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Im Moment der Friedensinitiative kommen AfD-Rivalitäten zur Unzeit: Wie besonnene Mandatare versuchen, die Partei zur Vernunft zu bringen…

Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „AfD und Russland: Fürchtet euch nicht – Zwischen Naivität und Verharmlosung“ (aus: „Süddeutsche Zeitung“ vom 17.11.2025)

Wenn etwas zur Unzeit kommt, dann ist es eine selbst verschuldete Polarisierung der AfD zwischen den sogenannten „Russenstussern“ einerseits, den „Westextremisten“ andererseits. Nicht zuletzt durch die Reise von mehreren Parteivertretern nach Sotschi angeheizt, reißen Gräben wieder auf, die man zumindest vor der öffentlichen Debatte lange verdecken konnte. Doch nun scheinen die Risse kaum noch zu leugnen, aber gleichsam überflüssig. Denn genauso, wie es schizophren ist, nur deshalb Moskau-Treue zu unterstellen, weil sich gerade die Ostverbände für mehr Verhandlung und Brückenbau einsetzen, bleibt es böswillig, jene als moralische Geiseln der USA zu brandmarken, die manch eine Tatsache klar und eindrucksvoll benennen. Man müsse Realitäten ins Auge blicken, formulierte beispielsweise der Abgeordnete Hannes Gnauck. Einer der versiertesten Verteidigungsexperten der Fraktion schreibt uns allen ins Stammbuch, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit darstellen sollte. Pragmatismus braucht es auch, wenn wir die Bundesrepublik geopolitisch künftig souveräner aufstellen wollen, aber gleichzeitig nicht um das Attest umhinkommen, dass sich mit dem Kreml eine strategische Partnerschaft auf absehbare Zeit kaum mehr verwirklichen lässt.

Es braucht weder Drama noch Schönfärberei, sondern eine ehrliche Bestandsaufnahme!

Sich nicht in Abhängigkeiten zu begeben, sondern letztlich einzugestehen, dass jeder Machthaber in Zeiten von Krieg mit den diversesten Mitteln versucht, Dritte auf seine Seite zu ziehen, scheint für gewöhnlich eine naheliegende wie logische Feststellung. Sie scheint dann jedoch verpönt, beurteilt man den Auftritt von Tino Chrupalla bei Markus Lanz als schlicht bis ungeschickt, der nüchtern bilanzierte, dass ihm Putin nichts getan habe. Was als persönliche Antwort wenig zu beanstanden ist, lässt sich allerdings von der Metaebene aus nicht halten. Natürlich gibt es Provokationen, wenn russische Schiffe im Ostseeraum Grenzen antasten, Souveränität austesten, Soldaten in Gefahr bringen. Hierauf möchte der ehemalige Oberfeldwebel ohne große Empörung aufmerksam machen, verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass die Alternative für Deutschland nicht zuletzt um Regierungsverantwortung willen antrete, die sich bei etwas Demut vor den Umfragen 2029 ausschließlich mit einer Koalition verwirklichen ließe. Doch mit der Union wird es keine Einigung geben, erkennt man nicht wenigstens den Status von Unabhängigkeit und Neutralität an, den wir schon allein deshalb einnehmen sollten, weil wir uns zu oft in folgenschwere Konflikte rund um den Globus eingemischt haben. 

Dass Putin in Zeiten von Krieg Zusammenhalt und Bündnisfähigkeit austestet, ist plausibel…

Auch wenn längst nicht für alle vorgeworfenen Agententätigkeiten Belege gegenüber der Föderation vorliegen, beispielsweise bei „Nord Stream 2“ mittlerweile eher die Ukraine als Unterstützer oder Mittäter gehandelt wird, so gibt es doch auch hinreichende Nachweise für manch eine Spionage durch Russland. Insgesamt 40 sogenannte „Diplomaten“ hat man seit 2022 ausgewiesen, 2025 wurden mehrere Personen wegen Abhörversuchen, Cyberkriminalität und potenziellen Brandanschlägen auf die Infrastruktur verurteilt, waren die gesammelten Spuren zu erdrückend. Es gibt keinen Anhalt für Generalverdacht, aber gleichsam keinen Grund für einen pauschalen Freispruch. Putin zeigt wenig Bereitschaft zur Kooperation, wenn es um die Aufklärung von Sabotageakten geht. Diese fehlende Transparenz und mannigfaltige Taktiererei sind durchaus ein Indiz für die Verstrickung in Feindseligkeit gegenüber NATO und EU. Dass diese allerdings ihre nachvollziehbare Motivation im Expandieren des transatlantischen Bündnisses hat, steht wiederum auf einem anderen Blatt. Kaum jemand in der AfD rüttelt an der vorrangigen Position, Frieden zu fordern. Doch an zahlreichen Beispielen lässt sich die traurige Wirklichkeit ablesen, dass unsere Menschheit aus barbarischer Vergangenheit wenig gelernt hat.

Der Blick geht über den Konflikt in der Ukraine hinaus – und betrifft unsere Souveränität…

Und so müssen auch wir uns vorbereiten auf eine Situation, die eskalieren kann. Es braucht keine Hysterie, angestoßen von „Think Tanks“, die die Rote Armee 2.0 in ein paar Jahren am Brandenburger Tor verorten. Doch wir sollten nicht gutgläubig jedwedes Risiko verneinen. Es gibt wenige Vertreter auf dem Berliner Tableau, die mit so viel Weitsicht sprechen wie der ehemalige Vorsitzende der Jungen Alternative. Gnauck arbeitet in beeindruckender Sachlichkeit und argumentativer Ruhe auf die zwingende Koexistenz von Europa und Russland hin, warnt vor der Brandrede Röttgens, der uns bereits im Bunker sitzen sieht. Es bedürfte rationaler Zukunftsszenarien, sein Engagement wendet sich gegen emotionale Kurzschlussreaktionen oder Aufrufe zum stärkeren Involvieren Deutschlands als Nichtkriegspartei. Wer dem 34-Jährigen Aufrüstung und Militarisierung vorwirft, handelt unredlich und verleumderisch. Stattdessen ist seine Stimme von Kontinuität getragen, sieht er die Entwicklungen mit Fachkunde und Expertise, in Vernunft und ohne Panik. Dass er der Trump-Administration im Augenblick die einzig führende Rolle zuspricht, macht ihn nicht zu einem „Weidel-Vertrauten“, sondern unterstreicht, wie unverantwortlich es wäre, würden wir unsererseits auf Wehrfähigkeit verzichten.