Meine Advents- und Weihnachtsbotschaft 2025
Es ist erneut soweit: Der Moment scheint gekommen, an dem sich vor vielen Türen in nah und fern die Postboten die Finger wundklingeln. Pakete trudeln ein, von Freunden als Ausdruck der Verbundenheit, von Unternehmen als bestellte Geschenke, vom Arbeitgeber als ein Präsent zum Bilanzabschluss, von den Kindern, Tanten, Onkeln, Nichten und Cousinen. Jedenfalls müssen die Versandhändler Extraschichten schieben, die Briefausträger zusätzlich kiloweise Kartons durch die vielen Hausflure schleppen. Alle Jahre wieder, so könnte man ziemlich stimmig kurz vor Weihnachten sagen.
„Ein Mann ist reich im Verhältnis zur Zahl der Dinge, auf die er verzichten kann“, sagte bereits der amerikanische Schriftsteller und Philosoph Henry David Thoreau. Was lyrisch ausgedrückt nichts Anderes als den Überfluss unserer modernen Gesellschaft brandmarkt, erweist sich als Ausweis für viele Wohnzimmer, Keller, Küchen und Abstellkammern der Nation. Was liegt dort an Gerümpel, das wir eigentlich nie brauchten, aber es zur Sicherheit doch angeschafft haben, für alle Fälle eben. Aber auch die Strümpfe von Opa Rudolf und der Toaster von Oma Klara finden sich hinten in der Ecke, vom letzten Geburtstag, von Ostern vor einer halben Ewigkeit.
Maria und Josef mussten mit dem auskommen, was übrig geblieben ist…
An Heiligabend wird uns die alte Geschichte von Maria und Josef in Erinnerung gerufen. Eigentlich besagt sie in ihrer ursprünglichen Version aus dem Lukasevangelium lediglich, wonach die werdende Mutter bald ein Kind gebären sollte, in einer Krippe in einem Stall, denn in der Herberge war schlicht alles belegt. Von einem wilden Umherziehen von Haus zu Haus ist dort noch keine Rede. Diese Erzählung wurde über die Jahrhunderte ausgeschmückt und in zahlreichen Gottesdiensten erweitert. Von einer Pilgerwanderung durch Bethlehem war in der Folge die Rede. Was sich wirklich zugetragen hat, kann heute niemand mehr sagen. Doch das ist auch Nebensache.
Denn nicht die Details machen den Kern aus, sondern es geht um die Botschaft dessen, was auch Menschen ohne christlichen Glauben für sich als Gedanken zum Christfest mit auf die Reise nehmen dürfen. Paul Gerhardt dichtete in seinem eigentlich zum Frühsommer passenden Lied „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“ die Strophe 14 mit den Worten: „Mach in mir deinem Geiste Raum, dass ich dir werd ein guter Baum, und lass mich Wurzel treiben“. Doch die Brücke zur dunklen, finsteren Zeit schlägt Friedrich Layriz 1844 mit seinem „Es ist ein Ros entsprungen“, denn sie kam von „Jesse Art“ […] „Und hat ein Blümlein bracht, mitten im kalten Winter, wohl zu der halben Nacht“. Und schon ist es plötzlich Advent, wir finden uns im Dezember wieder.
Wo ist der Stall in meinem Alltag, wo hat die Krippe in unserem Leben noch Platz?
In Ungeduld sehen wir also der Ankunft des Herrn entgegen, blicken erwartungsvoll auf das Firmament, welches uns die frohe Kunde verheißen soll. Und müssen in dieser ohnehin von Unrast geprägten Gegenwart auch logistische Meisterleistungen für all die neuen Anschaffungen zeigen. Wo ist noch eine leere Stelle, wo kann ich in meiner eigenen Wohnung, aber auch in meiner persönlichen Biografie, in meiner belasteten Seele und in dem täglichen Wahnsinn aus Termindruck, Schreckensnachrichten und Erwartungshaltung eine Nische für den Augenblick an Stille freimachen, die nach der Hektik oftmals erst „zwischen den Jahren“ so wirklich bei uns Einzug hält?
Wir pferchen nicht selten während elfeinhalb Monaten allen Ballast in eine Ecke, in den Schuppen, die Dachschräge, in den Keller, auf den Speicher, einfach beiseite. Erst beim Suchen und Kramen tritt nach vorne, was wir völlig außer Acht gelassen haben. Dann fällt uns ein: Da war doch noch etwas! Und plötzlich holen wir Schätze aus dem Dunkeln, die eigentlich längst zu verkümmern, wenn nicht gar in Vergessenheit zu geraten drohten. Das Kind in der Krippe erinnert uns an dieses Wiedergefundene, dem wir nun die würdige Aufmerksamkeit zukommen lassen sollen. Möglicherweise muss das weichen, was bisher unnötig viel an Rampenlicht genoss, damit Frisches sprießt.
Das Zusammenrücken erzeugt menschliche Wärme und Verständnis füreinander!
Dort, wo es eng geworden ist, wo Mutter und Vater für eine Geburt zusammenrückten, weil das Neugeborene nahte, da werden auch wir zum Fokussieren gezwungen. Leistungen, Erfolge, Beförderungen, Siege, aber auch Verluste, Ängste, Nöte und Schmerz werden unter der Lupe des Lebens kleiner. Sie passen in Winkel, Senken, Kuhlen. Überdauert von der Gewissheit, dass auch wir in diese Welt gesetzt worden sind, wachsen und gedeihen zu können. Nicht immer ohne Sorgen, oftmals mit Leiden. Dieser Retter zwischen Heu und Stroh ging ebenfalls den Kreuzgang der Marter. Misstraute Gott für ein paar Sekunden, fragte und flehte, gefühlt, wie eine Ewigkeit.
Doch es nahm ein gutes Ende. Am Anfang stand die Niederkunft, die Heerscharen jubeln und jauchzen ließ. Überhaupt wanderte er dem Ziel einer Vollendung entgegen. Zeitweise eine Dornenkrone tragend, dann aber auch wieder Wunder vollbringend. Hügel und Täler, die Sonnenseite und der Schatten. Geschrieben wie ein Buch. Vollbepackte Seiten mit Inhalt, doch nicht wenige Blätter sind bei jedem noch frei. Unbeschrieben, da scheint Luft nach oben – und wohlweislich eben auch nach unten. Trotzdem: Da ist Platz. Da sind weiße Flecken. Mögen sie schmal sein und unauffällig. Lassen wir deshalb den Stern darauf strahlen. Er weist auch 2026 unseren Weg.
Frohe und gesegnete Weihnachten, alles Gute für das neue Jahr!
Konstanz, im Dezember 2025 Dennis Riehle







