Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Satzung geändert: Lebensretter wollen keine AfD-Mitglieder“ (aus: „Stuttgarter Zeitung“ vom 12.12.2025)
Wer am württembergischen Ufer des Bodensees künftig in Not gerät, kann sich sicher sein, nicht von einem Mitglied der AfD gerettet zu werden. Die DLRG hat im dortigen Landesverband eine entsprechende Satzungsänderung vorgenommen, Personen auszuschließen, die sich aktiv für die Alternative für Deutschland einbringen. Gilt im Zweifel also, lieber zu ertrinken, als vom politisch „Falschen“ reanimiert zu werden? An welchem Punkt in unserer Geschichte sind wir angelangt, mit einer solch zutiefst menschenunwürdigen und unethischen Gesinnung Ausgrenzung und Spaltung der Öffentlichkeit voranzutreiben? Die sogenannte Zivilgesellschaft war es bedauerlicherweise auch in der Vergangenheit, welche nicht selten dazu beigetragen hat, die Polarisierung durch ein Bekenntnis zu den Autoritären tatkräftig zu unterstützen. Da wird es ohnehin schwierig, engagierte Bürger für das Ehrenamt zu gewinnen, doch Korrektheit scheint über Gemeinnützigkeit zu stehen, winkt die Aussicht auf „Wir gegen die“.
Die Verbannung nicht genehmer Gesinnungen ist in Vereinen längst Normalität geworden…
Auch das Kolpingwerk hatte bereits einen ähnlichen Unvereinbarkeitsbeschluss gefasst, Gewerkschaften wie „ver.di“ und DGB-nahe Verbände diskutieren, dass Positionen der „Blauen“ nicht mit den eigenen Werten vereinbar seien. In den Diözesen Berlin und Würzburg können Personen vom Pfarrgemeinderat entfernt werden, gehören sie der unliebsamen Opposition an. In manch einem lokalen Sportclub geht man bei der Neuaufnahme vergleichbar vor, verwehrt sie jenen, die „beobachteten Parteien“ zusprechen. Grundsätzlich steht den Institutionen offen, sich vor „extremistischen“ Einflüssen zu schützen. Allerdings muss hierbei stets die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. Auch ich kann berichten, nach über 20 Jahren unentgeltlichem Wirken in der Selbsthilfe gleich von mehreren Organisationen direkt oder mittelbar vor die Tür gesetzt worden zu sein, wurde ich bei den jeweiligen Vorständen gemeldet, zum Rapport gebeten und nach dem hehren Akt der Denunzierung hinausgeworfen.
Status und Tugend durch das Abwerten von Dritten: Wie erbärmlich, dieses Gutmenschentum!
Zu Schulden kommen ließ ich mir nichts, habe In- und Ausländer gleichermaßen beraten, begleitet und betreut. Beschwerden gab es zu keinem Moment, es ging allein um die Weltanschauung. Einzelfallentscheidungen scheint man bewusst zu schmähen, bewegt sich mit Pauschalität aber juristisch auf dünnem Eis. Das Psychogramm hinter diesem Verhalten, sich im Gehorsam der Zeitgeistigkeit einer Welle von Konformität, also der Tendenz eines Individuums oder Kollektivs, Einstellungen, Überzeugungen und Handlungsweisen an jene einer normativen Gruppe entsprechend untertänig anzupassen, um Akzeptanz zu gewinnen oder Konflikte zu vermeiden, kann als fanatische Ausformung der Hybris bezeichnet werden. Man sieht es als gerechtfertigte Strafe an, durch Stereotypen und Attributionen das Selbstwertgefühl zu steigern, indem man den Anderen abwertet, vorführt und in eine Ecke stellt. Entsprechend dürfte man objektiv attestieren, dass derartige Muster von Schwachheit zeugen.
Konformitätsdruck par excellence: Nur im Pott der „Guten“ fühlt man sich stark und mächtig…
Ursprünglich war der adaptive Prozess zur Abwendung von Gefahren gedacht, heute muss er als dysfunktional gelten, hat sich das repressive Gängeln vorrangig zu einem Instrument des Machterhalts entwickelt. Man wähnt sich auf der richtigen Seite, streichelt seine Seele mit dem Gefühl, dem „Besseren“ verpflichtet zu sein. Im Resultat entsteht das klassische Freund-Feind-Bild, ein eigentlich doch so verpöntes Schwarz-Weiß-Denken auf Basis von Ressentiments und Vorurteilen. Identität wird nur noch dadurch gestiftet, das Gegenüber in eine Schublade zu stecken, die Illusion einer moralischen Überlegenheit, sich auf der Suche nach Status und Reputation in eine entlarvende Tugendhaftigkeit zu begeben, kann innere Unsicherheiten kaschieren. Das Schaffen eines „zulässigen“ Meinungsraums, dessen Grenzen durch Empörung erzwungen werden, ist Prädikat einer zynischen Deutungselite, in der demokratische Reflexion unmöglich wird. Ein bedenklicher Weg, den es eigentlich „nie weder“ geben sollte.







