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Das BSW am Scheideweg: Mit Fabio De Masi droht ein massiver Linksrutsch der noch jungen Partei, die damit der Bedeutungslosigkeit nahekommt…

Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Zukunft des BSW: Sahra Wagenknecht schmeißt Parteivorsitz hin“ (aus: „taz“ vom 10.11.2025)

Ihr wurde oftmals vorgeworfen, sich als eine Ikone zu stilisieren, den Personenkult um sie zu fördern. Sarah Wagenknecht ist ein streitbarer Charakter mit Aura und Präsenz, möglichen Allüren, aber einer klaren Überzeugung. Durch ihren Bruch mit der Linken hat sie bewiesen, dass Kommunismus allein nicht glücklich macht. Stattdessen kommt man in der Gegenwart auf dem Boden der Realitäten an, ist zu einem pragmatischen Umdenken gezwungen, will man sich nicht blind zeigen gegenüber dem Stadtbild, den Umfragen und der Stimmung im Land. Denn Vielfalt ohne Intoleranz mit Blick auf jene, die sich unter anderem aus kulturellen Gründen einer offenen Gesellschaft verschließen, kann nicht gelingen. Auch der Gedanke der bloßen Umverteilung von oben nach unten lässt sich kaum ohne Schaden an Prosperität und Wachstum verwirklichen. Wer die Mitsprache in Betrieben erleichtern will, muss sie nicht zwingend verstaatlichen. Es braucht Mittelwege, keine Ideologien, die allein um der Sache und Moral willen auf Prinzipien beharren, welche schon mehrmals in der Geschichte gescheitert sind. Die 56-Jährige hatte erkannt, dass man sich mit den Konservativen versöhnen muss, will man noch irgendetwas reißen.

Stelle zu vergeben: Wer setzt sich fortan für ein Ende des strikten Abgrenzens zur AfD ein?

Ihr beharrliches Engagement gegen die Brandmauer als Fremdkörper in der Demokratie, welche jeglichen Dialog verunmöglicht, aber gleichsam in das Korsett des Etablierten drängt, wird nach ihrem Rücktritt von der Spitze fehlen. Auch wenn sie in der Wertekommission erhalten bleibt, mangelt es künftig an einem Leuchtturm, der sich nicht naiv auf jede Regierungskonstellation einlässt, um anschlussfähig zu sein – und Macht zu erringen. Insbesondere die Hardliner aus Bayern und Hessen, denen der Kurs der früheren Europaparlamentarierin zu rechts war, könnten sich nunmehr ermutigt fühlen, stärker in den Vordergrund zu drängen. Deren Flirten mit Grünen und SPD, mit teils radikalen Strömungen von ganz weit außen, dürfte die Existenzberechtigung des BSW noch mehr in Frage stellen. Denn was soll das Bündnis in diesem Fall programmatisch länger unterscheiden von ihren Wettbewerbern links der Mitte? Die regionalen Rebellen in Sachsen, die gegen einen vermeintlichen Zentralismus agitieren und sich für lokale Fraktionen einsetzen, könnten fortan Chaos stiften, muss sich Nachfolger Fabio De Masi erst Respekt und Führungsstärke erarbeiten, um solche Tumulte zu moderieren.

Zwei Vorsitzende mit „demokratischen“ Sozialismus-Allüren sollen es richten…

Denn Autorität bringt er nicht deshalb automatisch mit, weil er sich als charismatischer Aufklärer in der Warburg-Affäre einen Namen machte. Der immer wieder auf seine Wirtschaftsexpertise verweisende 45-Jährige hat seinen Weg mit Blick auf den Umgang mit der AfD noch nicht gefunden, könnte sich zwar punktuelle Zusammenarbeit vorstellen, sieht sie aber als den eigentlichen Rivalen. Mit seinem Propagieren einer „fairen“ Migrationspolitik schlägt er deutlich mildere Töne an als seine Vorgängerin, will zwar Grenzen kontrollieren, aber im Asylwesen „human“ bleiben. Er möchte eine Reform der Schuldenbremse für Infrastruktur und nachhaltige Investitionen ermöglichen, Monopole zerschlagen und öffentliche Subventionierung fördern. Er sieht sich in der Tradition des „demokratischen Sozialismus“, will aber einer breiten Sammlungsbewegung, der „Querfront“ die Chance geben. Mit Vehemenz vertritt er eine diplomatische Entspannung, möchte Abrüstung und Verhandlungen in den Kriegen von Gaza und der Ukraine vorantreiben. Insgesamt zeichnet sich ein Bild der möglichen Verwässerung des bisherigen Profils, ist auch Amira Mohammed Ali an seiner Seite eine Verfechterin klassisch linker Positionen.

Linke Orthodoxie und Brandmauer light scheinen den Kurs des künftigen BSW zu bestimmen…

Und so keimt Skepsis auf, ob der medial als „Husarenreiter“ Betitelte aus Groß-Gerau wirklich Kontinuität garantieren oder das noch junge Vorhaben in die Bedeutungslosigkeit unter ferner liefen manövrieren könnte. Beide Varianten sind denkbar, dürfen seine prinzipielle Zuverlässigkeit und sein opportunistischer Tenor nicht über manch einen Makel hinwegtäuschen. In bisherigen Flügelkämpfen gab er sich ziemlich hilflos, seine Stilistik gilt oftmals als aggressiv und stur, blockiert er in den neuen Medien schnell und unverhohlen. Der Drall zurück in linke Orthodoxie scheint absehbar, vermeidet der frühere Bundestagsabgeordnete Rhetorik von Liebknecht oder Luxemburg explizit nicht. Seine Kompromisslosigkeit gegen den Sparzwang torpediert alle Vernunftorientierung, der Dogmatismus erlebt eine Renaissance. Da ist es wohl kein Zufall, dass sich der frühere BSW-Mandatar Dr. Friedrich Pürner mit einem Tweet zu Wort meldete, welcher unmissverständlicher wohl kaum sein könnte: „Ehemalige Linke und Ramelow-Anhänger übernehmen. Marionetten regieren – das BSW wird zur Die Linke 2.0“. Selbst wenn man bei einer Neuauszählung doch noch die Fünf-Prozent-Hürde nimmt, könnte die Plenumsära also kurz sein.