Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Wie geht der Rechtsstreit zwischen AfD und Verfassungsschutz weiter?“ (aus: Deutschlandfunk vom 10.05.2025)
Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Diese alte Weisheit hat auch im Jahr 2025 weiterhin Bestand. Und sie scheint mehr denn je an Bedeutung zu gewinnen, erheben sich viele Menschen derzeit in unserer Republik über ihre Nächsten, weil sie sich ihnen demokratisch und politisch überlegen sehen. Dabei ist es nicht nur grotesk, mit ansehen zu müssen, in welcher Leichtigkeit und Gutgläubigkeit die Hetze gegen Wähler und Sympathisanten der Blauen fast täglich brachialer wird. Ob es nun die Aussage von Satiriker Jan Böhmermann ist, der vermeintliche Nazis „keulen“ möchte. Staatsoberhaupt Steinmeier, der vor „Rattenfängern“ warnt. Oder Parlamentsvizepräsident Bodo Ramelow, der früher über „braune Arschlöcher“ schimpfte. Jüngst eingereiht hat sich in diese Sammlung an Demagogen auch der damalige Bundespräsident Wulff, der wohl nicht nur mit seiner Aussage in die Annalen eingehen wird, dass der Islam zu Deutschland gehöre. Sondern es Zeit sei, die AfD „zu Wasser, zu Land und zu Luft zu bekämpfen“. Ein Vokabular, das an den Februar 1943 erinnert, als schon einmal aufgerufen wurde, sich für eine umfassende Schlacht gegen den Feind zu rüsten.
Wir befinden uns also ganz offensichtlich in einem Krieg, welcher geführt wird von einer Kavallerie der „Guten“, die sich in ihrer Wahnhaftigkeit auf den Weg macht, unter der freudigen Zustimmung des neuen Kanzlers eine Gesinnung auszumerzen, die dem Zeitgeist der Gegenwart auch deshalb nicht in den Kram passt, weil sie an Bringschuld und Multikulturalismus rüttelt. Doch in unserer Verfassung findet sich kein Auftrag zur Vielfalt, sondern lediglich die Forderung zum Erhalt einer Volkszugehörigkeit in der autochthonen Mehrheit, die die Gründungsväter der Republik anfangs auch deshalb im Gedanken eines Asylrechts allenfalls für in der Ferne in Not geratene Bürger aus den eigenen Reihen bewahren wollten, weil Migration ursprünglich allein als Anspruch vorgesehen war, aus Gründen der Verfolgung in die unmittelbare Nachbarschaft zu fliehen. Dass mittlerweile ganze Wanderungen über tausende Kilometer von Syrien oder aus dem Sudan aus nach Mitteleuropa startend zur Selbstverständlichkeit gehören, ist jenem Irrwitz geschuldet, den man im Geiste der Meinungsfreiheit ohne einen Abstrich anprangern darf. Darauf hat Karlsruhe immer wieder hingewiesen.
Hieran rüttelt auch nichts eine gegenteilige Einschätzung durch den Kölner Inlandsgeheimdienst, der jüngst auf der Basis eines recht brüchigen Gutachtens die Gesamtpartei als gesichert rechtsextremistisch einstufte, um anschließend in einer Stillhalteerklärung zumindest vorübergehend wieder davon abzusehen. Schließlich ist es offenbar nicht so einfach, auf einer juristisch wasserfesten Argumentation pauschale Brandmarkung und Etikettierung gegenüber dem missliebigen Gegner zu üben, dem mittlerweile ein Viertel der Stimmberechtigten an den Urnen das Vertrauen schenkt. Das beweist jüngst auch ein Beschluss des Oberverwaltungsgerichts in Münster, welches die Mitgliedschaft in der Alternative für Deutschland ausdrücklich als nicht hinreichend betrachtet, um einer Person prinzipiell die Waffenerlaubnis zu verweigern. Denn man könne nicht allein aufgrund des Verdachts, ein Bürger unterstütze möglicherweise gegen das System sprechende Positionen, die gegebenenfalls auch im Spannungsfeld mit der vorherrschenden Werteordnung stehen, von einer Unzuverlässigkeit im Führen einer Pistole oder eines Gewehrs ausgehen. So schnell schießen die Preußen also doch nicht.
Hier bedürfe es der Bewertung im Einzelfall, die aber auch die Schlapphüte nicht vorgenommen haben, als sie aufgrund von gesammelten Zitaten verschiedener Funktionäre der Opposition auf eine gegen das liberale, für Gleichberechtigung und Würde einstehende Manifest gerichtete Mentalität schloss, die beispielsweise die erwähnten Artikel 1 oder 3 GG tangiert. Hinreichend für eine abschließende Beurteilung mag es aus der oberflächlichen Warte eines geifernden Pöbels sein, der sich von Scharfmachern antreiben lässt. Doch das ist kein Maßstab, wenn in einer vergleichbaren Manier zu mancher Hasstirade aus der Geschichte gegen den Konkurrenten und Wettbewerber gewettert wird, welchem man auf der ideologischen Bildfläche keinen Raum zugestehen will, ist er doch nicht interessiert an einer Transformation unseres Miteinanders, die von einer selbstzerstörerischen Unterwerfung und paradoxen Toleranz gezeichnet wird. Besonders bizarr: Wo Heimatliebe und Nationalstolz zu einer verpönten Tugend werden, da stehen plötzlich auch internationale Konventionen auf dem Spiel, die jeder Gruppe auf diesem Erdball Souveränität, Integrität und Unversehrtheit zubilligen.
Insofern agitieren die Weltverbesserer eigentlich gegen jenen Globalismus, den sie doch mit Vehemenz verteidigen wollen. Wieder einmal beißt sich die Katze in den Schwanz, wird eine Denkart unlogisch, der gleichzeitig das Bild des Ethnopluralismus als vernunftorientierte Option begegnet, strebt er eine friedliche Koexistenz der verschiedenen Spezien an, die jede an ihrem Platz leben lässt, um nicht in die Sozialsysteme des Anderen vorzudringen. Unter Anwendung von Pragmatismus scheint es nur allzu nachvollziehbar, dass jedes Individuum in einer tatsächlichen Bedrohungslage zunächst versucht, innerhalb des angestammten und vertrauten Umfeldes um Obdach und Versorgung zu bitten. Doch für Horch und Guck ist diese Rationalität ausgeschlossen, hat er doch spätestens durch Angela Merkel den Input bekommen, dass wir unter der Bürde unserer Historie die Arme zur Willkommensgeste ausbreiten, um jene Grenzen wie Schleusentore zu öffnen, die auch unter einem Innenminister Dobrindt an vielen Stellen so durchlässig sind wie ein Schweizer Käse. Und an diesem Hamsterrad wird sich auch nichts ändern, lösen wir uns nicht endlich aus der Fessel der Moral.