Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Liberale Parteien haben ihre Ideale verraten. Sie haben mitgeholfen, die Freiheit auszuhöhlen“ (aus: NZZ vom 20.12.2025)
Christian Dürr bewegt sich merkwürdig in Videos für die alternativen Medien, Marie-Agnes Strack-Zimmermann schießt in rhetorischer Dreistigkeit auch weiterhin gegen Verfechter eines Friedens für die Ukraine. Was würden sich Walter Scheel, Theodor Heuss, Hans-Dietrich Genscher oder Guido Westerwelle im Grab umdrehen, müssten sie miterleben, was aus ihrer FDP geworden ist. Hatte man nach dem ersten Rausschmiss aus dem Bundestag noch den Eindruck, man wolle auf das parlamentarische Parkett zurückkehren, so verhaftet im Augenblick der gegenteilige Anschein, unbedingt APO zu bleiben. Vermisst die Liberalen irgendjemand? Die Landtagswahlen in Baden-Württemberg könnten eine erste Antwort geben. In einer ihrer Stammregionen wird sich entscheiden, ob die Partei schlichtweg obsolet geworden ist. Sie hat im Südwesten massiv federn lassen, nicht nur, was die Umfragen angeht. Im Jahr 2025 gab es eine ganze Reihe von Austritten bekannter Mitglieder, die ein wesentliches Fundament wegbrechen ließen. So ist es unter anderem dem massiven Abwerben durch das neu gegründete „Team Freiheit“ zu verdanken, dass ehemalige Mandatare und Funktionäre ihrer bisherigen Heimat den Rücken gekehrt haben, zu neuen Ufern aufgebrochen sind.
Sarah Zickler sieht die wirtschaftsliberalen und marktökonomischen Prinzipen verraten…
Die jetzige Spitzenkandidatin für die neu gegründete Bewegung um Thomas Kemmerich und Frauke Petry, Sahra Zickler, ist ein prominenter Name, der die Seiten gewechselt hat. Die ehemalige Stadträtin aus Reutlingen und frühere Direktbewerberin war rund acht Jahre aktiv in der FDP, gilt als wirtschaftsliberale Stimme, die sich besonders für Unternehmer und den Mittelstand einsetzt. Ihr Engagement gilt der Deregulierung und dem Abbau von Bürokratie, sie will den Staat in die Schranken weisen, Wachstum vor allem durch private Innovation generieren. Interventionen, Subventionierungen und Umverteilung lehnt sie strikt ab, Gründer sollen entfesselt werden. Aktionismus ist ihr völlig fern, sie will eine Expertenelite fördern. Die Psychologin moniert die steigende Steuer- und Abgabenlast, brandmarkt Vorschriften und Eingriffe in den Markt als Akt eines modernen Sozialismus. Der Standort Deutschland würde durch die energetische Transformation gefährdet, die in der Sache dem Klimaschutz nicht helfe, aber die Ökonomie an den Rand des Ruins bringe. Es brauche weder Frauenquoten noch ein Lieferkettengesetz, die EU dürfe nicht zur Schuldenunion verfallen. Zwänge, die die persönliche Entfaltung behindern, gehörten abgeschafft.
Christof Ronge fehlt es an Engagement für eine Reform des Sozial- und Gesundheitswesens…
Ähnlich konsequent erweist sich Christof Ronge. Der 31-jährige Tettnanger hat die FDP Anfang August verlassen, ist seit 2017 in der Pflege tätig. Einst aktiv im Bezirk Bodensee-Oberschwaben und früheres Mitglied des Landesfachausschusses für Gesundheit, konnte der Fachwirt das Programm nicht mehr vertreten, welches die Freien Demokraten heute für sich beanspruchen. Auch er wechselt nun zu den Anti-Etatisten, will pragmatische Lösungen und eine Stärkung der individuellen Verantwortung erreichen. Der Bürgermeisteranwärter vermochte praxisnahe Reformen für das Sozialwesen anzustoßen, die Digitalisierung unterstützen. Im bisherigen System sieht er sich und seine Kollegen erdrückt, will die Arbeitsbedingungen durch weniger Vorgaben verbessern, mehr Zeit für die Arbeit am Menschen lassen. Effiziente Strukturen, die Raum für die Kernaufgaben geben, stehen ebenso auf seiner Agenda wie die Forderung nach einer Trennung von Partei und Mandat. Der klassische Parteienfilz solle beendet werden, Gestaltung und Mitsprache auf allen Ebenen möglich sein. Für die Medien wünscht er sich mehr Unabhängigkeit, der Bürger müsse wieder unbehelligt sagen können, was er denke. Statt fauler Kompromisse brauche es Pragmatismus.
Jürgen Keck aus dem Landkreis Konstanz monierte die Corona-Politik seiner Ex-Partei…
Nach jahrzehntelanger Zugehörigkeit hat sich ebenfalls Jürgen Keck aus der FDP verabschiedet. Der ehemalige Landtagsabgeordnete, jetziger Gemeinde- und Kreisrat in Radolfzell, Ortsvorsteher von Böhringen-Rickelshausen, machte seinen Schritt mit einem Austrittsschreiben bekannt. Er selbst entschied sich dagegen, in eine andere Partei einzutreten, sondern sich künftig ganz auf die Präsenz an der Basis zu konzentrieren. Er vermisse die wirtschaftliche Vernunft, die soziale Gerechtigkeit und die kulturelle Identität als Eckpfeiler, welche die Liberalen einst noch in den „Karlsruher Thesen“ festhielten. Der Tabubruch offener Grenzen im Jahr 2015 löste bei ihm ein Umdenken aus, besonders die aktive Mitwirkung an den Grundrechtseinschränkungen während Corona nimmt er seiner Ex-Kollegen bis heute übel. Dass sie beim Verbot des Verbrennermotors nicht Nein gesagt haben, kritisiert er ebenso wie das Schweigen beim Missbrauch des Asylrechts. Er wollte sich nicht länger vor eine „linkswoke“ Mentalität spannen lassen, so formulierte er, um etwas ins Stammbuch zu schreiben, was zum Nachdenken anregen sollte: Wer sich zwischen Rot und Grün zerreiben lässt, taugt nur noch als Sägemehl. Und wer vermag sich schon als solches hinzugeben?







