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Wie war das nun mit dem Faschismus? Eine müßige Diskussion über das „linke“ Etikett, das Mussolini auf seinem Weg nach rechts zurückließ…

Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „AfD-Politiker liest Parteifreunden die Leviten: ‚Kirk-Attentäter war kein Faschist'“ (aus: „Freilich Magazin“ vom 17.09.2025)

Was wäre die heutige Zeit ohne das inflationär in jede Kamera geprustete Vokabular der „Nazis“? „Omas gegen rechts“ hätten keine Wortgewalt mehr, mit der sie der AfD eine Nähe zu geschichtsträchtigen zwölf Jahren unterstellen könnten. Der SPD mangelte es an Kraftausdrücken, um Alice Weidel auf eine Stufe mit Joseph Goebbels zu stellen. Und Nichtregierungsorganisationen müssten auf deutlich kleinere Brötchen zurückgreifen, wenn sie ihre Missgunst gegenüber einer Partei zum Ausdruck bringen wollen, die selbst mit manch einer Begrifflichkeit hadert. Jüngst geschehen im Zusammenhang mit dem Mord an Aktivist Charlie Kirk. So bezeichneten die Landtagsabgeordneten Georg Ferdinand Wiedeburg und Daniel Wald den amerikanischen Podcaster und Influencer als „Opfer des Faschismus“. Dieser Einordnung widersprach der brandenburgische Kollege Dominik Kaufner, qualifiziert und ausgebildet als promovierter Geschichtslehrer, auf der Plattform X reflexartig. In einer bestimmten, deutlichen und klaren Replik wollte er diese Aussage nicht ohne Einwand stehen lassen.

Der frühere und der spätere Mussolini waren zwei konträre Wesen, die für Verwirrung sorgen!

Und er hat mit dieser Intervention ausdrücklich richtig gelegen. Einerseits hilft es uns heutzutage kaum noch, mit markigen Silben Zusammenhänge zur Historie zu knüpfen, ist die Gegenwart mit damals schon allein deshalb nicht vergleichbar, weil die Ausgangslage der Weimarer Republik, die Verfassung der Gesellschaft, die kollektiven Wunden des Ersten Weltkrieges und die wirtschaftliche Situation keinerlei Parallelitäten aufweisen. Lediglich die immer deutlicher werdende Einschränkung der Meinungsfreiheit, das potente Vorgehen der Mächtigen gegenüber der kritischen Opposition, das Verächtlichmachen des Andersglaubenden und das Ausgrenzen von Wettbewerbern durch Wahlausschüsse oder Gerichte scheinen sich zu ähneln. Doch sie sind keine Alleinstellungsmerkmale für 1933, sondern viel eher klassische Eigenschaften für jede Despotie. Wer auf Teufel komm raus einen Kontext zu den dunkelsten Kapiteln unserer Vergangenheit herbeiführen will, tut dies 2025 vor allem deshalb, weil Argumente fehlen, aber keine Notwendigkeit für Gegenüberstellung besteht.

Blickt man auf den Wortursprung „fascio“, landet man etymologisch bei einem „Rutenbündel“, welches wiederum als Machtsymbol während des Imperium Romanum galt. Übernommen als Erkennungszeichen der geografrisch dort entsprungenen Arbeiterbewegung im vorvorletzten Jahrhundert, die ihrerseits mit nationalistischen Wesenszügen für Revolution und Zusammenhalt der verschiedenen Genossenschaften auf Sizilien wie andernorts warb, zweckentfremdete Autokrat und Tyrann Mussolini das Banner für seine „Kampfbünde“. Während sich der Sozialismus im Rest der Welt auch rhetorisch zu seinen kommunistischen Wurzeln bekannte, vermied er dies – möglicherweise in weiser Voraussicht – in großen Teilen Europas, um bis heute für Verwirrung zu sorgen. Ist der derzeit von der Autonomen Szene häufig als „Fascho“ bezeichnete Gegner nun also links oder rechts? Für eine klare Unterscheidung und Abgrenzung zur NS-Barbarei sprachen sich unter anderem die französische Psychoanalytikerin Janine Chasseguet-Smirgel und der deutsche Wissenschaftler Samuel Salzborn aus.

Wer Nationalsozialismus meint, sollte dessen Barbarei nicht mit Faschismus beschönigen!

Beide befürchteten, dass die Rassenideologie des Holocausts beim Begriff „Faschismus“ unter die Räder gerät. Zwar gibt es eindeutige Überschneidungen, beispielsweise im imperialistischen Expansionsbestreben. Doch was wollte der frühere „Duce“ des Königreichs Italien wirklich, der sich als „Chef der Regierung“ verstand, seine Karriere allerdings bei der progressiven Presse „Avanti!“ begann? Waren seine Wahnideen tatsächlich ähnlich zu denen Hitlers? Hat er nachweislich eine Wende nach rechts vollzogen? Und was hatten seine Spätjahre mit den Ursprüngen einer missbrauchten Denke zu tun? War es nicht eher ein Charakter, der sich wandelte, aber die von ihm für seine Zwecke der Potenz instrumentalisierte Anschauung auf dem Weg zu Darwinismus, Autoritarismus und Syndikalismus zurückließ, um am Ende eine Propaganda zu verkörpern, die nur noch das Etikett von einst trug? Zwischen „Dafür war und bin ich Sozialist“ sowie „Unser Programm ist es, die Köpfe der Sozialisten zu zerschlagen“, beide geäußert vom gleichen Mann, liegen schließlich Welten.

Findet nicht aktuell gerade deshalb die Vermengung einer anfänglichen Theorie mit einer späteren Gesinnung statt, die zwar kaum mehr etwas miteinander gemein haben, mit denen aber leichter die Moralkeule geschwungen werden kann, weil wir nicht ohne Klassifizierung auskommen? Blickt man auf die Ausgangsfrage zurück, so hat ein konservativer wie republikanischer Verfechter, der als Märtyrer für die unbehelligte Rede an einer Universität in Utah den Gewehrsalven des offenbar in queerer Regenbogenmentalität verfangenen Schützen erlag, so gar keine Äquivalenz zu dem, was man sich momentan unter einem „Linken“ vorstellen würde. Und nur als solchen kann man ihn auffassen, folgt man der Logik all jener, die ihn zum Leidtragenden eines als Transextremisten zu definierenden Tylor R. erklären wollen. Wir kommen mit Kategorien aus dem Gestern nicht weiter, wollen wir benennen und formulieren, was sich kontemporär an gefährlicher Lagerbildung diesseits wie jenseits des Atlantiks auftut. Denn Schwarz-Weiß ist keine Tugend, sondern ein schlichtes Armutszeugnis.