Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „‚Agitator der sozialen Marktwirtschaft‘: Warum ich die AfD nicht unterstütze“ (aus: „Freilich Magazin“ vom 10.11.2025)
Nicht nur in den neuen Medien begegne ich in diesen Tagen einer bisweilen bizarr anmutenden Glorifizierung der AfD als einzigem Heilsbringer für diese Nation. Das Idealisieren einer politischen Kraft nimmt dabei kultartige Züge an, denen es nach meinem Dafürhalten an jeglicher Kritik fehlt. Der Anstand vor der Demokratie sollte stets daran erinnern, dass nicht nur ein Weg nach Rom führt. Viel eher ist es wohl die größte Gefahr für eine liberale Ordnung, sich aus Prinzip zu solidarisieren, statt immer wieder neu auf den Prüfstand zu stellen, ob man mit seiner Unterstützung für eine bestimmte Partei weiterhin im Einklang mit den eigenen Prinzipien steht. Und tatsächlich bietet die Alternative für Deutschland genügend Ansatzpunkte, um ihr auch Skepsis entgegenzubringen. Insbesondere der Umstand, dass sich in diesem Sammelbecken vieler enttäuschter und frustrierter Wähler gleich mehrere Strömungen ausgebildet haben, die bei näherer Betrachtung ideologisch Welten trennen, sollte dazu veranlassen, ihre Überzeugungen ehrlich und im ständigen Zweifel abzuklopfen. Denn nichts ist schädlicher für eine Gesellschaft als die ewige Bindung des Souveräns, weil es einer der vielen Varianten des Zeitgeistes entspricht, sich und seines bisherigen Votums treu zu bleiben.
Kritik an der AfD sollte die Partei als Chance begreifen, weiter an sich zu arbeiten…
Und so bin ich dankbar über einen Artikel von Konstantin Schink im „Freilich Magazin“, der sehr nachvollziehbar begründet, weshalb er selbst den „Blauen“ seine Stimme verweigert. Als heimatloser Genosse stammt er – wie auch ich – ursprünglich aus dem eher linken Spektrum. Nunmehr sucht er nach einer persönlichen Verortung, um dabei durchaus die Verdienste der gescholtenen Opposition als wichtiges Sprachrohr zu den Themen Migration, Meinungsfreiheit, Kultur und Identität zu würdigen. Sie sei nach seiner Auffassung der einzige Wettbewerber, welcher Missstände klar benenne und sich um Lösungen tatsächlicher Probleme bemühe. Trotzdem plädiert er gerade in wirtschaftspolitischer Sicht für mehr Distanz. Gemäß seiner Wahrnehmung dominiere der neoliberale Flügel um Alice Weidel, Beatrix von Storch oder Peter Böhringer, die als Bewunderer von Thatcher und Milei für Steuerentlastungen gegenüber Reichen oder Lohnsenkungen mit Blick auf den Mittelstand eintreten würden. Es mangele an konkreten Konzepten für Investitionen oder eine pragmatische Abkehr vom Euro unter der Berücksichtigung möglicher Folgen für den Export, an Ideen zu einer vernunftorientierten Staatsschuldenreform und der Rolle große Betriebe als Nettosparer.
Die sozialpatriotischen Stimmen werden von neolibertärer Begeisterung übertönt…
Jene Vertreter, die sich für eine wohltätige Nuancierung der Programmatik einsetzten, seien es Björn Höcke oder Ulrich Siegmund, würden an entscheidender Stelle überstimmt. Und auch hinsichtlich der uneingeschränkten Loyalität zu Israel und den USA bestünde für den Kollegen ein ausschlaggebendes Manko, sich der AfD nicht anschließen zu können. Dieser Befund verdient Respekt, weil er in die Tiefe geht. Gerade als Journalist obliegt es mir nicht, zwischen richtig und falsch, gut und böse zu urteilen. Sondern viel eher sehe ich mich in der Verantwortung, jegliches Bestreben um substanzielle Auseinandersetzung zu fördern. Und dies ist im vorliegenden Fall deutlich erkennbar. Hier macht sich jemand Gedanken, wo Schnittmengen liegen – und welche Hürden unüberwindbar sind. Zweifelsohne kann der Eindruck aufkommen, die Alternative für Deutschland hänge mit einem Bekenntnis für die Bedürftigen im eigenen Volk hinterher. Setzt man zu sehr auf die Kettensäge statt auf eine klare Trennlinie, den Rückhalt für die Schwachen entlang der Grenzen zwischen Einheimischen und illegalen Migranten zu ziehen? Ist man zu kaltherzig bei hiesigen Notleidenden und Ausgegrenzten? Und sieht man in der Marktwirtschaft tatsächlich die einzige Antwort auf Stagnation?
Die interne Debatte wird aus Gründen der demonstrativen Geschlossenheit umschifft…
Wie viel an sozialem Profil braucht es, ist der Kapitalismus die Ultima Ratio? Diese Debatte muss geführt werden, weil Vaterlandsliebe nicht zuletzt auch mit der Frage gekoppelt ist, inwieweit man zum schwarz-rot-goldenen Zusammenhalt über die verschiedenen Schichten und Klassen hinweg bereit scheint. Gleichzeitig darf man anprangern, dass sich eine für Diplomatie und Frieden einstehende Bewegung mit jeder Partnerschaft unglaubwürdig macht – sei sie nun zu Moskau, Washington, Kiew oder Jerusalem. Der Fokus auf Neutralität und die unsrigen Interessen droht allzu reflexartig weggelenkt zu werden, fühlt man sich offenbar in der Vereinnahmung durch Trump oder Netanjahu, durch Selenskyj oder Putin, sichtlich wohler. Was ist also so schwierig daran, weder auf ein transatlantisches Bündnis noch auf eine Liebe zum Kreml zu setzen? Unabhängigkeit mag deshalb nicht besonders angesehen sein, weil man zwangsläufig gewisse Kumpanen vor den Kopf stößt. Doch man sollte nicht zu einem Fanclub verkommen. Die Sympathie für Staatschefs fremder Herkunft ist genauso befremdlich wie die Heroisierung interner Protagonisten. Möchte man den Kurs beibehalten, sich im Zweifel von der Rivalität diverser Lager zerreiben zu lassen – oder lebt man Respekt vor ihrer Verschiedenheit?







