Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Wird der mutmaßliche Nord-Stream-Saboteur nach Deutschland ausgeliefert?“ (aus: FAZ vom 03.09.2025)
Mit wie viel Naivität, Blindheit und Dreistigkeit muss man gesegnet sein, einem vermeintlichen Bündnispartner auch dann noch die Hand zu reichen, erweist er sich bei vordergründigem Bekenntnis zu gemeinsamen Interessen hinter dem Rücken als heuchlerischer, verräterischer und heimtückischer Dolchstößer? Nachdem sich die Hinweise verdichten, dass die Drahtzieher des Anschlags auf die Nord-Stream-2-Pipelines in der Ukraine zu suchen sind, wirken die immer neuen Hilfsmaßnahmen in Richtung Kiew einigermaßen arglos, grotesk und töricht. Berlin sichert Sympathie, Kameradschaft und Begünstigung jenen zu, die sich als die tatsächlichen Feinde in einem Konflikt entpuppen, der für Deutschlands Zukunft nur bedingte Bedeutung hat. Moskau erklärte nicht uns den Krieg, der Dunstkreis von Selenskyj offenbar schon. Schließlich lässt sich kaum vermitteln, dass der Präsident ohne jegliche Kenntnis darüber war, was am 26. September 2022 in der Ostsee passierte, als vier Detonationen drei Leitungen der Gastransportwege schwer beschädigten. Zwar wird stets abgestritten, dass die Führung des Landes involviert gewesen sei. Doch das kann man glauben – oder eben nicht.
Wer kann nach dem Abwürgen unserer Gasversorgung noch Geld nach Kiew schicken?
Schnell war sowohl für dänische, schwedische wie auch deutsche Behörden klar, dass Sabotage vorliegen müsse, die Professionalität des Vorgehens schien unübersehbar. Haftbefehle wurden nach umfangreichen Ermittlungen letztendlich rasch erlassen, unter anderem von der Bundesanwaltschaft wegen des Vorwurfs einer gemeinschaftlichen Herbeiführung von Sprengstoffexplosionen und eines verfassungsfeindlichen Diversionsaktes, der den Fokus wohl in Richtung Krem lenken sollte, aber letztendlich einen dunklen Schatten auf ausgerechnet jene „Freunde“ lenkt, bei denen Friedrich Merz mittlerweile ein- und ausgeht. Wir manövrieren Unsummen, um der vermeintlichen Verteidigung von Freiheit und Sicherheit willen. Doch beides wurde weder am Hindukusch noch am Persischen Golf erkämpft. Und nun ebenso wenig im Donbass. Stattdessen sind wir mit so vielen eigenen Problemen überlastet, dass man es nur mit schlichtem Lobbyismus erklären kann, wie untertänig und duckmäuserisch man einem Alliierten huldigt, der uns für seine Zwecke missbraucht.
Es war allein die AfD unter den politischen Wettbewerbern auf hiesigem Tableau, welche zuletzt in aller Deutlichkeit forderte, sämtliche Hilfen einzustellen, bis abschließend geklärt ist, welche Rolle die Machthaber zwischen Lwiw und Donezk, von Saporischschja bis Sumy in einem terroristisch anmutenden Angriff auf die Energieversorgung gespielt haben. 34 Milliarden für zivile und 38 Milliarden für militärische Zwecke sind mittlerweile aus unserem Haushalt geflossen. 6,3 Milliarden Euro wurden allein 2024 an Bürgergeld für dortige Flüchtlinge bei uns ausgegeben. Wir opfern unser letztes Hemd, um in Leichtgläubigkeit davon auszugehen, einen Vertrauten auf dem Weg zur Deckung europäischer Werte zu begleiten. Der Partei des ukrainischen Staatsoberhauptes liegt aber weniger daran, sich ideell nach Westen zu orientieren. Sondern vor allem die Vorzüge einer möglichen Mitgliedschaft in EU und NATO zu genießen. Die Wiedererrichtung des Landes wird weiteres Geld verschlingen, das zumindest unter einer Trump-Administration wohl kaum aus den USA fließen dürfte. Erneut müssen die Melkkühe diesseits des Atlantiks für ein unverschuldetes Debakel blechen.
Rechtsextremismus und Korruption, über die nur allzu gerne geschwiegen wird…
Ist es in diesem Zusammenhang also nur ein reiner Zufall, dass die mit absoluter Mehrheit im Kiewer Parlament regierende Kraft „Sluha Narodu“, zu Deutsch: Diener des Volkes, von einer einstigen Top-Managerin verschiedener Bau- und Immobilienfirmen geführt wird, die darüber hinaus als Vorsitzende im Ausschuss für regionale Entwicklung, Stadtplanung und Organisation der Staatsgewalt maßgeblich dafür verantwortlich wäre, die Folgen der militärischen Auseinandersetzung zu beseitigen und Förderungen aus den Taschen der schwarz-rot-goldenen Steuerzahler zu verwalten? Und wie sehr ist man sich in Berlin oder Brüssel darüber bewusst und im Klaren, dass ein früherer Schauspieler keinerlei Anstalten macht, tatsächlich Reformen zur Bekämpfung der Korruption umzusetzen oder sich mit Vehemenz von rechtsextremen Neonazi-Umtrieben zu distanzieren, welche beispielsweise im sogenannten Asow-Regiment oder bei der Verherrlichung des umstrittenen Nationalhelden Stepan Bandera offen zutage treten? Zu denken ist diesbezüglich an die Partei „Swoboda“, die beste Kontakte zur deutschen NPD pflegt, um auch beim sogenannten Maidan-Putsch eine wesentliche Rolle innegehabt zu haben.
Sie stellte Regierungsmitglieder und den Generalstaatsanwalt, einer ihrer Abgeordneten fiel durch die Ehrung der Waffen-SS auf. Die Grenzen zu radikalen und paramilitärischen Kräften waren erkennbar fließend. Der sogenannte „Rechte Sektor“ prahlte mit Kampferfahrung, offenbar gesammelt in Tschetschenien oder dem Kosovo. Kenner der Verhältnisse sahen dessen Anhänger an vorderster Front, als man im Aufstand gegen die damalige Regierung unter Viktor Janukowitsch auch auf Polizisten und Sicherheitskräfte mit brachialer Gewalt losging. Die Verwobenheiten zu den aktuellen Herrschern sollten nicht deshalb angezweifelt werden, weil auch eine Nähe zu Selenskyjs Widersacher Wladimir Klitschko existiert. Die persönliche Fehde zwischen Komiker und Boxer kann nicht über eine ideologische Verbundenheit hinwegtäuschen, vereint sich der Libertäre mit dem Konservativen in der Bereitschaft, Konglomerat und Filz wenig abgeneigt zu sein. Bei so viel Unordnung, Anrüchigkeit und Bestechung, die im Juli 2025 auch noch einmal von Transparency International attestiert wurde, ist es am Ende nicht nur fahrlässig, sondern böswillig, an unserer Solidarität festzuhalten.