Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Partei wittert ‚willkürliche Schlechterstellung‘: Das steht in der AfD-Klage gegen den Bundestag“ (aus: BILD vom 06.07.2025)
Schon in der Ausbildung zur Öffentlichkeitsarbeit lernt man: Krisen lassen sich entweder aussitzen und weglächeln. Oder sie werden als Chance begriffen, kritisch in sich zu gehen und zu hinterfragen, ob manch eine Meldung und Schlagzeile nicht tatsächlich dazu taugen, aus gutem Grund am eigenen Kurs zu rütteln. Die AfD befindet sich zweifelsohne am Scheideweg, kommt sie in vielen Umfragen kaum noch aus dem Quark. Zwar ist sie stabil zweitstärkste Kraft, doch ihr Potenzial scheint nicht zuletzt auch deshalb ausgeschöpft, verstrickte sie sich zuletzt in erheblicher Widersprüchlichkeit, Affären und Querelen, die nicht etwa von der Presse aufgebauscht wurden, sondern für die man ausnahmsweise selbst verantwortlich war. Da hat man über Wochen und Monate lang geduldet, dass der einstige Hoffnungsträger des Vorfeldes, Dr. Maximilian Krah, nach dem Erscheinen des Gutachtens aus der Verfassungsschutzbehörde kurzerhand dafür warb, eine Diskussion über das genaue Definieren des deutschen Volkes vom Zaun zu brechen, um am Ende zu der Erkenntnis zu gelangen, dass man die derzeitige Situation der Masseneinwanderung hinnehmen müssen, gäbe es doch bestehende Gesetze und Gerichtsentscheide, welche uns im Zweifel verdammen, gemäß der Philosophie des Binnen-Ethnopluralismus in abgeschotteten Ghettos aus Deutschen und Ausländern separiert voneinander dahin zu vegetieren.
Wer von seinen Alleinstellungsmerkmalen Abstand nimmt, steht bald ohne Heimat da!
In der Folge hagelte es eine Distanzierung nach der nächsten. Zuerst ging es um das Magazin „Compact“, welches nicht verboten wurde, aber allzu russophil daherkommen soll. Anschließend traf die Ungnade den österreichischen Aktivisten Martin Sellner, dessen Konzept zur Remigration offenbar nicht nur für Tino Chrupalla und Alice Weidel ein Dorn im Auge ist, klingt es bisweilen zu barsch mit Blick auf die vielen Geflüchteten, die zwar ohne Bleibeperspektive und dauerhaften Aufenthaltsstatus sind, aber doch nicht kriminell wurden. Ein weiterer Paukenschlag, wenn auch nicht anders erwartet, war der Beschluss des Landesschiedsgerichts in Nordrhein-Westfalen, den beliebten Abgeordneten Matthias Helferich aus den eigenen Reihen auszuschließen, warf man ihm ohne nähere Prüfung des Kontextes ein Zitat vor, das längst in der Mottenkiste versauert war. In einem provokativen Austausch und als Reaktion auf linksradikale Spitzen bezeichnete er sich einst als „das freundliche Gesicht des Nationalsozialismus“, ist zudem mit einem Bild in Verbindung gebracht worden, auf dem sich ein Duftbäumchen samt der Aufschrift „Viecher“ fand, was in unmittelbarem Zusammenhang mit einer menschenunwürdigen Ausweisung von Asylbewerbern gesehen wurde. Ohne Rückhalt und Bekenntnis wird eine Galionsfigur dem Machtkampf von manch einem Narzissten geopfert.
Der Kurs der Anpassung ist gescheitert, nun hilft nur Frontalopposition!
Ohne Rücksicht auf weitere Verluste, trennte man sich auf der Fraktionsklausur im Bundestag in einem Sieben-Punkte-Papier vom Begriff der deutschen Leitkultur, leugnete zunächst eine Berichterstattung der Bild-Zeitung darüber, wurde aber von der tatsächlichen Existenz eines solchen Abschlussentwurfes heimgesucht. Die Kommunikation wirkt über weite Strecken wie ein „Zwei Schritte vor, drei zurück“. Man ist im Modus der Anpassung an das Establishment gefangen, will es sowohl möglichen Koalitionspartnern wie auch dem Stammwählerklientel recht machen. Doch bereits die Anbandelungsversuche beim BSW scheinen gescheitert zu sein, Amira Mohamed Ali wies die Avancen der Blauen zurück, womit auch ein gemeinsamer Umsturz der thüringischen Regierung ausfallen dürfte. Nunmehr folgte die Klage in Karlsruhe auf einen größeren Versammlungsraum in Parlament, welche zwar nachvollziehbar und allzu berechtigt ist, aber trotzdem nur als Nebelkerze taugt, um den Anwurf zu verstärken, man wolle sich um zu viel inhaltliche Positionierung drücken. Einher ginge damit die unangenehme Auseinandersetzung zwischen mehreren Lagern, beispielsweise in der Außenpolitik. Hier mangelt es an einer klaren Richtung, die vor allem auf dem Wert des Pazifismus basiert. Schließlich ist man gerade im Osten dank des Eintretens für Frieden hochgelobt und unterstützt worden.
Wo sind die Konzepte zu drängenden Fragen der Zeit, jenseits von Migration und Sicherheit?
Trotzdem wabert es intern weiter, wollen sich die Einen in Staatsräson auf die Seite von Israel oder der Ukraine schlagen, suchen die Anderen wiederum die Nähe zu Russland oder Palästina. Und auch bei der Schwerpunktsetzung bleibt die äußerst monothematischen Linie bestehen. Zwar ist der Zustrom von Illegalen auf diesem Kontinent als Mutter zahlreicher Probleme, Schwierigkeiten und Nöte der Gegenwart zu betrachten. Doch ohne durchdachte Forderungen und Lösungsvorschläge hinsichtlich der sozialen Frage, des Wohnraummangels, der Bildungsmisere, der Einschränkung der Meinungsfreiheit, der verkopften Klimatransformation, des Geschlechterirrsinns, der leeren Rentenkassen, der mangelnden Gesundheitsversorgung, des Transferleistungsbetrugs, des Steuerkommunismus, des Wirtschaftsabschwungs, des Investitionsstaus, der Baustellen in der Infrastruktur, des Ausverkaufs unseres kulturellen Erbes oder der Windradepidemie wird man sich auf Dauer nicht allein mit dem stetigen Verweis auf die Fehler der Anderen über Wasser halten können. Es bedarf der Einsicht, mehr zu sein als bloßer Protest. Schließlich kann eine langfristige Strategie nur auf Substanz fußen. Der poröse Unterbau eines schlichten Sammelbeckens von Enttäuschten lässt sich zwar in einer Epoche des prosperierenden Populismus pflegen. Nachhaltig ist seine Tragfähigkeit allerdings nicht.