wird vor Augen geführt, dass zwischen den gemäßigten, liberalen und anpassungswilligen Flügeln sowie der völkisch-patriotischen Gesinnung Höckes diverse Welten liegen. Wahrlich geht es um einen Richtungsentscheid, ob man von einem programmatisch Kurs nur deshalb abweichen will, weil nur durch inhaltliche Milderung eine mögliche Koalition mit der CDU überhaupt in Reichweite rückt. Oder inwieweit es couragierter erscheint, bei Maximalforderungen zu bleiben, um diese im Zweifel auch populistisch ausschlachten zu können. Weshalb sollte es innerhalb von Parteien kein Schwarz-Weiß-Denken geben, ist es doch außerhalb davon längst zur Normalität geworden?

Die Gefahr besteht, dass Zerreißproben um Personal und Prestige, das Skandalisieren von möglichen Fehltritten Einzelner, irgendwann explosionsartig an die Oberfläche dringen, um innerhalb kürzester Zeit eine Vision zu zerstören, die man ohnehin nur bei Naivität aufrechterhalten konnte. Ganz praktisch gesehen ist die AfD nicht besser oder schlechter als ihre Konkurrenten. Da sind Missgunst und Argwohn unter platonischen Freunden nur das geringste Ausmaß von Kompanie und Obrigkeit. Trotzdem geht ein wesentlicher Aspekt von Glaubwürdigkeit mit dem Umgang hinter der Fassade einher. Wer seine angemahnten Tugenden und Prinzipien selbst nicht verkörpert, sondern Willkür statt Plebisziten lebt, könnte perspektivisch in die Bredouille geraten, packen diejenigen in geballtem Gemeinsinn aus, die mit ihren gewonnenen Eindrücken über unzweifelhafte Auswüchse den Leumund der Partei zu schädigen versuchen.