Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „AfD-Mann bei ’neofaschistischem‘ Treffen in Russland – mit Olga Petersen“ (aus: „Hamburger Abendblatt“ vom 01.10.2025)
Die schwersten Bewährungsproben für eine Partei sind interne Rivalitäten und Konflikte. Kaum eine politische Kraft vermag es in einer solchen Situation, adäquat und professionell zu reagieren, obwohl sich viele Skandale vermeiden ließen. Einerseits soll man dem öffentlichen Druck genügen, andererseits dem Anschein von Illoyalität entgegentreten. Besonders geschickt stellte sich auch die AfD in der Hamburger Bürgerschaft nicht an, als sie darüber zu entscheiden hatte, wie sie mit den Anwürfen aus dem konservativen Spektrum gegen das Mitglied, Robert Risch, umgehen sollte. Der seit März 2025 dem Landesparlament angehörende Elektrotechniker geriet ins Fadenkreuz des aufgeregten NDR und der CDU, weil er im September dieses Jahres an einer Veranstaltung in St. Petersburg teilnahm, die von sogenannten „Rechtsextremen“ und „Neonazis“ ausgerichtet wurde. Ziel der internationalen Konferenz sei es gewesen, eine „Anti-Globalistische Liga“ zu gründen. Teilnehmer und Initiatoren waren demnach der sanktionierte Oligarch Konstantin Malofejew und der Ideologe Alexander Dugin. Inwieweit die wortgewaltigen Zuschreibungen der Analysten tatsächlich stichhaltig sind, dass hier „Faschisten“ zusammengekommen sind, kann in der heutigen Atmosphäre eines oftmals reflexartigen Geschichtsrevisionismus wahrlich angezweifelt werden.
Presse wie Partei hätten gut daran getan, sich ein eigenes Bild vom Termin zu machen…
Medien berichteten zwar von einem „ultranationalistischen“ Aufgebot, diese Wertung scheint allerdings sehr subjektiv, von externen Meinungsäußerungen bestimmt. Entsprechend wäre es sinnvoll und notwendig gewesen, die Darstellungen auf ihre Konsistenz abzuklopfen, ehe die Alternative für Deutschland den 1971 geborenen Diplom-Ingenieur aus der Fraktion ausschließt. Geschehen ist dies dennoch: Am 8. Oktober entschied man sich, insbesondere nach heftigen Attacken des Christdemokraten Gladiator, für einen Schlussstrich. Anders, als in der Bezirksversammlung Altona, wo man dem Druck der gegnerischen Oppositionspartner ganz bewusst standhielt. Nicht aber, um den Fraktionsstatus zu wahren, sondern aus begründeter Loyalität mit einem Angeprangerten. Dieser selbst unterstrich nämlich wiederholt, die Reise nach Russland privat und nur deshalb angetreten zu haben, wollte er eine langjährige Freundin begleiten. Überdies sah er keine Veranlassung, sich zurechtfertigen. Immerhin stehe er für Frieden in Europa, lehne deshalb eine Distanzierung von dem Termin ab. Er behielt sein lobenswertes Rückgrat, als man ihn mit Sequenzen konfrontierte, die ihn am Rednerpult zeigten. Die Beschuldigung, über die Motivation seiner Anwesenheit getäuscht zu haben, ließ der Softwareentwickler an sich abprallen. Und er sprang auch dann nicht über das Stöckchen, als die Moralkeule bereits prügelte.
Auf der Konferenz von St. Petersburg wurde nicht anderes als das AfD-Programm dekliniert…
Wie reflexartig neigen wir heute dazu, von dubiosen Vorgängen zu sprechen. Dabei gehört es eigentlich zur charakterlichen Integrität, sich ein eigenes Bild zu machen. Medaillen haben stets zwei Seiten, die es zumindest nach meinem journalistischen Verständnis gleichermaßen zu erkunden gilt. War das Verhalten des Familienvaters tatsächlich „mit demokratischen Werten unvereinbar“? Und ist es angemessen, seinen Rücktritt zu fordern, gehört er weiterhin dem Plenum an? Hegt ein bis dahin nie durch Anrüchigkeit aufgefallener Politiker „imperialistisches“ Gedankengut in sich, verschließt er sich der opportunistischen Gegnerschaft zu Moskau? Was ist an der „Verteidigung christlicher Traditionen“ verwerflich, wie sie als ein Thema auf der Tagesordnung des Treffens stand? Welchen Argwohn könnte man gegen den „Schutz nationaler Identität und Souveränität der Völker“, den „Widerstand gegen Migration“, die „Ablehnung der LGBTIQ-Bewegung“ und den „Kampf gegen die weltweiten Eliten“ vorbringen, steht man nicht dem linkswoken Zeitgeist nahe? Es scheint, als ob sich die Presse keinen Eindruck darüber verschaffte, welch legitimen Ansinnen Risch nacheifert. Gleiches gilt für seine Partei, die aktuell ein Ordnungsverfahren angestrengt hat.







