Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Neue Studie: Hälfte der Bürgergeld-Empfänger sucht keinen Job“ (aus: BILD-Zeitung vom 04.12.2025)
Laut Sozialgesetzbuch II dient das „Bürgergeld“ als Grundsicherung für Arbeitssuchende, denen durch Beratung, Vermittlung und Eingliederungsmaßnahmen der Weg zurück in die Teilhabe geebnet werden soll. Es ist ausdrücklich an eine Zielgruppe gerichtet, der man neben einem Fördern auch das Fordern abverlangen kann. Dennoch erweist sich laut aktueller Studie der Bertelsmann-Stiftung, die etwa 1.000 Transferleistungsbezieher im Alter von 25 bis 50 Jahren befragte, dass 57 Prozent im Zeitraum von vier Wochen vor der Erhebung keine eigeninitiative Jobsuche betrieben haben. Als Gründe dafür wurden chronische Erkrankungen, ein Fehlen an passenden Stellen oder Pflege- und Betreuungsaufgaben angegeben. Gleichzeitig brachte die Befragung auch zutage, dass 43 Prozent noch nie ein adäquates Angebot von der zuständigen Behörde erhalten haben. Gleichzeitig investieren nur 26 Prozent der Teilnehmer mehr als neun Stunden pro Woche in das Recherchieren eines geeigneten Wiedereinstiegs in den Beruf.
Sowohl in der Arbeitsvermittlung wie auch in der Motivierung muss sich viel ändern…
Dass die Langzeitbezieher nicht selten legitime Gründe haben, die sie in ihrer Aktivität hemmen, wird man kritisch eingestehen müssen. Trotzdem bleibt ein fader Beigeschmack – und die Außenwirkung für die Gesellschaft, dass sich möglicherweise manch einen Betroffener in seiner Situation der finanziellen Dauerberieselung häuslich eingerichtet hat. Die Jobcenter sind bei vorübergehender Arbeitsunfähigkeit, beispielsweise nachgewiesen durch eine Krankschreibung, insbesondere aber im Fall von längerfristigem Ausfall, dazu befugt und angehalten, die Erwerbsfähigkeit durch substantielle ärztliche Attests oder den Medizinischen Dienst eingehend überprüfen zu lassen. Sollte sich hierbei ergeben, dass auf absehbare Zeit nicht mehr als drei Stunden täglich wirtschaftlich verwertbare Arbeit erbracht werden kann, wird angeraten, fairerweise in das System der Erwerbsminderung oder der Sozialhilfe zu wechseln. Denn in solchen Konstellationen ist allen Seiten geholfen, ehrlich zueinander zu sein, statt weiter von einer „Überbrückung“ zu sprechen.
Es gibt Gründe, warum man keinen Job suchen kann – aber sie sollten die Ausnahme sein!
Letztlich muss man attestieren, dass ein nicht unerheblicher Teil der Personen, die auf perspektivische Sicht das frühere „Hartz IV“ beziehen, prinzipiell in der Lage wären, zumindest einer Teilzeitbeschäftigung nachzugehen. Der Bundesrechnungshof hatte bereits gerügt, dass Sanktionen bei Totalverweigerern nicht konsequent genutzt werden – oder erkennbar wirkungslos bleiben. Immerhin könnten Kürzungen hingenommen werden, weil das soziokulturelle Existenzminimum ohnehin gewährleistet werde. Auch wenn verfassungsgerichtlich verneint, läuft der Zustand auf ein bedingungsloses Grundeinkommen hinaus, muss der Staat eine Mindestabsicherung sogar dann zur Verfügung stellen, wenn es zu wiederholten Verstößen gegen die eigentlich verbindliche Mitwirkungspflicht kommt. Insbesondere der hohe Bürokratieaufwand und Ressourcenmangel behindern Weiterbildung und Integration. Gleichzeitig grassiert ein hohes Missbrauchspotenzial unter speziellen Gruppen an EU-Bürgern und nicht-deutschen Leistungsempfängern.
Förderung für die Bedürftigen, Sanktionierung für die Bequemlichen!
Das System verleitet zu Passivität und Abhängigkeit, neben konsequenteren Strafen brauche es bessere Anreize wie Zuverdienstregeln und gezielte Unterstützung für gesundheitlich Beeinträchtigte, so lautet die Botschaft an die Politik. Denn der Ermessensspielraum ist durchaus gegeben, hat auch Karlsruhe eine vollständige Streichung der Alimentierung als rechtmäßig erklärt, sollte ein konkret auf dem Tisch liegendes Jobangebot wiederholt und ohne Angabe von Gründen ausgeschlagen werden. Bislang macht man von dieser Befugnis allerdings kaum Gebrauch, fürchten die zuständigen Mitarbeiter in der Arbeitsvermittlung Repression und Aggression durch ihre Kunden. Eine härtere Gangart scheint angesichts dessen trotzdem unausweichlich, die Rücksicht nimmt auf persönliche Lebensumstände einerseits, auf die strukturelle Zweckentfremdung der Mittel andererseits. Denn auch der Steuerzahler hat einen Anspruch darauf, dass Solidarität keine Einbahnstraße ist, sondern für seine Fürsorge eine angemessene Gegenleistung erwartet werden kann.







