Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Wahrheit Wehrpflicht: Ein demokratisches Militär ist besser als eine reine Berufsarmee“ (aus: „derFreitag“ vom 09.10.2025)
Nein, Parteien sind wahrlich kein Hort der Einigkeit. Denn in einer Demokratie soll um die besten Lösungen und Antworten gerungen werden. Und dieser Diskurs macht auch vor internen Schlagabtauschen keinen Halt. Insbesondere bei vergleichsweise noch jüngeren Wettbewerbern müssen bestimmte Positionen zunächst ausgehandelt werden. Und so ist es weder verwunderlich noch verwerflich, dass die AfD über ihre Haltung zum Thema Wehrpflicht und Verteidigungsfähigkeit angemessen und vor allem im Hintergrund streitet. Charaktere wie Alice Weidel, Rüdiger Lucassen oder Gerold Otten setzen sich für eine umgehende Wiedereinführung des Dienstes an der Waffe ein. Insbesondere die Co-Sprecherin macht jedoch Abstriche, will die Bundeswehr nicht mehr in Auslandseinsätze schicken. Für eine Ablehnung jeglicher Aufrüstung stehen dagegen Tino Chrupalla, Björn Höcke und Jörg Urban, die davor warnen, dass die Regierung nicht nur die Jugend wie „Kanonenfutter“ in fremden Konflikten einsetzen könnte. Allenfalls im Zuge von Deeskalation, Diplomatie und Verständigung erwägen sie das Involvieren unsere Armee, betonen ausdrücklich die pazifistische Orientierung der Alternative für Deutschland.
Lässt sich in der AfD ein Konsens für „Armee ja, Auslandseinsätze nein“ finden?
Möglicherweise pragmatisch wie auch vermittelnd und brückenbauend könnte sich der frühere Oberbootsmann Jan Nolte erweisen, der in der Bundestagsfraktion als Experte gilt, bringt er doch eigene Erfahrungen in einem überaus heiklen Komplex mit, der sogar Potenzial für die Spaltung verschiedener Lager besitzt. „Deutsche Soldaten haben nicht zwanzig Jahre lang in Afghanistan gekämpft, damit die CDU diese Afghanen jetzt nach Deutschland einfliegt“, gab er jüngst plakativ zu Protokoll. Unsere Nation dürfe keine Schwäche zeigen, müsse prinzipiell handlungsfähig bleiben. Trotzdem lehnt er die Aussendung von Truppen, beispielsweise in die Ukraine, kategorisch ab. Sein Engagement gilt einer gesellschaftlichen Verwurzelung und der personellen Reserve des Militärs, um nicht zuletzt Tugenden wie Disziplin und Pünktlichkeit bei jungen Menschen zu verankern. Insgesamt befindet er sich mit dieser Haltung auch auf dem Fundament des Grundsatzprogramms, gemäß dessen man sich generell für eine Identifikation der Bevölkerung mit der Bundeswehr, ein Einstehen für patriotische Werte und eine Landesverteidigung ohne Berücksichtigung geopolitischer Interessen anderer Staaten ausspricht.
Gerade im Osten wird sich manch ein Wähler entlang der Verteidigungsfrage entscheiden…
Selbstredend wird man Differenzen nicht durch einen erzwungenen Konsens überdecken können. Dass man sich als friedenstreibendes Projekt versteht, daran dürfte es auch bei vehementen Verfechtern schlagkräftiger Streitkräfte keinen Zweifel geben. Immerhin geht es letztlich auch um das Hochhalten von Freiheit und Sicherheit, aber eben nicht am Hindukusch oder im Donbass, sondern bei Notwendigkeit vor der eigenen Haustüre. Mit diesem Mittelweg hebt man sich beispielsweise von Konkurrenten wie dem BSW ab, das diesbezüglich deutlich restriktiver argumentiert. Sahra Wagenknecht betrachtet eine Ertüchtigung der nachfolgenden Generation in Zeiten von Drohnen und Cyberkriegen als überflüssig. Ihre Kernaussage gilt: „Wir brauchen keine Zwangsrekrutierung, sondern Diplomatie“. Sie setzt vor allem auf freiwillige und professionelle Strukturen, befürchtet eine Behinderung der beruflichen Orientierungsphase Heranwachsender. Und so könnte die Fragestellung gerade im Osten noch von großer Bedeutung bei den anstehenden Wahlen sein. Immerhin kristallisieren sich Alleinstellungsmerkmale heraus, die eine Entscheidung auf dem Stimmzettel möglicherweise erleichtern dürften.