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Wenn Behauptungen ohne Nachweis obsiegen: Sind wir zu leichtgläubig, wenn uns Erzählungen über westliche Interessen aufgetischt werden?

Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Krieg in Nahost: Israel und Iran greifen sich erneut gegenseitig an“ (aus: „Süddeutsche Zeitung“ vom 18.06.2025)

Vorwände sind nicht erst in einer modernen Gesellschaft zu einem zuverlässigen Instrument geworden, die Öffentlichkeit von Maßnahmen zu überzeugen, die bei einer rationalen Betrachtung möglicherweise widersinnig, unnötig und übertrieben wirken würden. Aber mit einem moralischen Unterbau lassen sie sich im Zweifel rechtfertigen. Man denke beispielsweise an die energetische Transformation, die nicht ohne das Narrativ so erfolgreich wäre, wonach wir fast jeden Monat neue Hitzerekorde brechen, wollen uns die Meteorologen doch selbst dann von einem anthropogen verursachten Klimawandel erzählen, wenn die Dinosaurier deutlich mehr CO2 produzierten als manche Menschheit. Würde es nicht den erhobenen Zeigefinger von Robert Habeck geben, dürfte die Wärmepumpenindustrie längst erschlafft sein. Da war es die kaum enden wollende Corona-Pandemie, über welche man wissenschaftliche Expertisen unter Verschluss hielt – oder sie kurzerhand manipulierte, um Grundrechtseinschränkungen und die Impfkampagne weiterhin florieren lassen zu können. Schließlich brauchte die Pharmabranche einen argumentativen Schub, fortwährende Milliarden zu scheffeln. Ohne die ständige Inzidenz und Maskenhysterie schiene dies unmöglich gewesen zu sein, doch so fehlte es an Vernunft.

Angela Merkel pflanzte uns die Bringschuld in die Gehirne, damit wir unsere Arme weiten und Grenzen öffnen, weil sich der halbe Globus auf den Weg in Richtung Deutschland machte, hier nicht etwa vor Verfolgung Unterschlupf zu suchen. Sondern ein nicht unerheblicher Teil der Migranten wanderte illegal, ohne Bleibeperspektive oder Aufenthaltsstatus direkt in die Sozialsysteme ein. Der Toleranzfetisch und ein ständiger Verweis auf die Historie taten für die Willkommenskultur ein Übriges. Oder es ist die Geschichte über das Erkämpfen unserer Sicherheit am Hindukusch und der Freiheit im Donbass, die dafür herhalten muss, dass wir auch jetzt wieder Kriegstüchtigkeit empfinden sollen, geht es nach Friedrich Merz oder Boris Pistorius. Neu hinzu kommt aktuell, dass sich unsere Zukunft wohl nicht auf dem Schlachtfeld vor Berlin entscheiden wird, schickt Putin die Rote Armee 2.0 gen Brandenburg Havel, um dort Geschlechtervielfalt und Windräder zu vereinnahmen. Sondern es ist der Persische Golf, an dem Israel aufopferungsvoll für die gesamte moderne Hemisphäre als eine Art Märtyrer fungiert, griff man den Iran aufgrund der Behauptung von Netanjahu an, die Mullahs stünden kurz davor, die Atombombe mit katastrophalen Folgen auch für Europa zu zünden.

Doch geht es der Regierung in Jerusalem tatsächlich darum, das Regime um Ali Chamenei von einer weiteren Anreicherung des Urans abzuhalten? Jedenfalls hat die CIA noch im Jahr 2023 glaubwürdig und unvoreingenommen verlautbaren lassen, es gebe keine Hinweise darauf, dass die Revolutionsgarten daran interessiert seien, ihr Nuklearprogramm fortzuschreiben. Natürlich kann man sich auf die Position zurückziehen, sämtlicher Islamismus müsse konsequent ausgelöscht werden. Doch wir wissen bereits aus dem Einmarsch im Irak, dass uns Märchen aufgetischt wurden, als man eisern propagierte, Saddam Hussein besitze Massenvernichtungswaffen. Denn tatsächlich wurde am Ende nichts gefunden, aber die militärische Invasion war trotzdem geschehen. Es sind zumeist ganz andere Interessen, die in Wahrheit hinter imperialistisch anmutenden Vorstößen stehen. Nicht selten spielen Rohstoffe oder geopolitische Aspekte eine erhebliche Rolle, aber fast nie jene Beweggründe, die man der Zivilisation als schlichtes Postulat serviert. Ein Hinweis dafür, dass auch im jüngsten Konflikt möglicherweise nur ein Ablenkungsmanöver vorliegt, zeigen Truppenbewegungen der Amerikaner, die so gar nicht zu Trumps Aussage passen, man wolle sich heraushalten.

Möchte man darüber hinaus den Fokus von der zunehmenden Kritik an den Kollateralschäden für die Bevölkerung mit Blick auf das harte Vorgehen gegen die Hamas im Gazastreifen umschwenken? Zumindest scheinen Verlautbarungen von Verteidigungsminister Katz verräterisch zu sein. Er gab in den sozialen Medien kund: „Die Einwohner Teherans werden den Preis zahlen – und zwar bald“. Plant man gemeinsam mit den USA einen Umsturz, um wieder einmal den Versuch zu unternehmen, eine dem Westen getreue Führung zu installieren? In Kiew war man damit nicht besonders erfolgreich, ebenso wenig in Bagdad und Kabul. Niemand möchte sich täuschen lassen, dass die Kernenergie im Mittleren Osten lediglich zu friedlichen Zwecken genutzt wird. Aber wo sind die tatsächlichen Belege dafür, dass man die Plutonium-Vorkommen weiter verdichtet hat als die 60 Prozent, welche von der IAEA als Zwischenstand zuletzt ausgegeben wurden? Können wir blind vertrauen, weil uns andernfalls die Moralkeule des Antisemitismus um die Ohren gehauen wird? Darf man nicht gerade als externer Beobachter, der in dieser Auseinandersetzung unbeteiligt ist, die legitime Frage stellen, wo die Nachweise für all das sind, was uns in jeder feindseligen Schlammschlacht an Propaganda erreicht?