Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Von der Leyen stellt sich hinter Pläne für Altersgrenze für Online-Netzwerke“ (aus: „stern“ vom 25.09.2025)
Einigermaßen unberücksichtigt von der medialen Öffentlichkeit, hat die EU-Kommission eine schwere Schlappe erlitten. Sie stand seit langem für ihren sogenannten „Digital Services Act“ in der Kritik, der laut Selbstauskunft zur Regulierung von Diensten und Plattformen im Internet dienen soll, um sichere, transparente und faire Regeln zu schaffen. Soziale Medien und Marktplätze konnten dadurch gezwungen werden, gegen sogenannte „illegale Inhalte“ wie die willkürlich umrissene „Hassrede“ vorzugehen. Der Vorwurf von diktierter Zensur stand nachvollziehbar und verständlich im Raum, auf Basis des Erlasses konnten staatliche Behörden und Nichtregierungsorganisationen einigermaßen beliebig gegen vermeintliche „Desinformation“ handeln, was im Zweifel auch das Tilgen von unliebsamer Meinung umfasste. Auf Twitter (X) oder Facebook kam es in der Folge zu immer neuen Beschwerden darüber, dass Veröffentlichungen gelöscht oder in ihrer Reichweite herabgesetzt wurden. Zumindest waren subjektive Anhaltspunkte gegeben, dass – auf Geheiß Brüssels – die unbehelligte Rede beschnitten wird.
Ein Armutszeugnis für die Kommission, die möglicherweise bewusst fahrlässig arbeitet!
Wie fadenscheinig Ursula von der Leyen hierbei augenscheinlich vorgeht, lässt sich an einem verkündeten Urteil des Europäischen Gerichtshofs ablesen. Auf Klage des „Tik Tok“-Konzerns entschied die erste erweiterte Kammer am 10. September 2025, dass die gegen das Unternehmen festgesetzte Gebühr, mit welcher der EU jene Kosten erstattet werden sollen, die ihr für die im Gesetzesakt festgelegten Aufsichtsaufgaben entstehen, nichtig ist. Ein markanter Satz aus der Begründung der Roben in Luxemburg lautet: Es „ist festzustellen, dass, da keine Bestimmung des DSA oder der Delegierten Verordnung 2023/1127 eine Ermächtigung der Kommission vorsieht, die Methodik und die Verfahren, die in Art. 43 Abs. 4 DSA genannt werden, durch einen Durchführungsrechtsakt zu ergänzen oder zu konkretisieren, der Umstand, dass dem angefochtenen Beschluss die gemeinsame Methodik beigefügt wurde, auch jeder Rechtsgrundlage entbehrt“. Hat man also im völlig luftleeren Raum agiert, als Bürokraten des Beamtenapparates Verordnungen und Normierungen wahllos in ihre Schreibmaschinen tippten?
Es mangelt an Kriterien, Definitionen und Rechtsgrundlagen, was den DSA kippen könnte!
Insbesondere bemängeln die Juristen, dass zu wenig „präzisiert und dadurch konkretisiert“ wurde, als man sich in der Formel zur Berechnung der Höhe entsprechender Abgaben „darauf beschränkt [hat], allgemein drei Informationsquellen anzugeben“, statt einen „Begriff“ zu „definieren“, „der im gesamten DSA einheitlich und kohärent zu verstehen ist“. All diese Vokabeln lassen auf „Schlamperei“ schließen. Möglicherweise ist es aber auch Absicht, Paragrafen derart schwammig zu formulieren, dass man im Zweifel darauf vertrauen kann, die eigene Interpretation als verbindlich erklären zu können. Doch dieses Manöver ist krachend gescheitert. Und es wirft ein grelles Licht auf das Gutdünken in der belgischen Hauptstadt, darf man eine Manier von Lust und Laune nicht durchgehen lassen. Viel zu oft entstand bereits der Eindruck, ein längst nicht mehr gemeinsamen Werten und Interessen dienendes Machtkonstrukt habe ein klüngelhaftes Innenleben entwickelt. Und wie sich zeigt, scheint dabei die SMS-Affäre um Impfstoff-Deals nur eines von sich mehrenden Beispielen einer schlichten wie dreisten Ruchlosigkeit.