Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Unterwegs nach Jordanien: Bundeswehr schickt Flugzeuge für Gaza-Luftbrücke“ (aus: „Tagesschau“ vom 29.07.2025)
Bundeskanzler Friedrich Merz hat eine Luftbrücke über Jordanien angekündigt, um den humanitären Kontext im Gazastreifen zu verbessern. Weltweit ereilen die Öffentlichkeit mittlerweile Bilder aus dem umkämpften Küstenabschnitts, werden Israel massive Verstöße gegen das Völkerrecht vorgeworfen, sogar Beschuldigungen eines Genozids und eine gleichzeitige Forderung nach einem Palästinenserstaat, beispielsweise aufgestellt durch den französischen Präsidenten Macron, machen die Runde. Aktuell dreht sich die Diskussion vor allem darum, inwieweit die zahlreichen Berichte über eine vorherrschende Knappheit an Nahrung tatsächlich der Wahrheit entsprechen, befinden sind doch nachweislich auch Impressionen im Umlauf, die nicht etwa ausgemergelte Kinder aufgrund von fehlenden Lebensmitteln, sondern offenkundig mit einer bekannten Muskelerkrankung behaftete Babys in den Fokus rücken, um sie für propagandistische Zwecke durch die Hamas zu missbrauchen. Ohnehin müssen in einem solchen Konflikt stets Manipulation und Instrumentalisierung befürchtet werden, braucht es in alle Richtungen Skepsis und Zweifel an den aus Terroristenhänden zur Verfügung gestellten Informationen.
Wenn selbst die Vereinten Nationen lediglich von Prognosen ausgehen…
Denn Argwohn und Hadern sollten nicht nur kritische Journalisten für sich als Tugend beanspruchen, sondern gleichsam handelnde Spitzenpolitiker auf internationalem Parkett. Denn auch sie lassen sich schnell vereinnahmen, sind Islamisten nicht um Indoktrination und Agitation verlegen. Um sich einen authentischen Eindruck davon zu verschaffen, wie prekär die Situation tatsächlich ist, verhilft unter anderem ein Blick auf die standardisierte Skala namens „Integrated Food Security Phase Classification“ (IPC), die gemeinsam von den Vereinten Nationen, verschiedenen NGOs, der Europäischen Kommission und Oxfam initiiert wurde. Dortigen Karten kann man entnehmen, dass im Zeitraum vom 1. April bis 10. Mai 2025 in weiten Teilen der vom Krieg gezeichneten Gebiete lediglich die Warnstufe 2 von 5 vorherrschte. Ausschließlich um die Hauptstadt sowie auch in der Region von Rafah zeigte der Ist-Zustand eine ernsthafte Bedrohung (Kategorie 3). Doch von einer Hungersnot spricht die zweifelsohne nicht auf der Seite der vermeintlichen Gegner stehende Beobachtungsstelle in den Dokumentationen ausdrücklich nicht, sondern es bleibt in diesem Zusammenhang bei der Begrifflichkeit der „Unterernährung“.
Palästinenserfreundliche Medien in vorauseilendem Gehorsam…
Dass in vielen Presseartikeln und Fernsehsequenzen trotzdem von einer kritischen, also Phase 4, gesprochen wird, als sei die Katastrophe unmittelbar und flächendeckend eingetreten, stellt am Ende eine schlichte Falschbehauptung dar, die vor allem durch eine Übertreibung und Stimmungsmache bei jenen verfangen soll, welche sich weiterhin mit Netanjahu solidarisieren. Zwar geht das IPC bis September von einer entsprechend dramatischen Entwicklung aus. Doch es wäre nicht das erste Mal, dass eine derartige Prognose auch deshalb nicht eintritt, weil die Regierung in Jerusalem mittlerweile eingesehen hat, Korridore für die Versorgung der Zivilbevölkerung schaffen zu müssen. Es gibt somit erheblichen Klärungsbedarf, ob uns Fotomaterial beeindrucken soll, das nicht etwa die Realität abbildet, sondern die Aufklärungsarbeit über die Wahrheit erschwert. Natürlich existieren angesichts der bisweilen unverhältnismäßig wirkenden Reaktion auf den Überfall der Dschihadisten im Oktober 2023 durchaus namhafte wie plausible Bedenken, dass sich von Chan Junis bis Beit Hanun die Projektion eines Massensterbens verwirklicht. Doch im Augenblick gestaltet sich die Faktenlage anders, blendet man Emotion aus.