Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Bundesverfassungsgericht: Im zweiten Anlauf soll es sitzen – Richterwahl im Bundestag“ (aus: „ZEIT Online“ vom 22.09.2025)
Am 25. September 2025 steht auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages ein neuer Anlauf der Wahl von Kandidaten für Ämter am Bundesverfassungsgericht festgeschrieben. Drei Bewerber werden ohne Aussprache zur Abstimmung gestellt. Doch die Kritik am Vorgehen der Regierung ist schon jetzt groß, hat sie es offenbar wieder verpasst, mit den einzelnen Fraktionen hinreichende Gespräche zu führen, um Mehrheiten sicherzustellen. Kommt es zu einem Debakel? Die wohl unumstrittenste Personalie stellt Günter Spinner dar. Der 1972 in Oppenau geborene Jurist ist seit 2011 Richter am Bundesarbeitsgericht, zuletzt Vorsitzender des Achten Senats. Der Honorarprofessor an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg wird ausdrücklich von CDU und CSU unterstützt, nachdem ihn das Plenum in Karlsruhe initiativ vorgeschlagen hatte. Seine bisherigen Schwerpunkte liegen bei den Themen Schadensersatz, Vertragsstrafen, Entgelttransparenzgesetz, Handelsvertreterrecht, Zwangsvollstreckungsrecht, datenschutzrechtlichen Ansprüchen und Konkurrentenklagen. Damit gilt er als einigermaßen unverfänglich, auch wenn Kritik daran herrscht, dass ihn sogar die AfD unterstützt – allerdings ohne sein eigenes Zutun.
Kaufhold gilt – trotz gegenteiliger Bekundung – als Verfechterin einer herrschenden Justiz!
Deutlich heftiger gestritten wird seit längeren über Ann-Katrin Kaufhold. Sie hat in der Vergangenheit beispielsweise mit der Aussage auf sich aufmerksam gemacht: „Wenn wir über eine gesamtgesellschaftliche Transformation sprechen, und die braucht es, dann müssen wir an allen Stellschrauben drehen. Wir müssen Routinen brechen und zu einem anderen Zusammenwirken aller Sektoren finden“. Was sie genau damit meint, wenn sie ihre Worte unter anderem an gesellschaftliche Akteure richtet, beantwortet sie selbst: „Natürlich denkt man in solchen Fragen zunächst an Parlament und Regierung. Wir stellen aber leider fest, dass sie das Thema nicht schnell genug voranbringen. Deswegen muss man überlegen, wie man das Tableau der Institutionen erweitert“. Und weiter: „Gerichte oder Zentralbanken, auf der anderen Seite, sind unabhängig. Damit eignen sie sich zunächst einmal besser, unpopuläre Maßnahmen anzuordnen“. Ist die 49-Jährige also dazu bereit, die dritte Gewalt dafür zu missbrauchen, jene Ziele von oben zu diktieren, die der Gesetzgeber aufgrund fehlender Zustimmung der Volksvertreter nicht zu erreichen vermag? Will sie die Legislative und Exekutive umgehen, Justitia zum alleinigen Herrscher machen?
Ein AfD-Verbot wird wahrscheinlicher, allerdings ohne Begründung und Verstand!
Dass sie sich prinzipiell mehr Einfluss der Roben wünscht, machte sie auch in einer anderen Veröffentlichung deutlich, in der sie sich über die „Unzulänglichkeit der gerichtlichen Kontrolle der von den Aufsichtsbehörden veröffentlichten Informationen“ beschwert. Zudem war sie an der Kommission zum „Volksentscheid für Gesellschaft und großer Wohnungsunternehmen in Berlin“ beteiligt. Selbige hat in ihrem Abschlussbericht kundgetan: „Das bedeutet im Ergebnis, dass eine Entziehung von Eigentum, deren Verhältnismäßigkeit als Enteignung zum Wohl der Allgemeinheit nach Art. 14 Abs. 3 GG womöglich gerade angesichts ihres Ausmaßes zweifelhaft oder sogar zu verneinen wäre, wegen des zusätzlichen Zwecks der Vergesellschaftung als verhältnismäßig ausgewiesen werden könnte“. Was wie Sozialismus, vielleicht sogar ein bisschen Totalitarismus, klingt, treibt die Ziehtochter des einstigen Verfassungsgerichtspräsidenten Voßkuhle mit weiteren Musterbeispielen für antifaschistisches Denken auf die Spitze: „Bei einem Antrag auf ein AfD-Verbot [sollte man] nicht zu zögerlich sein“ oder „Die wehrhafte Demokratie muss sich gegen Angriffe von innen und außen schützen können, ohne ihre eigenen Prinzipien zu verraten“.
Stehen für Wind- und Sonnenenergie nahezu grenzenlos schöne Zeiten bevor?
Und auch die Dritte im Bunde, Sigrid Emmenegger, ist kein gänzlich unbeschriebenes Blatt. Die südbadische Richterin am Bundesverwaltungsgericht wurde von der SPD ins Rennen geschickt. Sie schrieb ihre Promotion ebenfalls unter dem Betreuer Andreas Voßkuhle, macht sich gleichsam für das perspektivische Wetter stark. „Der Staat hat eine Pflicht zur Umsetzung des Klimaschutzgesetzes, die auch den Ausgleich zwischen Wirtschaft und Ökologie erfordert“, monierte sie, um die energetische Wende beschleunigen zu wollen: „Der Ausbau von Höchstspannungsleitungen muss unter Berücksichtigung von Art. 14 GG (Eigentumsschutz) und Umweltschutz erfolgen, um Verzögerungen zu vermeiden“. Zu der Rolle der obersten Instanzen führte sie aus: „Das BVerfG schützt nicht nur Rechte, sondern gewährleistet auch die Funktionsfähigkeit des Staates“. Auch wenn von ihr, im Vergleich, weniger öffentliche Äußerungen existieren, entstammt sie dem Dunstkreis der Sozialdemokratie, angehaucht von grüner Philosophie. Und so bleibt das Tableau der Anwärter weltanschaulich gefärbt, um letztgenannte in ihrer Aussage zum Prozess im Bundestag zu bestätigen: „Die Gesetzgebungskunst ist nicht nur eine technische Disziplin“.