Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Trump und Putin sprechen von produktivem Treffen, nennen aber keine konkreten Ergebnisse“ (aus: „Deutschlandfunk“ vom 16.08.2025)
Die Hoffnungen waren groß, sie waren zu groß. Das Treffen von Wladimir Putin und Donald Trump ist zu Ende gegangen, um in einer bemerkenswert kurzen Pressekonferenz einen enttäuschenden Höhepunkt zu finden. Der amerikanische Präsident gab zu Protokoll, dass es „keinen Deal gibt, bis es einen Deal gibt“. Man sei ein wesentliches Stück vorangekommen, aber längst noch nicht am Ziel. Offenbar wurden zunächst Positionen und Meinungen ausgetauscht, die nunmehr von den USA an ihre Partner weitergetragen werden. Wer erwartet hatte, dass der Krieg in der Ukraine mit dieser Zusammenkunft zu einem Abschluss finde, muss naiv gewesen sein. Schließlich hatte nicht nur Lawrow mit seiner provokativen Kleiderauswahl für Klarheit gesorgt. In Anspielung auf die Kräfteverhältnisse während des Bestehens der UdSSR wollte der Außenminister offenbar unmissverständlich verdeutlichen, dass man von den Maximalforderungen keinen Schritt zurückweichen werde. Das bedeutet im Zweifel eine Abtretung der derzeit von Russland besetzten Gebiete. Mit einer Anerkennung der Krim als offizielles Eigentum des Kreml war es wohl nicht getan. Stattdessen scheint die Unterredung von persönlicher Seite ein Erfolg gewesen zu sein, begegneten sich beide Staatschefs auffallend respektvoll.
Es ist ein großer Pluspunkt, dass beide Charaktere offenbar gut miteinander können!
Ob es tatsächlich unter einer Präsidentschaft des derzeitigen Multimillionärs in Washington nicht zur militärischen Eskalation gekommen wäre, darf man trotz gegenteiliger Beteuerungen zwingend in Zweifel ziehen. „Was wäre, wenn…“ bleibt ebenso im Konjunktiv wie das Versprechen, man könnte auf einem guten Weg sein. Zwar spielt ein Vertrauensverhältnis in diplomatischen Kreisen die ganz erhebliche Rolle. Und so ist es schon ein Fortschritt, dass man sich weitgehend auf Augenhöhe begegnete. Und das, obwohl die Anzeichen auf Unterwürfigkeit des Republikaners standen. Dass man in der Information der Öffentlichkeit in sämtlichen Belangen vage blieb, ist für politische Verhandlungen keine Seltenheit. Es kam nicht zu dem viel beschworenen Wunder, war die Chance hierauf utopisch gering. Denn bei derart verhärteten Fronten kann es nicht ernsthaft zur Debatte gestanden haben, dass eine einzige Konsultation ausreichen würde, um eine nunmehr seit dreieinhalb Jahren andauernde Grausamkeit einzufrieren. Viel zu konkludent ehrlich hatte sich der Machthaber zwischen Wolga und Sibirien gemacht, als er schon in der zurückliegenden Woche keinen Millimeter seiner Forderungen fallen ließ, sondern noch einmal seinen strategischen Vorsprung verdeutlichte.
Wer gehofft hat, der Krieg würde morgen enden, muss gutgläubig gewesen sein!
Die Kämpfe werden also weitergehen. Doch es ist Bewegung in die Sache gekommen, Ansprüche und Bedingungen dürften nunmehr unverhohlener denn je auf dem Tisch liegen. Es wird nicht länger genügen, sich auf die gebetsmühlenartige Beteuerung zurückzuziehen, dass Moskau das Sterben sofort abstellen könnte. Schließlich existieren wir in Realitäten, die schmerzhafte Fakten schaffen, um lange geglaubte Ideale in die Schranken zu weisen. Natürlich bleibt es das Credo unserer Gegenwart, dass Grenzlinien heutzutage normalerweise nicht mehr mit Gewalt verschoben werden dürfen. Aber wie es mit Blick auf das Klima diverse Unabänderlichkeiten gibt, so kann sich der außenstehende Beobachter auch bei Luhansk, Donezk oder Saporischschja auf den Kopf stellen, um die territoriale Integrität bei Bedarf stärker zu würdigen als das menschliche Leben. Umfragen in der Bevölkerung von Lwiw bis Charkiw machen deutlich, dass ein Waffenstillstand gewollt ist – sogar unter der Hinnahme von Verlusten am eigenen Land. Selenskyj wird mit seinen Truppen bei pragmatischer Betrachtung nicht mehr gewinnen können, lässt er die Bürger ihren Willen weiterhin nicht in Wahlen ausdrücken. Die Einsicht der Ohnmacht mag bitter sein, scheint sie nicht nur unfair, sondern ein moralischer bankrott. Trotzdem gilt die Regel, dass eine solche Schlacht nur selten mit einem klaren Sieg ausgefochten wird.
Klar geworden ist: Europa muss für gebrochene Versprechen der NATO büßen!
Es wird auf einen Kompromiss hinauslaufen müssen, will man nicht länger das sogenannte „Humankapital“ und materielle Ressourcen verpulvern. Sprich: Wer dem Töten Einhalt gebieten möchte, der springt über seinen Schatten, weil im Zweifel der Klügere nachgibt. Und bezieht man in der Gesamtbewertung die Geschichte mit ein, so sind gerade die historisch gewachsenen, russophilen Zuneigungen in den betroffenen Provinzen, die möglicherweise eine gewisse Entschädigung darstellen, sollte es auch zu einem ungerechten Frieden kommen. Verluste können jetzt nur noch gestoppt, aber nicht mehr rückgängig gemacht werden. Die Menschen in ganz Europa dürften früher oder später vor quälende Tatsachen gestellt sein. Und sie müssen für diese Desillusionierung nicht zuletzt dem transatlantischen Bündnis danken, ist es gerade dessen kontinuierliche Ausbreitung gewesen, die den Ausschlag für den Überfall gab. Häufig ausgeblendet, erklärt ein Versprechen von Hans-Dietrich Genscher am 02. Februar 1990 Motivation und Ursprung des jetzigen Konflikts präzise scharf: „Wir waren uns einig, dass nicht die Absicht besteht, das NATO-Verteidigungsgebiet auszudehnen nach Osten. Das gilt übrigens nicht nur in Bezug auf die DDR […], sondern das gilt ganz generell“.