Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „55 Prozent der Baden-Württemberger zweifeln an Meinungsfreiheit in Deutschland“ (aus: „Apollo News“ vom 26.09.2025)
„Nichts kann mehr zu einer Seelenruhe beitragen, als wenn man gar keine Meinung hat“, so sagte es Schriftsteller und Physiker Georg Christoph Lichtenberg. Und möglicherweise hat er mit diesem Befund schon allein deshalb recht, weil es selten so gefährlich wie heute schien, die eigene Überzeugung öffentlich zum Ausdruck zu bringen. Es ist kein Wunder, dass laut „Allensbach“-Institut nur noch 40 Prozent der Deutschen der Auffassung sind, ihre Ansichten frei kundtun zu können. Dies ist der tiefste Wert seit 1953, kurz nach der Diktatur. 44 Prozent raten zur Vorsicht bei der unbehelligten Rede. 78 Prozent glauben, dass sich Bürger aus Sorge vor Repressalien nicht mehr trauen, ihre Perspektiven und Positionen ohne Angst zu artikulieren. Und diese Furcht ist durchaus begründet, zeigen doch Zahlen aus dem Jahr 2024, mit welcher Brachialität hiesige Ermittlungsbehörden gegen vermeintliche Straftaten aus dem Dunstkreis der nebulösen „Äußerungsdelikte“ vorgehen. Da braucht es keine signifikanten Beispiele, die Statistiken sprechen für sich.
Die Bundesrepublik als einstiger Demokratie-Vorreiter rangiert heute aus desaströsem Platz!
In rund 23.800 Fällen wurden Verfahren wegen Beleidigungen im Internet angestrengt, das sind 14,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Bei sogenannten Hasspostings in den sozialen Medien stiegen die Fälle polizeilicher Maßnahmen unter dem Schlagwort „Hetze“ um 345 Prozent auf 10.732. Dass die Bundesrepublik diesbezüglich ganz besonders rigide vorgeht, zeigt ein Vergleich auf internationaler Ebene. Während „Hate Crimes“ in den USA laut FBI im Jahr 2023 ganze 11.862 Mal gezählt wurden, waren es hierzulande 17.007, in Frankreich 1.525, in den Niederlanden 1.802 und im EU-Durchschnitt etwa 6.500. Dabei ist die Definition dessen, was denn nun tatsächlich außerhalb von Artikel 5 des Grundgesetzes überhaupt juristisch geahndet werden kann, derart fließend und beliebig, dass sich Gerichte immer öfter mit der Frage befassen müssen, wo die Grenze des Sagbaren eigentlich liegt. Dass sich die Majestäten unserer Regierung häufiger auf den Schlips getreten fühlen, machen etwa 500 bis 800 Gerichtsverhandlungen pro Jahr wegen des legendären § 188 StGB deutlich.
Das Bundesverfassungsgericht bleibt als Hüterin des Artikels 5 oftmals völlig ungehört!
Dabei hatte doch Karlsruhe selbst festgestellt: „Der Staat hat grundsätzlich auch scharfe und polemische Kritik auszuhalten. Zwar dürfen grundsätzlich auch staatliche Einrichtungen vor verbalen Angriffen geschützt werden, da sie ohne ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Akzeptanz ihre Funktion nicht zu erfüllen vermögen. Ihr Schutz darf indessen nicht dazu führen, staatliche Einrichtungen gegen öffentliche Kritik – unter Umständen auch in scharfer Form – abzuschirmen“. Der österreichische Maler Oskar Kokoschka hielt fest: „Jäten ist Zensur an der Natur“. Doch wie sieht es in unserem Garten aus, wenn die Wurzeln dessen herausgerissen werden, was eine liberale Ordnung per Beschreibung ausmachen sollte? In einem Report des „US State Department“ heißt es im August 2025, diesseits des Atlantiks habe sich die „Menschenrechtslage wegen signifikanten Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit, Routine-Razzien, Gerätebeschlagnahmen und Prozessen gegen die Online-Rede verschlechtert“. Nun denn, es reicht ja, wenn es „demokratisch aussieht“.