Kommentar von Dennis Riehle zum Beitrag „Medien im Osten: Wenn nur noch die AfD die Nachrichten überbringt“ (aus: „Deutschlandradio Kultur“ vom 05.06.2025)
Es sind jene Kollegen, vor denen man mich in der Ausbildung stets als wenig orientierungswürdige Negativleuchttürme gewarnt hat, die aktuell darum bemüht sind, das Ansehen der Presseschaffenden in unseren Breiten gänzlich zum Einsturz zu bringen. Blickt man allein auf die Berichterstattung über die Alternative für Deutschland, so kennt der haltungsmediale Griff ins journalistische Wasserklosett kaum noch Grenzen. Hochnotpeinlich, erbärmlich und desaströs wirken Demagogie und Agitation, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“ über den bayerischen Abgeordneten Jörg Baumann, er wirke „nah am Orgasmus“, als er im Landtag verkündet, dass man wieder „Hoffnung gebe, aufzustehen, sich nicht zu schämen, die Farben der Heimat mit Stolz zu tragen“.
„Der Spiegel“ wiederum titelt über den Bundestagsmandatar Matthias Helferich, „E-Mails über Rassenlehre und Gewaltfantasien“ würden ihn „schwer belasten“. Die FAZ kommt mit Blick auf die Nominierung von Markus Frohnmaier als Spitzenkandidat für die Wahlen 2026 in Baden-Württemberg zu dem nichtssagenden Schluss: „Die Partei zeigt ihr Gesicht“. „T-Online“ attestiert hinsichtlich einer Personalie um den ehemaligen Büroleiter von Björn Höcke, Robert Teske, völlig schamlos und ohne allzu viel Gewissen: „Nur ein Beispiel dafür, wie sehr die AfD das Parlament nutzt, um Rechtsextremisten zu fördern“. Und für den SWR gilt Sebastian Münzenmaier als eine zentrale Figur des vom Verfassungsschutz eingeordneten „solidarisch-patriotischen Lagers“.
Täglich neu lässt sich ein ganzes Sammelsurium an Zitaten zusammenstellen, die erstklassig zur Dokumentation darüber geeignet wären, wie man unseren Job explizit nicht ausführt. Es muss in der Seele jedes berufsethisch einigermaßen in Anstand und Würde wirkenden Kolumnisten schmerzen, mit welcher Brachialität die sogenannte vierte Gewalt ihren Auftrag in unserer Gesellschaft verletzt. Weite Teile sind längst mutiert vom kritischen, unabhängigen und skeptischen Beobachter zu Akteuren eines manifesten Propagandaapparates, der es sich in anmaßender, belehrender und überheblicher Manier auf die Fahnen geschrieben hat, die führende Opposition als monothematisches Objekt blanker Denunziation, schlichter Verleumdung und plumper Anfeindung auszumachen.
Und das, obwohl man in der Position des Schreiberlings doch eigentlich dazu angehalten ist, zunächst einmal auf keiner Seite zu stehen. Wir sind zwar nicht zur Neutralität verdammt, wohl aber zu einem objektiven Blick auf die Geschehnisse der Gegenwart. Hierzu gehört unter anderem auch, sämtliche Nachrichten, Schlagzeilen und Meldungen auf die Sachebene herunterzubrechen. Ein Artikel sollte die Redaktion erst dann verlassen, wurde er von einem allzu emotionalen, persönlichen und voreingenommenen Tenor befreit. Jeglicher Beitrag hat seinen Sinn und Zweck verfehlt, startet er mit einem Belastungseifer, um mit einer Verurteilung zu enden. Denn ich bin kein Jurist, der entsprechend rechtlich, normativ oder moralisch über Andere zu urteilen hat.
Mein Verständnis von Kommentierung ist es immer gewesen, nicht mit der Erwartung in eine Recherche einzusteigen, die größtmögliche Affäre allein um des Prinzips, der Aufmerksamkeit und meiner Karriere willen aufzudecken. Sondern Gerüchte, Erzählungen und Behauptungen auf ihre Wahrhaftigkeit abzuklopfen, um schlussendlich feststellen zu können, ob die Nachricht auch dann noch als Aufhänger taugt, steht sie eingerahmt in einen ehrlichen, realistischen und vollständigen Kontext, dem es an der Motivation mangelt, dort etwas aufzubauschen und zu dramatisieren, wo bei Zweifel und Distanz weder Anrüchigkeit noch Skandalträchtigkeit zu finden sind. Denn Authentizität, Gelassenheit und Unaufgeregtheit sind mein gestecktes Credo.
Damit kann ich in vielen Fällen keinen Blumentopf gewinnen, doch ich vermag es, auch dann mit mir im Reinen zu sein, suhlt sich der unter dem wohlfeil klingenden Titel des Investigativreporters zu nichts mehr als einem Mistkratzer taugende Polemiker im Applaus einer Leserschaft, die keinen Anspruch oder gar Interesse daran hat, mit Informationen versorgt zu werden. Stattdessen ist es ihre Begierde, einen vorgekauten Speisebrei serviert zu bekommen, der in der eigenen Überzeugung und Ideologie bestärkt, aber niemals zu eigenständigem Reflektieren und differenziertem Nachfragen anregen wird. Hier geht es also nur sehr bedingt um Ergebnisoffenheit, wohl aber um das Untermauern von Ressentiments. Und das stellt keine Leistung dar, sondern ein Versagen.