Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Netanjahu übt scharfe Kritik am Kurswechsel der Bundesregierung gegenüber Israel“ (aus: RND vom 08.08.2025)
Bundeskanzler Friedrich Merz hat nach Beratungen mit seinem Sicherheitskabinett entschieden, die Lieferung von Waffen an Israel zu stoppen, welche im Gaza-Krieg für das nunmehr durch Netanjahu offiziell ausgegebene Ziel genutzt werden könnten, den Küstenstreifen vollständig kontrollieren zu wollen. Die Anwürfe gegen den CDU-Politiker sind aufgrund dieses vor allem symbolisch wirkenden Aktes heftig. Die Junge Union kritisiert das Vorgehen scharf, der Zentralrat wirft Deutschland sogar vor, mit einem solchen Schritt die Existenz des so eng verbundenen Partners aufs Spiel zu setzen. Zweifelsohne müssen die Einflüsse groß sein, denen man sich in Berlin ausgesetzt sieht. Da prasseln auf der einen Seite Meldungen und Fotos über hungernde Menschen auf die Koalitionäre ein. Gleichsam hat man die Staatsräson im Hinterkopf, die immer wieder neu dazu ermahnt, jene nicht im Stich zu lassen, die auch im Nahen Osten für westliche Werte kämpfen. Denn auch wenn unsere Freiheit weder am Hindukusch noch im Donbass oder am Sinai verteidigt wird, bleibt stets eine Mahnung.
Ursache und Wirkung dürfen in diesem Krieg nie verwechselt werden!
Die bisherige Taktik ist nicht aufgegangen, landen humanitäre Hilfslieferungen augenscheinlich wiederkehrend in den Händen der Hamas, um gar nicht erst bei denen anzukommen, für die sie eigentlich gedacht waren. Weiterhin sind in den Händen der Terroristen auch Geiseln mit hiesigen Wurzeln gefangen, deren Befreiung oberste Priorität haben sollte, muss man sich den Ausgangspunkt der momentanen Eskalation bei aller Dramatik um die Leiden der Palästinenser vor Augen führen, welcher im Überfall vom 7. Oktober 2023 mit 1.182 Todesopfern als größtem Massenmord an der Bevölkerung im Heiligen Land seit dem Holocaust zu suchen ist. Was sich zunächst als dschihadistischer Antisemitismus offenbart, entpuppt sich als stellvertretender Hass auf Andersgläubige im Gesamten, werden auch wir auf unseren Straßen immer öfter Zeugen von islamistisch motivierter Gewalt. Insofern ist der Einwand berechtigt, dass es um etwas Größeres geht als einen regionalen Konflikt, in dem mittlerweile eine aufgeladene wie manipulierende Propagandaschlacht um die Darstellung der Wahrheit tobt.
Emotionalität sollte dem Kampf gegen den Islamismus nicht die Grundlage entziehen!
Zwar bestätigen Beobachtungen der Vereinten Nationen, der EU und von Oxfam eine strukturelle Unterernährung unter denjenigen, die momentan als ausgemergelte Opfer bildlich um den halben Globus getragen werden. Doch Authentizität muss damit nicht verbunden sein, gibt es tragfähige Hinweise darauf, dass die Extremisten von einer schweren Muskelerkrankung betroffene Kinder als Objekt der Inszenierung gegenüber der Weltöffentlichkeit instrumentalisieren, hatten sie bislang auch nicht davor zurückgeschreckt, die eigenen Leute als Schutzschilde für ihre Infrastruktur zu missbrauchen. Gleichzeitig darf uns nicht allein die Historie um den Nationalsozialismus leiten, wenn wir in einer Abwägung befinden wollen, auf welcher Seite wir nun stehen. Es kann keinen Persilschein geben, aufgrund der Geschichte im Zweifel auch das Völkerrecht zu brechen, ist man möglicherweise dazu übergegangen, beim sich Wehren Maß und Mitte verloren zu haben. Doch ab wann steht eine Reaktion nicht mehr im Verhältnis, lässt sich Schuld allein an Opferzahlen bewerten?
Die Differenzierung zwischen Zivilisten und Terroristen fällt in Gaza sichtlich schwer!
Das Zeugnis eines Genozids fällt schwer, dürfen die Rollen in einem Ursache-Wirkungs-Komplex nicht vertauscht werden. Trotzdem sind wir dazu angehalten, zwischen den Attentätern auf der einen und dem normalen Bürger auf der anderen Seite zu unterscheiden, wenngleich die Grenzen fließend sind, distanzieren sich viele Zivilisten nicht von den Machenschaften eines Regimes, welches in barbarischer Weise auch weiterhin das Ziel verfolgt, die sogenannten „Zionisten“ auszulöschen. Gleichzeitig braucht es von uns aus gesehen einen weitreichenden Blick auf die Konsequenzen, lässt man eine Armee weiterhin gewähren, die mit ihrem Vorrücken bis nach Rafah und in die Hauptstadt Flüchtlingswellen auslösen dürfte, von der auch Europa nicht verschont bleiben wird. Daher braucht es vehementen Einsatz dafür, punktgenaue Unterstützung für die tatsächlich Bedürftigen vor Ort zu leisten, um im selben Atemzug den Sumpf der Tyrannei auszutrocknen. Wir sind der Elefant im Porzellanladen – und können im Spannungsfeld der Verantwortung nie allen gerecht werden.