Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „AfD-Politiker Maximilian Krah spaltet die Neue Rechte: ‚Flieht, ihr Narren!'“ (aus: „Berliner Zeitung“ vom 11.07.2025)
Kaum etwas hat so viele Brüche wie die individuelle Biografie. Jeder von uns weiß es aus den eigenen Lebenslinien: Nur selten geht die Laufstrecke geradeaus, oftmals kommen wir in kurvigem Gelände beinahe von der Fahrbahn ab. Und auch mit Blick auf die politische Einstellung ist man heutzutage kaum noch daran gebunden, bis zum Ende der Zeit jener Partei die Stange zu halten, die man als Erstwähler unterstützt hat. Ideologie und Weltanschauung sind volatiler geworden, weil auch unsere gesamte Gegenwart schnelllebiger, kurzfristiger und unsteter wirkt. Trotzdem finden wir uns häufig in einem Lager wieder, das grob schematisch entweder links oder rechts zuordnet wird. Und dort verweilen wir nicht zuletzt deshalb, stehen grundsätzliche Überzeugungen nur dann zur Disposition, hat sich unsere bisherige Denkweise kaum bewähren können. Dass man die Seiten wechselt, kennt man gerade in kriegerischen und konfliktreichen Auseinandersetzungen in einer ausweglosen Situation. Da braucht es schon sehr viel Druck und Zwang, schließlich ist nicht jeder Widerstandskämpfer, um selbst bei Repression Rückgrat und Courage zu zeigen. Trotzdem wohnt uns normalerweise ein Hang zu Stabilität inne, sind wir doch träge Gewohnheitstiere ohne allzu viel Wunsch nach Neuorientierung.
Eine diametraler Seitenwechsel muss hellhörig und stutzig machen!
Welche Beweggründe mögen also vorliegen, vollführt man eine 180-Grad-Wende einigermaßen ohne Not? Diese Frage stellt man sich aktuell beim Bundestagsabgeordneten Dr. Maximilian Krah. Einst durch ein patriotisches Vorfeld groß gemacht, mutiert der 48-Jährige im Augenblick zu einem Schatten seiner selbst. In den sozialen Medien fordert er eine Abkehr von der Remigration, hält eine Zukunft Deutschlands nur noch unter dem multikulturellen Aspekt eines sogenannten Binnen-Ethnopluralismus für denkbar, also einem Nebeneinander von verschiedenen Grüppchen unterschiedlicher Herkunft auf einem gemeinsamen Boden. Was in der Konsequenz zu einer Ghettoisierung und Verdrängung der autochthonen Mehrheit führt, sieht der studierte Rechtswissenschaftler wohl auch deshalb als schicksalhaft an, betrachtet er neuerdings Staat und Gesetz als absolute Instanzen, denen man sich zu unterwerfen und ihnen zu dienen hat. Von einem Gestaltungswillen im Sinne der Legislative erkennt man beim Mandatar fast nichts mehr. Stattdessen zeigt er sich auf Plattformen wie X in einer altbekannten Arroganz, schmettert jegliche Kritik an seiner Umkehr mit dem Vorwurf der Unwissenheit, von zu wenig Followern, der Unantastbarkeit der Justiz oder in latenter Lethargie ab.
Krah verhöhnt ausgerechnet jedes Vorfeld, das ihn politisch groß machte!
Hatte er noch in der jüngeren Geschichte die Jugend ermutigt, zur Unversehrtheit von Schwarz-Rot-Gold zu stehen, macht er dem Nachwuchs im Augenblick wenig Hoffnung. Da scheint nichts mehr übrig von einem Anspruch auf Veränderung. Viel eher ist der vormalige CDU-Politiker zu einem Duckmäuser geworden, der sich spätestens seit Bekanntwerden der Einstufung seiner AfD als gesichert rechtsextremistisch durch den Verfassungsschutz wie ausgewechselt zeigt. Routiniert und floskelhaft betont er die Grenzen dessen, was angesichts feststehender Paragrafen umsetzbar sei. Seine Mutlosigkeit schimmert bisweilen depressiv durch die Fassade eines Mannes, der innerhalb von Monaten Ansehen und Respekt seiner Unterstützer verlor, könnte man tatsächlich den Gedanken in sich hegen, der Inlandsgeheimdienst habe ihn angeworben, um die Alternative für Deutschland auf einen Weg der Anpassung und Relativierung zu drängen. Sein plumper Versuch, die Anhängerschaft zu mäßigen und sie letztlich zu einem ziemlich schnöden Abklatsch der Christdemokratie zu degradieren, lässt auf eine Gehirnwäsche schließen, die mit einer prinzipiellen Charakterlichkeit der Provokation korreliert. Immerhin hatte der Spitzenkandidat zur Europawahl wiederholt konfrontative Debatten und unnütze Affären ausgelöst.
Ist der AfD-Alleingänger zum Provokateur um des Unruhestiftens willen mutiert?
So war es die Fragestellung über die Schuld von SS-Mitgliedern, die ihn die Rückendeckung von Alice Weidel und Tino Chrupalla auf der Erfolgsschiene Richtung Brüssel kostete. Auch seine kürzlich vom Zaun gebrochene Diskussion über die Definition unseres Volkes ergibt nur dann Sinn, entdeckt man in dem Räckelwitzer einen Brandstifter und Aufrührer, der sich sowohl im Auftrag der Spaltung und Reizung, aber auch im Anspruch einer Einebnung der „Blauen“ sieht, wenn er mit programmatischen Spitzen brüskiert – und möglicherweise im Dienst von häretischen Handlangern agiert, die intern Zwietracht und Missgunst säen wollen. Zu denken ist dabei beispielsweise an das Umfeld des nordrhein-westfälischen Landesvorsitzenden Vincentz, das bereits mit dem Anstrengen eines Ausschlusses von Matthias Helferich auf sich aufmerksam machte, den man als apodiktischen Kontrapunkt zu denjenigen begreifen könnte, die die illegale Masseneinwanderung über sich ergehen lassen und aus Gründen der Koalitionsfähigkeit von der Erwartung eines Fortbestehens unserer okzidentalen Wesenseinheit absehen möchten. Eine Erklärung dafür, weshalb sich Krah zu einer Marionette der Moderaten schleifen ließ, wird nur dann zu finden sein, gesteht man sich letztlich die Schattierungen der Manipulierbarkeit eines Menschen ein.